Jürgen Schimanski erzählt beim Seniorenkreis, was er auf dem Jakobsweg erlebt hat.

Möhringen - Verglichen mit seinen 64 Jahren seien drei Monate „ein Wimpernschlag, sagt Jürgen Schimanski. Aber die drei Monate im Jahr 2004, in denen der Bankangestellte im Ruhestand die 2450 Kilometer von seinem Elternhaus bis nach Santiago de Compostela pilgerte, hatten mehr Wirkung als alles zuvor. „Ich habe in Fülle gefunden, wonach ich nicht gesucht hatte.“ Seitdem denkt Schimanski anders über sich, seine Möglichkeiten und den Umgang mit der Schöpfung. Am Mittwoch hat er den Besuchern des Seniorenkreises der Martinskirche im Gemeindezentrum von seiner Reise erzählt.

 

Es sei kein gewöhnlicher Treff diesmal, eröffnet Pfarrerin Dorothea Wisotzky den Nachmittag. Das sehe man schon an der Besucherzahl, die mit knapp 60 Senioren weit über dem Durchschnitt liege. Für Schimanski ist es keine Premiere. Auf Anfrage hat der gebürtige Möhringer schon ein gutes Dutzend Mal seine Präsentation gezeigt, „ohne wirtschaftliches Interesse oder missionarischen Eifer“.

„Unvoreingenommen, ungezwungen und unbekümmert“ habe sich Schimanski im Frühjahr 2004 auf den Weg gemacht, knapp ein Jahr nachdem er in den Ruhestand gegangen ist. Die „grenzenlose Neugier“ trieb ihn hinaus. Dabei wollte er ursprünglich nur den spanischen Teil des Jakobswegs gehen. „Ein richtiger Pilger geht aber von der Haustüre weg“, habe seine Frau damals gesagt – mit dem Hintergedanken, ihn dadurch von seinem Vorhaben vielleicht abzubringen.

„Wir reisen in andere Verfassungen unserer Seele“

So hatte das seine Frau wohl nicht geplant. Schimanski ist ihr heute für diese Bemerkung „unendlich dankbar“, sagt er und zitiert den Schriftsteller Werner Bergengruen: „Wir reisen nicht nur an andere Orte, sondern vor allem reisen wir in andere Verfassungen unserer Seele.“ So kam er auf seiner Reise nicht nur seinem Ziel näher, sondern innerlich auch seinem Ausgangspunkt, seiner Heimat.

Schimanski gliedert seinen Bericht etappenweise: Schweiz, Frankreich, Spanien. Nach einer kurzen Beschreibung des Wegs und Schimanskis persönlicher Eindrücke folgen Anekdoten, beispielsweise, wie er sich mit einem 83-jährigen Pariser anfreundete, den er auf seiner Reise immer wieder traf. Erst kurz vor dem Ziel erfuhr Schimanski, dass der Franzose seine Sprache einst von deutschen Soldaten in der Kriegsgefangenschaft gelernt hatte.

Auf den Etappenbericht folgen Fotos von der Pilgerfahrt: unberührte Natur auf weitflächigen Feldern, frisch knospende Osterglocken in Detailaufnahme, alte Kirchen und Klöster mit Mauern aus schroffem, unbehauenem Stein. Kein Auto, kein Zug. Auf den Fotos scheint es, als sei Schimanski Jahrhunderte in der Zeit zurückgereist. Als nach dem letzten Bilderblock das Licht angeht, kommentiert eine Besucherin: „Wunderbar, einfach wunderbar.“