Die Festtage rund um die Verleihung des Fellbacher Mörike-Preises beginnen an diesem Dienstagabend mit einer Ausstellung in der Galerie der Stadt. Am frühen Mittwochabend folgt der Festakt, an den sich ein Konzert mit der Kafka Band des Schriftstellers Jaroslav Rudiš anschließt.
Das gab’s noch nie: Dass ein veritabler Romanschriftsteller einen der wichtigsten Literaturpreise der Republik überreicht bekommt – und wenige Minuten nach der würdevollen Zeremonie mit Preisverleihung, Festreden und Urkundenübergabe auf die Bühne klettert und mit seiner Rockband Texte interpretiert, die ein noch größerer Literat vor etwas mehr als 100 Jahren produziert hat und dessen Geniestreiche nach seinem Ableben Weltruhm erlangten.
Jaroslav Rudiš – 1972 im tschechischen Turnov geboren
Dieses außergewöhnliche Event ist das gesellschaftliche Topereignis im diesjährigen Kulturleben Fellbachs. Es geht um den Mörike-Preis, den die Oberbürgermeisterin Gabriele Zull an diesem Mittwoch, 15. Mai, an den mittlerweile 12. Preisträger übergibt, an den am 8. Juni 1972 im tschechischen Turnov geborenen Jaroslav Rudiš.
In den vergangenen Monaten mussten sich die Organisatorinnen im Kulturamt wie auch die Beobachter auf die zahlreichen Akzente (Längezeichen), Háčeks (Häkchen) und Ringel einlassen, die das Tschechische in noch ausgeprägterer Form als etwa das Französische aufweist. Denn neben dem mit 15 000 Euro dotierten Hauptpreis an Rudiš wird auch die von ihm ausgesuchte Förderpreisträgerin bedacht: Es handelt sich um die tschechische Autorin Alice Horáčková.
Höhepunkt der Verleihung ist die Mörike-Rede des Preisträgers
Der Festakt an diesem Mittwoch beginnt um 18 Uhr im Uhlandsaal der Schwabenlandhalle Fellbach. Die Laudatio auf den Preisträger hält Jan Wiele, Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), der als Vertrauensperson den Preisträger ausgewählt hat. Ein Höhepunkt der Verleihung ist Jaroslav Rudiš‘ Mörike-Rede. Rudiš begründet zudem die Wahl der Förderpreisträgerin, die selbst aus einem ihrer Werke liest. Für die musikalische Umrahmung sorgt das Duo KAYU – dahinter verbergen sich die Kontrabassistin Karoline Höfler und Jochen Feucht am Sopransaxofon. Der Eintritt zur Preisverleihung ist frei, erwünscht ist jedoch zur besseren Planung eine Anmeldung unter der E-Mail kulturamt@fellbach.de oder unter Telefon 0711 / 58 51 364.
Jan Wiele begründet seine Entscheidung wie folgt: „Jaroslav Rudiš ist ein Schriftsteller von romantischem Format.“ Sein auf Tschechisch begonnenes und auf Deutsch fortgeführtes Werk umfasst Romane, Erzählungen, Theaterstücke, Hörspiele und literarische Reisetexte. In der Kafka Band tritt er außerdem auch als Sänger und Rezitator auf. „Seine Literatur handelt von zeitgenössischen Figuren in modernen Metropolen ebenso wie von komischen Käuzen auf Reisen in die Vergangenheit.“
Literatur wie Rock’n’Roll
Das Kulturamt bringt das auf diesen Nenner: Jaroslav Rudiš, das sei „Literatur wie Rock’n’Roll“. Nun, diese Beschreibung passt denn auch zum zwar direkt an den Festakt und im selben Saal folgenden, aber separat zu besuchenden Konzert eben mit der Kafka Band – weshalb es zwischen diesen beiden Ereignissen auch eine kleine Pause gibt und die Besucherinnen und Besucher wegen des Bühnenumbaus ins Foyer hinaus müssen.
Um 20 beginnt dann im Uhlandsaal der Schwabenlandhalle Fellbach die tschechisch-deutsch-englische Musikperformance – als unvergesslicher Soundtrack zu Kafkas „Process“: Mit ihrem neuen Album vollendet die Band aus Prag eine Trilogie, die von Franz Kafkas Werk inspiriert ist. 2013 trat die Combo um die beiden Frontmänner, den Schriftsteller Jaroslav Rudiš und Comiczeichner und Sänger Jaromír 99, erstmalig in Deutschland mit einer Performance zu Kafkas „Schloss“ auf. 2019 folgte die Vertonung des Romanfragments „Amerika“.
Die Musik ist düster und rau, zugleich melodiös und zerbrechlich
Seitdem spielte die Band zahlreiche Konzerte in ganz Europa. Einige Songtexte sind frei nach Kafka entstanden, die meisten jedoch direkt den Originaltexten entnommen: Kafkas Deutsch mischt sich mit dem Tschechischen und Englischen, Rezitation mit Gesang, die Musik ist düster und rau, zugleich melodiös und zerbrechlich. Die Karte fürs Konzert mit der Kafka Band – ein sicher einmalige Erlebnis im vorderen Remstal – kostet zehn Euro im Vorverkauf beim i-Punkt im Rathaus Fellbach oder an der Abendkasse.
Schon einen Tag davor erfolgt die Vernissage für die obligatorische Ausstellung im Rahmen des Mörike-Preises. „Alois Nebel“ ist der Titel dieser tschechischen Graphic Novel in drei Teilen, entstanden von 2003 bis 2005 als Gemeinschaftswerk von Rudiš und Jaromír 99, in deutscher Übersetzung erschienen 2012. Im selben Jahr entwickelte das Literaturhaus Stuttgart in Zusammenarbeit mit den beiden Autoren die gleichnamige Ausstellung. Eröffnung in der Galerie der Stadt Fellbach, Eingang über den Rathausinnenhof, ist an diesem Dienstag, 14. Mai, um 19 Uhr. Rudiš führt auch in die Ausstellung ein.
Lesung mit Förderpreisträgerin Alice Horáčková
Wer sich noch intensiver mit dem Preisträger und der Förderpreisträgerin befassen möchte, ist einen Tag nach der Preisverleihung, am Donnerstag, 16. Mai, um 20 Uhr in der Stadtbücherei Fellbach an der richtigen Stelle. Gemeinsam mit Moderator Jan Wiele sprechen Rudiš und Alice Horáčková über ihr Werk und das Schreiben im Allgemeinen.