Auch wenn das Handwerk etwas aus der Mode gekommen ist, das Thema selbst bleibt ewig jung. Mode inspiriert, Mode steckt an. Ganz besonders die diesjährigen Arbeiten der Talente aus der Kerschensteinerschule.

Stuttgart - Was war am Anfang? Was am Ende? Viele fragen sich das am Ende der Modeschau im Feuerbacher Festsaal. Dies hat nichts mit mangelnder Aufmerksamkeit zu tun. Vielmehr sind die 550 Gäste von den Entwürfen der 147 Schülerinnen und Schüler der Kerschensteinerschule übermannt.

 

Der Titel der diesjährigen Modeschau „3x X“ ist beinahe so unergründlich wie die Mode der jungen Designer. Das X steht jeweils für eine Stadt. Antwerpen, Amsterdam und Bonn. Die dort gesammelten Eindrücke der Studienfahrt setzten die Schüler in Stoff und Design um. Phänomene des multikulturellen Antwerpen oder der Blumenmarkt in Amsterdam. Alles auf den Leib geschneidert.

Neben der Ausbildung erwerben die Schüler die Fachhochschulreife

„Ich bin sehr stolz“, fasst Schulleiterin Martina Schiller die greifbare Inspiration zusammen. Ist sie doch Ausdruck dessen, was die jungen Menschen auf ihrer Schule gelernt haben. Es ist die 3-in-1-Ausbildung am Berufskolleg für Mode und Design der Stuttgarter Kerschensteinerschule, die in diesem Jahr das 20-Jährige jenes Ausbildungsgangs feiert.

Sie bietet die Möglichkeit, neben der Designerausbildung den Gesellenbrief für das Maßschneiderhandwerk und die Fachhochschulreife zu erwerben. Ziel der Ausbildung ist die praktische Umsetzung der Entwürfe von der Idee bis zum fertig genähten Modell sowie ein fundiertes theoretisches Wissen im Bereich Textiltechnik.

Die Kerschensteinerschule ist beliebt. Denn sie erhebt als staatliche Schule im Gegensatz zu den Privaten kein Schulgeld und ebnet den Weg zu einer weiterführenden Qualifikationen in der Modebranche. Ein Beispiel: Die Weiterbildung im direkten Anschluss an das dreijährige BK – die Meisterschule des Maßschneiderhandwerks. Es ist die Krönung des Handwerks.

Vor 20 Jahren begann die Billigproduktion

Zumindest galt diese Einschätzung früher. Früher, das war vor laut Carmen Döring vor 20 Jahren. „Von da an hat sich die Textilbranche selbst kaputt gemacht.“ Es war der Beginn der Billigproduktion und all ihrer Folgen.

Eine dieser Folgen ist der Imageverlust des Handwerks. Anne Stibbe-Hutzel, die im Rahmen der Modeschau nach 36 Jahren von Schulleiterin Schiller verabschiedet wurde, hat diese Entwicklung durchlebt. Die Lehrerin der Meisterklasse weiß noch, „dass es früher jeder toll fand, wenn einer schneidern konnte“. Heute sagen viele Mütter bei der Anmeldung: „Nein, meine Tochter soll keine Schneiderin werden. Sie soll lieber Design lernen.“ Daher werden die Meisterklassen in der Kerschensteinerschule immer gerade so voll. Früher standen die Schneidergesellen dagegen Schlange, um einen Ausbildungsplatz zu ergattern.

Selbst Meister verdienen keine Reichtümer

Image ist das eine. Bezahlung das andere. Selbst Meister des Schneiderfachs verdienen als Angestellte heute keine Reichtümer. „Manche Meisterschüler von uns haben schon Jobangebote bekommen, bei denen sie gerade mal Mindestlohn bekommen hätten.“ Die „Billigschneider aus Asien“ hätten den Preis und die Wertschätzung verdorben, meint die Meisterlehrerin.

Ihre Kollegin Carmen Döring kann dem nur zustimmen. Die Lehrerin hat erst kürzlich den Film „The true cost – Der Preis der Mode“ gesehen – und sie ist immer noch betroffen. Denn der Film zeigt auf, wo und wie Kleidung hergestellt wird. Er zeigt, dass hinter einem System die Ausbeutung von Mensch und Natur steckt. „Wenn man das sieht, kommt man schon ins Nachdenken“, sagt Carmen Döring, „aber ich habe das Gefühl, dass zurzeit ein Umdenken stattfindet. Die Leute wollen heute wieder mehr Qualität und mehr Nachhaltiges.“

Menschen wollen aber gleichzeitig nicht auf das Schöne, das Neue, die Inspiration durch Mode verzichten. Es wird wohl immer ein Wunsch vieler bleiben, ihre Persönlichkeit durch Kleidung auszudrücken. Viele solcher Ideen samt Umsetzung haben die 147 Talente der Kerschensteinerschule gezeigt.