Etwas mehr als 7000 Besucher sind am Samstag zum Ludwigsburger Seeschloss gekommen, um zum Abschluss der Schlossfestspiele ein Open Air mit lateinamerikanischer Musik und farbenprächtigem Feuerwerk zu genießen.
Zugegeben: Am Anfang hat das Publikum beim Monrepos Open Air, dem Höhepunkt zum Ende der diesjährigen Schlossfestspiele, ein wenig mit dem gefremdelt, was ihm da auf der Bühne präsentiert wurde. Die mexikanische Dirigentin Alondra de la Parra hatte mit dem scheidenden Intendanten Jochen Sandig Werke lateinamerikanischer Komponisten ausgesucht – aus Argentinien, Brasilien, Kuba und vor allem Mexiko. Die europäischen Ohren taten sich etwas schwer mit 5/8- und 7/8-Takten und teilweise ungewohnt schrägen Harmonien. Vor allem, nachdem das Schulorchester des Goethe-Gymnasiums unter der Leitung von Benedikt Vennefrohne als Vorprogramm des Abends vertrautere Klänge aus Großbritannien präsentiert hatte.
Und so war der Applaus bei den ersten Stücken – drei Tänzen des Brasilianers Mozart Camargo Guarnieri – eher höflich als begeistert. Am Anfang haperte es auch noch ein wenig mit der Klangqualität; die Kontrabässe kamen beispielsweise bei Astor Piazzolas „Tangazo“ so laut herüber, dass man das Vibrieren im Magen spürte, während die Flöten Mühe hatten, sich durchzusetzen. Beim letzten Stück vor der Pause, der „Sinfonia India“ von Carlos Chávez, in dem Elemente der Musik der Ureinwohner Mexikos anklingen, dann die ersten „Bravo“-Rufe und Fußklopfen auf dem bestuhlten Holzboden.
Das Festspielorchester stellte nochmals seine Klasse unter Beweis
Und je weiter der Abend fortschritt, desto mehr wurden die stark 7000 Konzertbesucher mitgerissen: vom Temperament der Dirigentin, von den Stücken und vom Festspielorchester. Dem verlangte de la Parra alles ab, sodass es zum letzten Mal seine Klasse unter Beweis stellen konnte. Da gaben Streichinstrumente auf einmal Geräusche wie Trommeln, Sandpapier oder Peitschen von sich. Und auch die Rhythmen hatten es offenbar selbst für die Profimusiker in sich.
Nach vier Tagen sei beim Orchester der Aha-Effekt aufgetreten, witzelte die Dirigentin, die den Musikern aber sehr großes Lob zollte. Es sei eine große Ehre für sie, dieses wunderbare Orchester dirigieren zu dürfen. Auch Jochen Sandig bedankte sich ausdrücklich beim Festspielorchester. „Es war mir eine Ehre und riesige Freude, die bestmöglichen Dirigenten für euch zu suchen“, sagte er, an die Musiker gewandt. Ein Besucher fand, es sei„eine Schande, das Orchester aufzugeben“. Und mit dieser Ansicht dürfte er nicht allein gewesen sein.
Auch zwei Europäer unter den Komponisten
Nach der Pause kamen die Besucherinnen und Besucher dann richtig in Stimmung – für das Liebesthema aus „Der Pate“, komponiert von dem Italiener Nino Rota, gab es starken Applaus, zu „Tico Tico“, fast schon ein Gassenhauer des Brasilianers Zequinha de Abreu, wiegten sich einige, wenn auch nur im Sitzen, im Samba-Rhythmus. „Jetzt werden wir locker“, freute sich Alondra de la Perra, die abwechselnd auf Englisch und Deutsch moderierte und auch ein bisschen Spanisch mit dazu mixte.
Weil man noch ein bisschen „Süße und Zartheit“ mit in das sonst sehr rhythmische Programm habe bringen wollen, fiel die Wahl von Sandig und de la Parra auch noch auf den deutschen Komponisten Johannes Brahms mit dem „Poco Allegretto“ aus der Sinfonie Nr. 3 F-Dur. Sowohl für das Publikum als auch für die Dirigentin, die immer mal wieder selbst ins Tanzen, Schwingen und Springen geriet, gab das eine kleine, entspannte Verschnaufpause.
Am Ende riss es die Besucher von den Stühlen
Spätestens bei „Danzón Nr. 2“ von Arturo Márquez, einem mexikanischen Tanz, der mehr auf die Bühne gebracht werde als Ravels „Bolero“, gab es dann kein Halten mehr. Die Dirigentin erklärte, warum das Stück erst langsam anfängt, bevor es in einen komplizierten schnellen Rhythmus – 1, 2, 1, 2, 3 mit einem kleinen Stampfen dazwischen – übergeht. „Wenn die Leute ausgegangen sind und sich schick gemacht haben, wollten sie nicht, dass die Hüte und Frisuren verrutschen und sie ihre feinen Kleider verschwitzen.“ Aber irgendwann sei ihnen das egal gewesen, und sie hätten richtig losgelegt. „Ich hoffe, das passiert auch hier“, sagte Alondra de la Parra. Getanzt wurde zwar nicht, aber dafür ließ sich das Publikum gerne darauf ein, rhythmisch mit zu klatschen und am Ende, als eine einzelne Feuerwerksfontäne in den Himmel stieg, heftig und lautstark zu applaudieren und mit den Füßen zu trampeln. Auch der eine oder andere „Olé-Ruf“ war zu hören.
Der ersten Rakete folgte das ganze Feuerwerk zu dem schwungvollen Stück „Huapango“, das in Mexiko so etwas wie die zweite Nationalhymne sei, sagte die Dirigentin. „Dies ist ein Lied aus meiner ersten Heimat für meine zweite Heimat.“ Denn Alondra de la Parra hat fünf Jahre lang in Deutschland gelebt und hier, wie sie sagte, sehr viel gelernt. Sie sei dankbar dafür, dass die Deutschen sie und ihre Musik mit offenen Armen und mit Respekt empfangen hätten.
Schlossfestspiele noch mit Epilog und Freiluftmusik
Für sie ist es der Abschied aus Deutschland, für den Intendanten Jochen Sandig und seine Co-Geschäftsführerin Gabriele Zerweck der Abschied von den Schlossfestspielen. Dass auch Zerweck nach dieser Saison geht, war gemunkelt worden, wurde aber offiziell erst am Samstagabend auf der Bühne verkündet. Sie war eine derjenigen, die sich gegen die Wahl von Lucas Reuter als neuem Intendanten ausgesprochen hatten.
Ganz gilt es von den Schlossfestspielen unter der Regie des Duos aber noch nicht Abschied zu nehmen: Am 25. und 26. Juli finden inszenierte Spaziergänge unter dem Motto „Nacht im Salonwald“ statt; sie sind bereits ausverkauft. Am 16. und 17. September gibt es ein Konzertwochenende auf Schloss Wolfegg im Allgäu, und am 20. September nochmals die „Frei Luft Musik“ auf dem Ludwigsburger Marktplatz – kostenlos für alle, die kommen wollen.