Nicht das aktuelle Milliardenurteil zur krebserregenden Wirkung des Unkrautvernichters Glyphosat, sondern der lange Rechtsstreit ist das Problem, schreibt Andreas Geldner.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Die Summe ist atemberaubend: Zwei Milliarden Dollar, umgerechnet 1,8 Milliarden Euro hat eine Jury in Kalifornien dem Agrochemie-Anbieter Monsanto und dessen deutschem Eigentümer Bayer aufgebrummt. Doch der US-Wirtschaftszeitung „Wall Street Journal“ war die dritte Gerichtsniederlage nur eine Routinenotiz wert. Derartige Mondbeträge sind im US-Rechtssystem nicht unüblich. Sie sind Trumpfkarten im juristischen Pokerspiel. Die Milliardensumme ist auch Ausfluss des amerikanischen Jury-Systems.

 

Laien-Geschworene haben zugunsten von Verbrauchern die Neigung, finanziell potenten Klägern einen kräftigen Schuss vor den Bug zu geben. Ein Berufungsverfahren ist anhängig. Noch ist der Ausgang des Rechtsstreits offen. Der wegen möglicher Krebsrisiken umstrittene Unkrautvernichter Glyphosat darf in den USA weiterhin legal verkauft werden. Nicht einmal ein Warnhinweis auf mögliche krebserregende Wirkungen ist bislang Pflicht. Doch das heißt auch, dass weitere Klagen dazukommen können.

Warnendes Beispiel US-Tabakindustrie

Bayer müsste gewarnt sein. Das Schicksal der US-Tabakindustrie, die über viele Jahre ihre juristische Hinhaltetaktik praktizierte, ist ein Beispiel, dass das dicke Ende irgendwann einmal kommt. Zur Erinnerung: Die Branche wurde 1998 zu Zahlungen von mehr als 200 Milliarden Dollar über einen Zeitraum von 25 Jahren verdonnert. Ein solches dickes Ende ist im Monsanto-Fall noch lange nicht in Sicht. Und die sicherlich noch eine ganze Weile ungeklärte, rechtliche Situation ist eine problematischere Perspektive als das aktuelle Milliardenurteil, das so nie Realität werden wird. Abkürzungen und Auswege gibt es für Bayer keine mehr. Die teure Gutachterschlacht ist erst am Anfang, das Renommee ist dahin.

Über Bayer schwebt ein Damokles-Schwert

Vor Gericht spielt dabei eher eine untergeordnete Rolle, dass man mit Bayer ein ausländisches Unternehmen abstraft. Der schon lange umstrittene Monsanto-Konzern wird als amerikanische Marke wahrgenommen. Dass sich ein in die problematische Vorgeschichte eigentlich nicht involviertes anderes Unternehmen diesen Klotz ans Bein gebunden hat, ist das eigentliche Versagen.