Lebensbilder: Christine Pallos und ihr Laufsteg voll Licht, Perspektive und musikalischem Rhythmus.

Möhringen - Die Verbindungen in das Land ihrer Kindheit sind fast ganz gekappt, die zur Kunst hingegen nicht. Die meisten Mitschüler vom deutschsprachigen Gymnasium im siebenbürgischen Klausenburg (Cluj) trifft Christine Pallos hin und wieder. Denn fast alle sind in den Westen gegangen, haben schon vor der Wende Rumänien den Rücken gekehrt.

 

Die Kunst hat Christine Pallos mit der Muttermilch aufgesogen, mit akademischer Akkuratesse erlernt, als Tochter der Malerin Jutta Pallos-Schönauer und des an der Technischen Universität Karlsruhe diplomierten Ingenieurs Stefan Pallos. Die Familie war Teil eines nicht nur deutschsprachigen Milieus von Schriftstellern, Musikern, Theaterleuten und Künstlern im multikulturellen Siebenbürgen, fern von der Staatsmacht des Diktators Ceausescu und des Securitate-Geheimdienstes.

Aber studiert hat sie dann doch Architektur, was die vielleicht edelste und lebens-nächste Verbindung von Technik und Kunst, von Handwerk und Kreativität ist. Kaum übergesiedelt, fand die junge Architektin Gefallen an den digitalen Möglichkeiten zur Unterstützung des kreativen Konstruierens. „Computer Aided Design“ (CAD) ist aus der Architektur, dem Entwerfen nicht mehr wegzudenken, und Christine Pallos wurde zu einer der Pionierinnen als Mitarbeiterin der Möhringer Softwarefirma RIB. Bis heute blieb sie dabei und ist Lehrbeauftragte für CAD an verschiedenen Hochschulen in Baden-Württemberg.

„Wir sind alle fast immer unter Beobachtung“

Sie ist freilich auch Tochter ihrer nebenan wohnenden Mutter, und sie ist alleinerziehende Mutter einer Tochter, die gerade Abitur gemacht hat, künstlerische Neigungen mitbekam, aber Medizin studieren wird. Für die Malerei blieb trotzdem immer ein wenig Zeit. Christine Pallos ist Mitglied der Künstlergilde Esslingen und des Möhringer Kunstkreises. Immer wieder gibt es auch Einzelausstellungen ihrer Arbeiten, zuletzt in Budapest.

Der „Laufsteg“ – im Dezember 2011 in Acrylfarbe in der bevorzugten Spachtel-Technik entstanden – ist auch ein Stück dezente Zeitkritik für Christine Pallos: „Wir sind alle fast immer unter Beobachtung“. Aber das Bild zeigt auch ihre künstlerischen Themen: den Raum, das Licht, den Schatten, die Perspektiven des Architektinnen-Auges. Dazu kommt noch die Natur, oft auch der Mensch, zwar innerhalb der weit vorangeführten Abstraktion fast zur Silhouette reduziert, doch immer genau erfasst in der Bewegung des Kommens oder Gehens. Alles hat Rhythmus, Dynamik und eine geradezu musikalische Lebendigkeit.

Neben der Neigung zu städtischen Räumen, zu Häusern, Türmen und Treppen, neben dem Faible für den Spachtel statt des Pinsels, teilt Christine Pallos mit ihrer Mutter Jutta auch die Disziplin in der Farbgebung. Gegenüber den erdig gedeckten Tönen von Jutta Pallos-Schönauer öffnen sich die Arbeiten der Tochter gern der reinen, leuchtenden Farbe. Aber nie treibt sie es bunt, zu bunt. Fast alle ihre Bilder beschränken sich neben den Abstufungen von Schwarz und Weiß auf allenfalls zwei Farben.

Zwar hat Christine Pallos da in Öl oder Acryl einen sehr ausgeprägten und unverwechselbaren Personalstil entwickelt, sie kann aber auch anders: mit digitaler Fotografie, mit kühlen Metall-Montagen, mit Materialbildern von reliefartiger Struktur, mit Tuschezeichnungen. „Aber etwas Figuratives wird man bei mir immer finden“, sagt sie.