Das Frauenkulturzentrum beteiligt sich am internationalen Frauentag mit einigen Aktionen

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart -

 
Frau Schanz, am Donnerstag ist internationaler Frauentag. Braucht es so einen Tag überhaupt noch?
Ja, unbedingt. Weltweit, nicht nur in Deutschland, gibt es immer noch Ungerechtigkeiten, Sexismus und Gewalt gegen Frauen. Daran hat sich bis heute leider nichts geändert.
Den Männertag feiert ja bis heute niemand.
Frauen müssen sich ihre Rechte immer noch hart erkämpfen. Männer haben sie schon.
Aber manche Männer fühlen sich doch jetzt eh schon immer so benachteiligt.
Ja, Maskulinisten haben in den letzten Jahren wieder massiv Zulauf bekommen und versuchen Frauen in die Ecke zu stellen oder sie zum Schweigen zu bringen. Ich beobachte die Bewegung schon seit 2006. Über das Internet hat sie sich nun viel stärker verbreitet. Das liegt vielleicht auch daran, dass sich viele Frauen immer mehr zu entsprechenden Themen äußern. Aber gerade im Internet bekommen Männer zum Glück sehr viel Gegenwind, wenn sie sich unter Texten zu Frauenthemen kritisch oder herablassend äußern oder sogar mit Beleidigungen und Drohungen reagieren – von anderen Frauen.
Das Frauenkulturzentrum Sarah gilt ja als das älteste Frauenzentrum Deutschlands. Wozu braucht es so ein Zentrum noch?
Viele Frauen, die frauenpolitisch unterwegs waren, kamen früher hier vorbei. Und das ist heute nicht anders. Wir bieten Raum für viele Gruppen, die sich mit verschiedenen Themen beschäftigen. Und wir vermieten ja auch die oberen Wohnungen an Frauen.
Wie sieht Ihr Programm heute aus?
Wir haben das Café und sehr viele Kulturveranstaltungen. Donnerstagnachmittag zum Beispiel ist für geflüchtete Frauen geöffnet, am Freitagabend haben wir ein offenes Café bis Mitternacht. In den letzen Monaten hat das Zentrum noch einmal enorm viel Aufschwung bekommen. Viele Frauen werden wieder politischer, der Bedarf ist höher. Im Prinzip finden hier eigentlich ständig irgendwelche Sachen statt, dabei kommen fast immer politische Dinge zur Sprache. Wir diskutieren viel darüber, was es für wirkliche Probleme weltweit gibt.
Was hat sich verändert in den letzten Jahren?
Die Frauenbewegung ist wieder größer geworden. Vor zwei Jahren hat sich etwas zu drehen begonnen. Frauen wollen sich politisch engagieren. Gerade bei geflüchteten Frauen ist dies der Fall. Ich habe extra eine Übersetzerin gesucht und bin mit ihr in verschiedene Flüchtlingsunterkünfte gefahren und habe die Frauen dort zum Kaffee eingeladen. Inzwischen kommen sie auch von selbst, meistens in kleineren Gruppen, und wir sind ein zentraler Anlaufpunkt für viele geworden. Manchmal kommen nur drei, manchmal sind es 15 Frauen. Aber wir haben auch schon eine eigene Whatsapp-Gruppe, wo es über 50 Teilnehmerinnen sind, die sich austauschen. Montags haben wir eine Gruppe, die mit einer ehemaligen Lehrerin Deutsch lernt. Sie machen auch ganz schöne Fortschritte. Wir kochen Arabisch zusammen oder trommeln, und bald planen wir eine Stadtführung zur Geschichte Stuttgarts, damit sich die Frauen weniger fremd fühlen in der Stadt.
Was hat sich vor zwei Jahren geändert, dass der Zulauf wieder größer wurde?
Es gab ja viele gesellschaftliche Umbrüche, die auch zu Netzbewegungen wie dem #aufschrei oder kürzlich zu #metoo geführt haben. Die Frauen werden wieder tatkräftiger, lassen sich immer weniger gefallen. Durch das Netz finden sich aber natürlich auch viele Aktivistinnen zusammen. Und die Zeit war reif für die #metoo-Debatte.
Glauben Sie, es ändert sich nun etwas?
Wir sind, wie gesagt, noch lange nicht so weit, dass es Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen in allen Bereichen gibt. Deshalb finde ich es toll, dass Frauen jetzt den Mut haben. aufzustehen und Gewalt anzuprangern. Vielleicht, oder hoffentlich, ist #metoo eine Warnung an Männer, dass es auch sie jederzeit erwischen kann, wenn sie Frauen belästigen oder missbrauchen. Und es sensibilisiert natürlich auch andere Männer.
Glauben Sie, dass die #metoo-Debatte anhält?
Selbst wenn die Debatte je einschlafen sollte, dann wird es eine neue geben. Frauen sagen jetzt endlich „Es ist genug“.
Wie bringen Sie sich heute als Zentrum in solche Debatten ein?
Wir positionieren uns schon zu bestimmten Themen. Nach den Übergriffen an Silvester in Köln haben wir uns auf unserer Homepage dazu geäußert. Wir unterstützen keine Hetze gegen Geflüchtete. Aus unserer Sicht gab und gibt es sexuelle Belästigung und Vergewaltigung über alle Nationalitäten und zu allen Zeiten hinweg, das ist kein spezifisches Problem von Flüchtlingen oder Männern aus dem arabischen Raum. Gerade die „Neujahrsfeministen“ tun in dieser Diskussion oft so, als hätte es davor in Deutschland keine Vergewaltigungen gegeben.
Dürfen bei Ihnen inzwischen auch Männer mitmachen?
Nein! Das wollen wir immer noch nicht! Das liegt vor allem daran, dass wenn wir einmal „Ja“ sagen, immer „Ja“ sagen müssten. Und wir wollen das eigentlich einfach alleine hier machen. Gerade für die geflüchteten Frauen oder Frauen, die Gewalt erlebt haben, haben Frauenräume eine ganz andere Bedeutung. Für sie ist das Sarah ein Stück weit ein Schutzraum .
Sie haben seit Kurzem eine Veranstaltung „Mädchen und Frauen reden über Sex“. Geht es da auch darum, wie Frauen sich schützen?
Das Sexthema hat wirklich große Wellen geschlagen, vor allem im Internet. Am ersten Abend im Januar waren dann zehn Frauen da, die jüngste war 18 Jahre alt. Gerade Mädchen und jüngere Frauen haben vor allem viele Fragen: Wer bin ich? Was möchte ich? Wie wehre ich mich gegen etwas, was ich nicht möchte? Das ist wirklich ein sehr aktuelles Thema, deshalb bieten wir den Abend nun alle drei Monate an.
Wie machen Sie auf Ihre Themen am Frauentag aufmerksam?
Wir haben mit dem Stuttgarter Frauennetzwerk Infostände auf dem Schlossplatz, und ab 15.30 Uhr gibt es eine Demonstration und später einige Reden. Das Thema ist in diesem Jahr „100 Jahre Frauenwahlrecht“. Es gibt aber auch einen Regenschirm-Flashmob zum Thema Wohnungsnot in Stuttgart. Im Anschluss feiern wir bei uns im Zentrum im Stuttgarter Westen die Frauentagsparty mit Essen, Trinken und Musik.
Dürfen bei der Party Männer kommen?
Nein. Auch die ist nur für Frauen.