Die deutsche Volkswirtschaft bekommt die Folgen des Ukraine-Krieges mit Wucht zu spüren. Für die Konjunktur stehen die Zeichen auf Flaute statt Wachstum. Verbrauchern drohen zweistellige Teuerungsraten.

Die Aussichten für die deutsche Wirtschaft trüben sich nach Einschätzung der Bundesbank zunehmend ein. Eine sinkende Wirtschaftsleistung im Winterhalbjahr sei „deutlich wahrscheinlicher geworden“, schreibt die Bundesbank in ihrem Monatsbericht August, der am Montag veröffentlicht wurde.

 

Demnach dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland wegen der anhaltenden Energiekrise Ende 2022/Anfang 2023 schrumpfen, heißt es in dem Bericht. „Die Wahrscheinlichkeit, dass das BIP im kommenden Winterhalbjahr zurückgeht, hat sich aufgrund der ungünstigen Entwicklungen am Gasmarkt deutlich erhöht.“ Mit Auslaufen der Entlastungsschritte der Regierung erwartet die Bundesbank - nach europäischer Messung (HVPI) - im Herbst Inflationsraten von rund zehn Prozent. Im Juli hatte sie nach dieser Rechnung 8,5 Prozent betragen.

„Zweistellige Inflationsraten wurden in Deutschland das letzte Mal vor über siebzig Jahren gemessen“, sagte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel jüngst in einem Interview. Auch im kommenden Jahr könne die Teuerung stärker sein als bisher gedacht, etwa wegen anhaltender Lieferengpässe und geopolitischer Spannungen. „Die Wahrscheinlichkeit wächst, dass die Inflation höher ausfällt als bislang prognostiziert und wir im nächsten Jahr im Schnitt eine Sechs vor dem Komma haben“, sagte er der „Rheinischen Post“.

Ukraine-Krise schluckt wirtschaftliche Erholung nach Corona

Die Schätzungen der Bundesbank gehen bislang für 2023 von 4,5 Prozent aus. Der anhaltende Kaufkraftverlust wegen der hohen Inflation werde in den anstehenden Lohnverhandlungen voraussichtlich an Bedeutung gewinnen, erklärte die Bundesbank in ihrem Monatsbericht. „Auch aufgrund der zunehmenden Arbeitsmarktknappheiten zeichnet sich ein höherer Lohndruck als im zweiten Quartal ab.“

Anfang 2022 war die Wirtschaft noch um 0,8 Prozent gewachsen und erreichte fast wieder das Vor-Corona-Niveau, stagnierte dann aber im Frühjahr. Der Wegfall der meisten Corona-Schutzmaßnahmen habe das Geschäft der Dienstleister und damit den privaten Konsum angekurbelt, schrieben die Bundesbank-Fachleute. Zugleich hätten jedoch die hohen Preise Firmen und Verbraucher verunsichert, während die Industrie mit einer schwächeren Nachfrage und spürbaren Lieferengpässen kämpfe. Unterm Strich dürfte die Wirtschaftskraft auch im laufenden Sommer-Quartal „erneut in etwa auf der Stelle treten“.

Staat kann die Wirtschaft finanziell stabilisieren

Die deutschen Staatsfinanzen sind nach Einschätzung der Bundesbank „weiter gut aufgestellt, um auch bei einer ungünstigeren Entwicklung die Konjunktur stabilisieren zu können“. Zugleich mahnt die Bundesbank, im kommenden Jahr die Schuldenbremse wieder einzuhalten. Dies werde auch nicht zu einer „fiskalischen Vollbremsung“ führen, „die die Wirtschaftsentwicklung abwürgt“.

Die seit 2009 im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse erlaubt dem Bund nur in geringem Maße neue Kredite. 2020 und 2021 machte der Bund wegen hoher Pandemielasten von der Ausnahmeregelung Gebrauch, dieses Instrument in Notsituationen vorübergehend aufheben zu können.