Ein Angeklagter im Esslinger Obertor-Prozess ist wegen Mordes verurteilt worden, sieben weitere Beschuldigte wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu mehrjährigen Haftstrafen. Bei einem Überfalls der Red Legion war im Dezember 2012 ein 22 Jahre alter Sympathisant der Black Jackets erstochen worden.
Esslingen - Eine solche Szene hat sich in einem Stuttgarter Gerichtssaal zumindest in jüngerer Vergangenheit nicht zugetragen: ein brüllender Richter, der befürchtet, dass im Saal 1 des Landgerichts nach seiner Verkündung des Urteils ein Tumult ausbrechen könnte, mehrere fassungslos schreiende Zuhörer, die soeben erfahren haben, dass ihre Angehörigen für viele Jahre hinter Gitter sollen, die Mutter eines Getöteten, die ohnmächtig wird, und einer der Angeklagten, der angesichts seiner lebenslangen Haftstrafe kreidebleich kurz davor steht, zusammenzubrechen.
Bei dem Überfall wurde ein Opfer erstochen
Mit mehreren langjährigen Gefängnisstrafen ist am Mittwoch am Landgericht der erste von drei Prozessen gegen Mitglieder und Sympathisanten der mittlerweile verbotenen Straßengang Red Legion zu Ende gegangen. Bei einem Überfall in der Nacht zum 22. Dezember 2012 war ein Rollkommando der Legionisten am Esslinger Obertor über zehn verfeindete Mitglieder und Unterstützer der Black Jackets hergefallen. Ein 22-Jähriger wurde dabei erstochen, sein Bruder musste per Not-Operation gerettet werden.
Einer der Hauptangeklagten wurde nun wegen Mordes und achtfacher gefährlicher Körperverletzung zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt. Sieben weitere Beschuldigte müssen wegen Körperverletzung mit Todesfolge ebenfalls mehrere Jahre hinter Gitter: Das Strafmaß reicht, je nach Vorstrafen, von fünf Jahren und neun Monaten bis zu achteinhalb Jahren.Die Richter kamen zum Schluss, dass die Angreifer ihren Gegnern einen „Denkzettel“ hatten verpassen wollen. Offenbar habe der Streit „ums Revier“ schon seit längerer Zeit geschwelt. Einer der Auslöser könne ein Überfall der Black Jackets im Sommer 2009 in Esslingen auf Mitglieder der Gruppierung La Fraternidad gewesen sein. Im Laufe der Zeit habe sich eine geradezu feindliche Atmosphäre gebildet. Immer wieder gab es in der Folge handfeste Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedern der Red Legion und der Black Jackets.
Black Jackets sollten „Denkzettel“ verpasst bekommen
Schließlich sprach es sich am 21. Dezember unter den Legionisten wie ein Lauffeuer herum, dass sich Mitglieder und Sympathisanten des verfeindeten Lagers aus Stuttgart in einer Shisha-Bar am Esslinger Obertor aufhielten. Um 23.45 Uhr versammelten sich laut der Richter mindestens 26 Legionisten vor dem Club. „Es herrschte eine aufgeheizte Stimmung, und es war jedem klar, dass es zu einer heftigen Konfrontation kommen würde“, so der Vorsitzende Richter Joachim Holzhausen. „Es ging darum, sein Revier zu verteidigen.“ Die Kammer könne aber nicht nachweisen, dass man sich vor der folgenden Attacke untereinander abgesprochen habe, in welchem Maße man Gewalt anwenden würde.Man gehe davon aus, dass jeder für sich entschieden habe, ob er ein Messer, einen Schlagstock oder die Fäuste einsetzte, nachdem der 26-Jährige, der nun wegen Mordes verurteilt wurde, die Black Jackets quasi als „Speerspitze“ der Red Legion vor die Tür der Bar gebeten habe. Dieser Mann sei auch der einzige der acht Angeklagten, der eine Stichbewegung in Richtung eines Opfers beobachtet habe, weil er daneben stand. Zwar kann man dem 26-Jährigen keine tödliche Messerattacke nachweisen, doch als er den Angriff gesehen habe, sei ihm bewusst gewesen, dass ein Messer in Spiel war. „Damit liegt ein bedingter Tötungsvorsatz des Mannes vor.“In zwei anderen Obertor-Prozessen müssen sich weitere elf Angeklagte wegen des Überfalls verantworten. In einem räumte ein Beschuldigter ein, die erste Messerattacke ausgeführt zu haben, bei der der damalige mutmaßliche Chef der Black Jackets schwer verletzt wurde. Wann die Urteile gesprochen werden , ist offen.