Der MFK Verlag hilft Künstlern, sich selbst zu helfen. Lars Höllerer ist einer von ihnen.

Möhringen/Überlingen - „Bevor ich im Rollstuhl saß, habe ich höchstens zu Weihnachten und Ostern gemalt, wenn ich ein billiges Geschenk brauchte“, sagt der Überlinger Mundmaler Lars Höllerer. Seit einem Motorradunfall im Jahr 1991 sitzt er vom Hals abwärts querschnittsgelähmt im Rollstuhl – und ist seit 2007 Vollmitglied in der Vereinigung der Mund- und Fußmalenden Künstler (VDMFK).

 

„Unsere Vollmitglieder erhalten ein lebenslanges Gehalt, auch wenn sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr für uns arbeiten können,“ erklärt Florian Stegmann, der Geschäftsführer des Möhringer MFK-Verlags, der in Deutschland den Vertrieb von Artikeln mit Reproduktionen der Kunstwerke für die Vereinigung übernimmt. Die Künstler gestalten eine Weihnachts- und eine Sommerserie, die per Direktversand zum Kauf angeboten wird.

„Niemand ist verpflichtet zur Rücksendung oder zum Kauf“, sagt Stegmann. Die Idee, den Künstlern ein finanziell unabhängiges Leben durch den Verkauf der Reproduktionen zu ermöglichen, stammt von Stegmanns Großvater. „Mitleid verbeten war sein Lebensmotto“, sagt der Enkel. Durch Kinderlähmung verlor der VDMFK- Gründer Arnulf Erich Stegmann 1914 die Fähigkeit, seine Hände zu gebrauchen. „Er malte auf Reisen immer gut angezogen – mit Sakko, damit ihm niemand aus Mitleid Geld gibt“, erinnert sich Florian Stegmann.

„Heute kann ich mein Leben frei gestalten und ein freies Leben führen“

Auch Lars Höllerer will kein Mitleid. Nach seinem Unfall hat er in der Rehabilitationsklinik in Tübingen mit dem Mundmalen begonnen. „Am Anfang diente das Malen nur zur Überbrückung des Krankenhausalltages“, sagt der 43-Jährige. Die Leidenschaft kam erst nach einem Jahr. Mit den ersten Erfolgen kam die Begeisterung. „Nichts mehr war nach meinem Unfall wie zuvor. Ich musste mich erst akklimatisieren und akzeptieren, dass ich nicht mehr der coole, sportliche Lars bin, sondern Rollifahrer, und die Malerei hat mir dabei geholfen“, sagt Höllerer.

Nach einem Artikel in der Zeitschrift „Das Haus“, in dem Höllerers rollstuhlgerecht umgebautes Haus vorgestellt wurde, meldete sich Stegmann bei dem Künstler. Seine Bilder überzeugten in der Vereinigung: Seit 1999 wird Höllerer von der VDMFK finanziell unterstützt.

„Es war die beste Entscheidung meines Lebens, der Vereinigung beizutreten. Davor habe ich als Sozialhilfeempfänger von ein paar hundert Euro im Monat leben müssen und war dem Amt über jeden Cent Rechenschaft schuldig“, sagt Höllerer und fügt hinzu: „Heute kann ich mein Leben frei gestalten und ein – für meine Verhältnisse – freies Leben führen.“

Der Künstler darf seine Originale behalten

Stegmann bestätigt, dass viele Künstler das Angebot der Vereinigung zunächst skeptisch betrachten. „Aber es gibt tatsächlich keinen Haken bei der Sache“, sagt er. Zunächst werden Beispielbilder des mund- oder fußmalenden Künstlers einem unabhängigen Gremium zur Begutachtung vorgelegt. Drei nicht-behinderte, namhafte Künstler unterstützen zwei Mund- beziehungsweise Fußmaler bei der Entscheidung. „Wer aufgenommen wird, erhält ein Gehalt. Wer sich weiter technisch entwickelt, kann wie Höllerer zum Vollmitglied aufsteigen“, sagt Stegmann. Der Möhringer Verlag kümmert sich um dem Vertrieb der Reproduktionen, die Originale behält der Künstler für Ausstellungen oder zum Verkauf.

„Malen hält den Geist wach. Abends denkt man oft, jetzt hat man was Sinnvolles getan“, sagt Höllerer. Um Kindern den Umgang mit Menschen mit Behinderung zu erleichtern, malt Höllerer oft in Kindergärten rund um den Bodensee. „Anfangs sind die Kinder noch zurückhaltend. Und spätestens nach einer halben Stunde muss man aufpassen, dass die Jungs einem nicht den Rollstuhl auseinanderbauen,“ sagt Höllerer und lacht. Die Kinder sind immer für eine Überraschung gut, erzählt Höllerer. „Neulich fragte mich ein Mädchen: ,Warum malst du nicht mit dem Bauchnabel?’ Da war ich schon platt.“