Die Zeiten von Glam-Rock, toupierten Mähnen, Spandex und Lederhosen sind eigentlich vorbei. Doch einige Bands halten bis heute durch. Mit Mötley Crüe tritt nun einer der Prototypen ab - endgültig und mit einem Knall.

Stuttgart - Mötley Crüe sind keine Freunde emotionaler Ansprachen - und das, obwohl sie unterwegs auf der letzten Tour der Band-Geschichte sind. Lieber lassen sie Taten sprechen. Beim Auftakt des deutschen Teils der Abschiedstour in Stuttgart ist alles so überzogen, wie es der Glam-Rock aus den 80er-Jahren verlangt: Feuerbälle und Funkenregen schießen von der Bühne, Background-Sängerinnen agieren auch gleich als laszive Tänzerinnen, Tommy Lees Schlagzeug fährt an Schienen die Decke entlang, damit der Drummer sein Solo kopfüber spielen kann. Die Band wird ihrem exzessiven Image gerecht.

 

„Heute Abend feiern wir 34 Jahre Musik von Mötley Crüe“, kündigt Sänger Vince Neil an. Mit einer exzentrischen Grusel-Show hatte zuvor Schock-Rocker Alice Cooper die Stimmung angeheizt. Dann feuern nicht nur die Pyrotechniker, sondern auch Mötley Crüe aus allen Rohren: Keinen der Hits wie „Girls, Girls, Girls“, „Dr. Feelgood“, „Kickstart My Heart“ oder „Wild Side“ lassen sie in den knapp zwei Stunden in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle aus. Die vier US-Amerikaner sind nicht mehr die jüngsten, lassen sich aber kaum Müdigkeit anmerken. Ob sie für all die Partys und Drogen-Geschichten ihrer langen Karriere einen Preis gezahlt haben, ist nicht ersichtlich.

„Wir haben uns alle verändert, sind älter und weiser geworden“, sagte Tommy Lee kürzlich der Deutschen Presse-Agentur. Seit 2014 touren sie nun um die Welt, um Abschied zu nehmen. „Manchmal war es ein bisschen wie auf einer Beerdigung“, sagt Tommy Lee.

In Stuttgart war es eine Beerdigung bei bester Stimmung

In Stuttgart war es eine Beerdigung bei bester Stimmung, und die Fans kleideten sich dem Anlass entsprechend: Haarspray-Mähnen, Motorrad-Lederjacken und Bandanas. Viele dürften gerade auf die Welt gekommen sein, als Mötley Crüe auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs standen. Die Band startete Anfang der 1980er-Jahre in der schillernden Rock-Szene von Los Angeles durch, wo sie heute auf dem Hollywood Walk of Fame ihren Stern hat.

Ihren größten Erfolg feierten die Musiker mit dem Album „Dr. Feelgood“, das 1989 an die Spitze der US-amerikanischen Albumcharts stürmte. Die frühen 1990er-Jahre setzten einen Schlussstrich unter den Glam-Rock, dessen Stil Mötley Crüe geprägt hatten - auch sie verschwanden aus dem Rampenlicht. Doch die Bilanz ist beeindruckend: Insgesamt verkaufte die Band mehr als 80 Millionen Platten.

„Alles Schlechte muss einmal ein Ende haben“, verkünden die Plakate für die Tournee augenzwinkernd. Das Ende kommt am Silvesterabend in Los Angeles, dem Gründungsort der Band, mit einem allerletzten gemeinsamen Konzert. In Stuttgart ruft Vince Neil der Menge entgegen: „Erinnert euch immer daran: Wir sind Mötley Crüe!“