Die Stadtverwaltung will das Bad Berg nur noch im Sommer betreiben. Grüne und SPD sind dagegen. Und mancher sorgt sich um die Nostagie.

Stuttgart - Rund 155 Jahre nach der Gründung des Mineralbad Bergs durch den Hofgärtner Friedrich Neuner ist im Rathaus eine Debatte über die Zukunft des Kleinods entbrannt. Während die Verwaltung unter der Leitung des Ersten Bürgermeisters Michael Föll (CDU) dem Gemeinderat den weit gehenden Abriss der bestehenden Anlage und ein reines Sommerfreibad mit zusätzlichen Becken schmackhaft machen will, um die Bau- und Betriebskosten in Grenzen zu halten, sehen zumindest Grüne und SPD keine Veranlassung, am Ganzjahresbetrieb zu rütteln. Sie positionieren sich eindeutig.

 

Zur Erinnerung: als die Landeshauptstadt 2005 die Mineralbad Berg AG vollständig übernahm, indem sie dem Mehrheitseigner Paul Blankenhorn dessen Aktienpaket abkaufte, hatte die Rathausspitze formuliert, im Vordergrund des Geschäfts habe gestanden, "dass das Mineralbad einschließlich der Parkanlagen öffentlich zugänglich bleibt und seinen eigenen Charakter behält".

"Bergianer" sollen bleiben

Darauf nagelt der neue Grünen-Fraktionschef Peter Pätzold nun den Kämmerer Föll fest: "Der Charakter des Bades bleibt unverändert." Die "Bergianer", wie die - zumeist älteren Stammgäste genannt werden - dürften durch die zweifellos dringend nötige Sanierung "nicht vertrieben werden", sagte die neue Grünen-Fraktionsvorsitzende Silvia Fischer am Dienstag bei einem Pressetermin im Mineralbad.

Auch die SPD-Fraktionsvorsitzende Roswitha Blind macht in einem Antrag deutlich, dass das "Neuner" eine "Ganzjahreseinrichtung mit eigenem Profil" bleiben müsse. Die Sozialdemokraten fordern ein neues Gutachten, das Einsparmöglichkeiten bei einer Sanierung des lange vernachlässigten Kultbades und mögliche Verknüpfungen mit der geplanten Wohn- und Hotelbebauung in der Nachbarschaft aufzeigt. Darüber hinaus will der Gemeinderat Anregungen, wie der Betrieb in den schwach ausgelasteten Wintermonaten, wenn der idyllische Außenbereich ungenutzt bleibt, gesteigert werden könnte, um das Defizit zu senken.

Geschätzte Sanierungskosten steigen

"Das Neuner ist ein Kulturbad. Warum sollte es nicht für zusätzliche Kulturveranstaltungen genutzt werden", fragt Pätzold. Der Ausgangspunkt der Debatte ist ein einstimmiger Grundsatzbeschluss des Gemeinderats aus dem Jahr 2008, das Bad zu sanieren. Die Kosten wurden damals mit 16 Millionen Euro veranschlagt. Bis Ende 2009 stiegen diese auf 24,7 Millionen Euro, weshalb das Projekt vorerst nicht weiterverfolgt wurde.

Die Projektsteuerungsgesellschaft namens ARP/Quadratus hat nun das Planungskonzept der 4a Architekten GmbH für schlüssig erklärt, kommt jetzt aber auf 27,3 Millionen Euro, inklusive 1,6 Millionen für die Quellensanierung. Es rät, auch wegen hoher Folgedefizite von angeblich drei Millionen Euro jährlich (2010 waren es 890.000 Euro), von einer Generalsanierung ab. Dies könne in Anbetracht der "vielen Aufgaben für breite Bevölkerungsschichten, die noch offenstehen, keine vertretbare Lösung sein". Stattdessen schlägt der Gutachter den Bau eines Mineral-Sommerfreibades vor. Mit neuer Aufwärmhalle und einem Warmwasser-Außenbecken sei es für 14,2 Millionen Euro zu haben. Es gelte, für das Bad ein Alleinstellungsmerkmal zu erarbeiten. Dieser Lösungsansatz bedürfe aber eines Gemeinderats "ohne nostalgische und ideologische Vorbedingungen und Vorurteile".

Diese Aussage wurde am Dienstag im "Neuner" mit Verwunderung registriert. "Dieses Bad und seine Nostalgie sind das Alleinstellungsmerkmal", sagte Pätzold. 

Stadt wartet auf Investoren

Erwerb Bis 2005 war das Mineralbad Berg in fünfter Generation im Besitz der Familie Blankenhorn. Ludwig Blankenhorn, der bald nach dem Verkauf seines 69,5-Prozent-Anteils an der AG verstarb, erhielt für seine Aktien und für die Abgeltung von Pensionsansprüchen und lebenslangem Wohnrecht rund zehn Millionen Euro. Die Stadt überließ ihm 90 Prozent der sich auf 4,278 Millionen Euro belaufenden Wertsteigerung jener Grundstücke, die der Investor in der Nachbarschaft benötigte.

Investor Der Ruland Klinikenverbund (mehr als 1000 Betten) mit seinem Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Ruland plante damals den Bau eines Hotel- und Gesundheitszentrums für ambulante, teilstationäre und stationäre Behandlung auf 9900 Quadratmetern. Das Hotel der Vier-Sterne-Kategorie war mit 8600 Quadratmetern Nutzfläche geplant. Dafür sollte Ruland noch 2005 den städtischen Parkplatz neben dem „Neuner“ für 4,15 Millionen Euro sowie Flächen der Bad Berg AG für 4,025 Millionen Euro erwerben. Aus dem Projekt wurde ebenso wenig wie aus den Plänen von Rudi Häussler.

Kosten Aus steuerlichen Gründen – die städtischen Kur- und Bäderbetriebe (KBB) wiesen höhere Verlustvorträge auf als die Bad Berg AG – erwarben die KBB das Aktienpaket von Blankenhorn für 8,42 Millionen Euro plus 130.000 Euro Grunderwerbsteuer und nahmen dafür Kredit auf. Zwischen 2006 und 2008 wurden je 245.000 Euro an Zwischenfinanzierungskosten veranschlagt. Diese fallen bis heute an und belasten das Ergebnis des Eigenbetriebs, da der Grundstückserlös von 8,4 Millionen Euro noch nicht realisiert ist.

Buch Über das "Neuner" ist jüngst ein Buch erschienen. Titel: "Hier drin ist eine Welt für sich."