Seit im Nordwesten der USA erstmals Asiatische Riesenhornissen gesichtet wurden, macht sich Besorgnis breit. Aber Insektenforscher halten die Angst für übertrieben.

New York - Die Entdeckung sogenannter Mörderhornissen hat in den USA Besorgnis ausgelöst. Doch Insektenforscher geben nun Entwarnung: Außer für Honigbienen und Imker seien die Eindringlinge für niemanden gefährlich. Für Menschen stellt die Asiatische Riesenhornisse, die kürzlich im US-Staat Washington gesichtet wurde, kein großes tödliches Risiko dar - obwohl in seltenen Fällen Menschen an ihren Stichen sterben. Die größte Hornissenart der Welt enthauptet aber Honigbienen, und die sind bereits stark bedroht.

 

Mehrere Insektenexperten sprechen von einem Hornissen-„Hype“. Dieser erinnere sie an die Panik vor Afrikanisierten Honigbienen in den 1970er Jahren, sagten sie der Nachrichtenagentur AP. Die sogenannten Killer-Bienen hatten sich damals aus Südamerika in Richtung Norden nach Texas und in den Südwesten der USA ausgebreitet. Die große Katastrophe blieb aus, wenn auch einige wenige Menschen an Stichen der Insekten starben.

Diesmal geht es also um Hornissen statt um Bienen. „Sie sind keine Mörderhornissen“, betont der Entomologe Chris Looney vom Landwirtschaftsministerium des Staates Washington, der sich mit den Großinsekten beschäftigt. „Sie sind einfach nur Hornissen.“

Die Tatsachen sind laut Experten: Im Dezember wurden in Washington zwei tote Hornissen gefunden, in Kanada wurde im September ein einzelnes belebtes Nest gefunden und vernichtet, und in diesem Jahr wurden noch keine lebenden Hornissen gesichtet.

Looney versucht die Amerikaner daher zu überzeugen, dass sie nicht in Panik ausbrechen müssen. „Die Zahl der Menschen, die gestochen werden und zum Arzt gehen, ist unglaublich gering“, sagte er in einem Interview.

Stich ist für Menschen wirklich übel

Die Gesundheitsgefahr für den Menschen ist also bei weitem nicht so groß, wie der Spitzname „Mörderhornissen“ vermuten lässt. Allerdings sind die Tiere nach Angaben von Wissenschaftlern mit einer Länge von fünf Zentimetern besonders groß und enthalten daher mehr und stärkeres Gift.

„Der Stich ist für Menschen wirklich übel“, sagt der Bienenexperte Keith Delaplane von der University of Georgia. „Es ist wie bei der Afrikanisierten Biene: Bei einem Dutzend (Stichen) ist alles okay, bei 100 weniger.“

Die Entomologin May Berenbaum sagt über die Bedenken: „Die Menschen haben vor der falschen Sache Angst. Die furchterregendsten Insekten da draußen sind Moskitos. An sie verschwenden die Leute keinen zweiten Gedanken. Wenn es ein Mörderinsekt gibt, dann wäre es ein Moskito.“

Jedes Jahr werden nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation Millionen Todesfälle weltweit durch Malaria, Denguefieber und andere Krankheiten auf Moskitos zurückgeführt. An Stichen Asiatischer Riesenhornissen sterben jährlich höchstens wenige Dutzend Menschen, nach Ansicht von Experten vermutlich deutlich weniger. Die US-Gesundheitsbehörden geben die Zahl der Opfer tödlicher Hornissen-, Wespen- und Bienenstiche insgesamt pro Jahr im Durchschnitt mit 62 an.

In Japan, Korea und China „leben die Menschen seit Tausenden von Jahren mit dieser Hornisse“, erklärt Doug Yanega vom Entomologischen Forschungsmuseum der University of California in Riverside.

Besorgte Anrufe von Menschen

Dennoch erhalten Insektenforscher in den gesamten USA besorgte Anrufe von Menschen, die irrtümlich meinen, die Asiatische Hornisse gesehen zu haben. „Das ist zu 99 Prozent ein Medienhype, und ich habe ehrlich gesagt die Nase voll davon“, sagt Doug Tallamy von der University of Delaware. „Mörderhornissen? Ich bitte Sie.“ Ähnlich kritisch äußerte sich auch der pensionierte Bienenexperte Jerry Bromenshenk von der University of Montana: „Ein Nest, eine einzelne Hornisse bedeuten hoffentlich keine Invasion. Wollen wir diese Hornisse? Sicher nicht. Aber der Medienhype ist völlig aufgeladen.“

Für Bienen und Menschen, die ihren Lebensunterhalt mit ihnen verdienen, könnte die Angelegenheit zwar zu einem weiteren großen Problem werden, aber noch ist das nicht der Fall. Die Zahl der Honigbienen in den USA sinkt seit Jahren. Der Winter 2018/19 war hier einer der schlechtesten seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Gründe sind Milben, Krankheiten, Pestizide und ein Verlust der Nahrungsgrundlage. Durch die neuen Hornissen könnte sich die Lage weiter verschlechtern. Denn wenn diese in einen Bienenstock eindringen, enthaupten sie Arbeitsbienen und ein Großteil des Stocks stirbt. Asiatische Honigbienen können sich verteidigen: Sie fangen an zu summen, erhöhen die Temperatur und kochen die eingedrungene Hornisse zu Tode. Honigbienen in Amerika tun das aber nicht.

Lösen Kampf- oder Fluchtmechanismus aus

Die Sorgen um die Bienenzucht in Washington beruhen auf einem Worst-Case-Szenario, das die Behörden ernst nehmen müssten, sagt Forscher Looney. Kollegin Berenbaum betont jedoch, dass die invasiven Hornissen selbst für Bienen nicht zu den größten Gefahren gezählt würden - anders als etwa die parasitäre „Zombie-Fliege“ Apocephalus borealis, von der mehr Exemplare in verschiedenen US-Staaten gesichtet worden seien.

Für Menschen sind die Hornissen in Zeiten des Coronavirus besonders beängstigend, wie der Risiko-Experte und Buchautor David Ropeik erklärt. Beim Anblick des großen Insekts werde ein Kampf- oder Fluchtmechanismus ausgelöst. Auch Berenbaum sagt: „Dieses Jahr ist unglaublich furchtbar. Warum sollte es keine Mörderhornissen geben?“