Beim VfB Stuttgart steht Mohammed Abdellaoue nun da, wo er seit Sommer erwartet worden ist: in der Startelf. Dabei nahm der Stürmer einen fast 10.000 Kilometer langen Umweg.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Als der VfB Stuttgart im Sommer die Verpflichtung von Mohammed Abdellaoue bekanntgegeben hatte, klopfte sich die sportliche Leitung selbst auf die Schulter. So einen Stürmer bekommen zu haben, das war schon was. Sie pries die Torjägerqualitäten des Neuen. Sie verwies stolz auf die 29 Treffer in 80 Bundesligaeinsätzen für Hannover 96, und sah dies als Ausdruck seines direkten Zugs zum Tor. 3,5 Millionen Euro an Ablöse erschienen zwar nicht als Schnäppchenpreis, aber gerechtfertigt. Was sie beim Fußball-Bundesligisten damals jedoch nicht ahnten: dass Abdellaoue einen langen Umweg nehmen würde, um beim VfB anzukommen.

 

Luftlinie fast 10 000 Kilometer waren es, die Abdellaoue gebraucht hat, um nach einem halben Jahr und dem Trainingslager in Südafrika jetzt da zu stehen, wo der Angreifer von Anfang an erwartet wurde: in der Startelf. Denn wenn nicht alle Anzeichen täuschen, dann wird der Norweger mit den marokkanischen Wurzeln am Samstag (15.30 Uhr) im Heimspiel gegen Mainz 05 an der Seite von Vedad Ibisevic stürmen. So wie bei der Generalprobe gegen den Zweitligisten SpVgg Greuther Fürth (2:0) – und schon bei den Testläufen zuvor. „Ich will jetzt zeigen, dass ich gut bin“, sagt Abdellaoue, „und ich weiß, dass ich gut bin.“

Sechs Ligaeinsätze, null Tore

Einen derart selbstsicheren Satz hat man von dem 28-jährigen Nationalspieler beim VfB bisher nicht gehört. Er gilt als ruhiger, gelassener Typ. Keiner, der gleich durchdreht, wenn er nicht spielt. Allerdings sprechen noch die Kerndaten gegen Abdellaoue. Sechs Ligaeinsätze, null Tore. Vielleicht sogar schlimmer: der Angreifer wirkte wie ein Fremdkörper im Stuttgarter Spiel, nicht an eine seiner 139 Einsatzminuten in der Bundesliga kann man sich erinnern – als habe Abdellaoue bei den Einwechslungen seine fußballerischen Fähigkeiten einfach auf der Bank gelassen. Nun hat er in den vier Vorbereitungspartien gleich viermal getroffen. „Ob Freundschaftsspiel oder Pflichtspiel – Tore helfen jedem Stürmer“, sagt Abdellaoue.

Das neue Selbstvertrauen will er nutzen, um seine Position in der Mannschaft weiter zu stärken. Eine Position, die um den Fixpunkt Ibisevic kreisen wird. Denn der Bosnier ist beim Trainer Thomas Schneider in der Angriffsmitte gesetzt. Eine Position aber auch, die Abdellaoue in verschärfte Konkurrenz zu Timo Werner treten lässt. Denn erst durch die Rückenprobleme des 17-jährigen Talents erhielt Abdellaoue die Chance, sich ins Blickfeld zu rücken.

Spritzig und spielfreudig auf dem Platz, mit selbstbewusster Körpersprache abseits des Rasens – so ermöglicht es Abdellaoue dem Trainer neuerdings, in der Offensive mehrere Optionen durchzuspielen. Schneider bevorzugt zwei Spitzen und hat so auch alle Testspiele bestreiten lassen. Doch Varianten mit nur einem Angreifer (Ibisevic) oder gar drei Stürmern (plus Abdellaoue und zum Beispiel Werner auf dem Flügel) sollen ebenfalls zum festen Repertoire der Stuttgarter gehören.

Die hohe Ablösesumme belastet nicht

„Ich fühle mich jetzt fit und weiß, wie die Jungs spielen“, sagt Abdellaoue. Das war nicht immer so seit seinem Wechsel aus Niedersachsen ins Schwabenland. Das wesentlich intensivere Training habe ihm körperlich zugesetzt, hieß es anfangs. Dann erklärte ihm der damalige Trainer Bruno Labbadia ständig, was er alles ganz gut mache – aber vor allem, was er alles noch nicht könne. Stück für Stück raubte das dem Neuzugang die Sicherheit. Und schließlich kamen noch Verletzungen und eine Grippe dazu. „Es haben viele Faktoren dazu geführt, dass ich im ersten halben Jahr die Erwartungen nicht erfüllen konnte“, sagt er.

Nur eine Sache führt der Stürmer nicht an: das Geld. Obwohl ihm klar ist, dass er wegen der Millionenablöse bei den VfB-Anhängern auch in Zukunft weitaus weniger Kredit haben wird als Werner. Doch Abdellaoue will sich mit der Summe von 3,5 Millionen Euro weder belasten noch diese als Entschuldigung für schwache Leistungen gelten lassen. „Druck ist immer da. Egal, wie viel ein Spieler gekostet hat“, sagt er, „für mich ist und bleibt das aber Fußball, nichts Gefährliches.“ Nichts, das einen die Geduld verlieren lassen sollte. Er habe beim VfB schließlich für vier Jahre unterschrieben, nicht für sechs Monate.