Die Kraftwerksbetreiber prüfen die Rechtslage. Juristen haben Zweifel, ob das Vorgehen der Politik zur Abschaltung gesetzeskonform ist.

Stuttgart - Nach der Atomwende der Regierung rüsten sich die Konzerne für einen Poker um die Laufzeiten der Reaktoren. Sowohl Eon als auch RWE behielten sich Klagen gegen das angekündigte, zumindest dreimonatige Aus für Altreaktoren vor. "Es ist sicherheitstechnisch nicht begründbar, solche Anlagen vom Netz zu nehmen", sagte Eon-Chef Johannes Teyssen. "Ich werte das als politische Aktivität in Richtung Mitbürger." Die Regierung beruft sich auf das Atomgesetz, das die Abschaltung zur "äußersten Gefahrenvorsorge" erlaube. Umgesetzt werden muss dies mit einer Weisung der Länder-Atomaufsicht. "Das, was dann in der Weisung steht, ist auch Gegenstand einer rechtlichen Überprüfung", erklärte RWE.

 

Solch eine jeweils zwei DIN-A4-Seiten umfassende Anordnung hat auch die Energie Baden-Württemberg (EnBW) für ihre beiden Altmeiler Neckarwestheim I und Philippsburg I, die bereits vom Netz sind, erhalten. Nach Angaben eines Sprechers ist die juristische Prüfung eines derartigen Bescheids Routine und habe nichts mit der Vorbereitung einer Klage zu tun. Der vierte Betreiber von Atomkraftwerken in Deutschland, Vattenfall, hielt sich am Donnerstag bedeckt und beließ es bei der Aussage, der Konzern begrüße alle Initiativen, die Standards zu untersuchen und zu erhöhen. Vattenfall ist maßgeblich an den beiden Meilern Krümmel und Brunsbüttel beteiligt, die seit Juni 2007 vom Netz sind.

"Regierung muss sich überlegen, ob sie Sonderwege geht"

Ohne Weisung wollen die Konzerne ihre Kraftwerke nicht vom Netz gehen lassen. So sagte Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister am Donnerstag, Eon bestehe auf einer schriftlichen Weisung, den Meiler Unterweser für drei Monate vom Netz zu nehmen. Gleiches hatte Eon schon bei Isar 1 in Bayern eingefordert.

"Die deutsche Regierung muss sich gut überlegen, ob sie Sonderwege geht", warnte Eon-Chef Teyssen. Die bisherigen Erkenntnisse aus dem Reaktorunglück in Japan führten nicht zu einer Neubewertung der Anlagen. Neben einer Klage gegen die vorübergehende Stilllegung hätten die Konzerne zudem die Möglichkeit, die Restlaufzeiten auf neuere Anlagen zu übertragen. Dafür bedarf es keiner Genehmigung. "Nach der existierenden Rechtslage kann das übertragen werden", sagte etwa Macquarie-Analyst Matthias Heck. Weil die Laufzeitverlängerung nicht formell aufgehoben ist, haben die älteren Anlagen noch mindestens acht Jahre Betriebsdauer. Diese hat einen Milliardenwert. Da die Vorstände verpflichtet sind, das Vermögen der Aktionäre zu schützen, sehen sie sich zu diesem Schritt förmlich gezwungen. Sollte die Politik eine Übertragung, die zu einem noch späteren Atomausstieg führen würde, verhindern wollen, so wäre dafür eine Gesetzesänderung erforderlich.

Sieben Altkraftwerke werden abgeschaltet

Die Betreiber von Atomkraftwerken bemühen sich angesichts der Horrorbilder aus Japan und der auch hierzulande emotional aufgeladenen Stimmung um Zurückhaltung. Intern ist jedoch der Unmut über die Entscheidung der Regierung, die sieben ältesten Meiler für drei Monate abzuschalten, nicht zu überhören. "Es gibt Zweifel an der Rechtmäßigkeit", sagten mehrere Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Auch Juristen kritisierten das Vorgehen. "Eine solche Anordnung ist rechtswidrig", sagte der Anwalt Manfred Rebentisch, Experte für Umwelt- und Atomrecht, bei der Kanzlei Clifford Chance in Düsseldorf.

Abgeschaltet werden Biblis A, Biblis B, Neckarwestheim I, Brunsbüttel, Isar I, Unterweser und Philippsburg I; der Pannenreaktor Krümmel ist ohnehin stillgelegt. Die Bedeutung der sieben Altkraftwerke brachte Hans Dieter Pötsch, Finanzchef von VW und der Porsche-Holding, gestern bei der Pressekonferenz der Porsche-Holding auf einen kurzen Nenner. Die sieben Meiler, so sagte, sorgen für sieben Prozent der elektrischen Leistung; das entspreche genau dem Stromexport.

Die Atomkraftwerke gehen Schritt für Schritt vom Netz

Biblis A Heute will die hessische Landesregierung die Anordnung zur Abschaltung von Biblis A erteilen. Der Reaktor soll nach Angaben des Betreibers RWE umgehend heruntergefahren werden. Ob Block A wieder ans Netz geht, ist offen.

Biblis B Block B des Kraftwerks Biblis ist derzeit für eine Revision vom Netz. Nun wird die Pause verlängert.

Neckarwestheim I Kurz nach einer Anordnung des baden-württembergischen Umweltministeriums hat die EnBW die Anlage heruntergefahren.

Brunsbüttel Das Kraftwerk war im Juni 2007 wegen eines Kurzschlusses vom Netz genommen worden. Seitdem ist der Meiler außer Betrieb.

Isar I Dieser Meiler ist gestern vollständig vom Netz gegangen. Nach Angaben des Betreibers Eon hatte das bayerische Umweltministerium eine entsprechende Anweisung erteilt.

Unterweser Auch diese Anlage wird derzeit heruntergefahren. Zuvor war bei dem Konzern die Weisung des niedersächsischen Umweltministeriums eingegangen.

Philippsburg I Nach Angaben des Betreibers EnBW ist der Reaktor schrittweise heruntergefahren worden.

Krümmel Die Anlage ging im Juni 2007 nach einem Brand vom Netz und war zwischenzeitlich nur kurz in Betrieb.