Beim Münchner IS-Prozess gegen die deutsche Jennifer W. tritt ihr irakischer Ehemann auf. Als Zeuge, auch er der IS-Mitgliedschaft beschuldigt. Doch das Wort „verheiratet“ spricht er nicht aus.

München - Das hat es vor deutschen Gerichten bisher nicht gegeben: Eine Frau, der IS-Mitgliedschaft angeklagt, trifft auf einen, der nicht nur IS-Kämpfer, sondern sogar ihr Ehemann sein soll: die 28-jährige Deutsche Jennifer W. auf den 27-jähriger Iraker Taha Al-J. Beide zusammen sollen sie ein fünfjähriges, in ihrem Haushalt versklavtes Jesidenmädchen in der Hitze von Falludscha qualvoll haben verdursten lassen. Der Prozess gegen Jennifer W. läuft vor dem Oberlandesgericht München schon seit April – er hat zu früh begonnen, als dass die Generalbundesanwaltschaft auch Taha Al-J. gleich hätte mitanklagen können. Dieser nämlich wurde erst im Mai in Griechenland aufgespürt und im Oktober an Deutschland ausgeliefert.

 

Nur als Zeuge ist Taha Al-J. an diesem Donnerstag geladen; vier schwerst ausgerüstete Polizeibeamte führen ihn herein. Und? Hat Taha Al-J. die Frau angeschaut, die da auf der Anklagebank sitzt? Seine Ehefrau?

Ehefrau verplappert – auch Mann droht Prozess

Taha Al-J. muss ja wütend sein. Darüber, dass sich Jennifer W. gegenüber einem getarnten FBI-Agenten verplappert und alles ausgeplaudert hat, was an jenem „furchtbaren Tag“ im Sommer 2015 passiert ist. Allein wegen der Aussagen seiner Ehefrau wird auch Taha Al-J. bald vor einem deutschen Gericht stehen. Mord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit lautet die Anklage nun auch gegen den Iraker. Als Islamist, der er sein soll, könnte Taha Al-J. auch erbost sein darüber, dass seine Ehefrau ohne jeglichen Schleier vor der Öffentlichkeit des Gerichts sitzt, die fast hüftlangen, pechschwarzen Haare offen tragend.

Keine Regung im Gesicht

Aber Taha Al-J. hat die Frau allerhöchstens flüchtig angeschaut, darauf werden sich die Gerichtsbeobachter nachher einigen. Und sie ihn? Nicht, dass es aufgefallen wäre. Auch keine Regung im Gesicht. Und – jedenfalls nach außen hin – auch sonst keine Spur von Nervosität. Taha Al-J. ist ein eher kleiner, drahtiger junger Mann; er trägt einen kurz geschnittenen Bart um Kinn und Mund, lange Koteletten unter pechschwarzen Haaren. Masseur sei er von Beruf, gibt er vor Gericht an. Und dass er im irakischen Bezirk Falludscha geboren sei. Mehr sagt Taha Al-J. nicht. Weil er selber beschuldigt wird, muss der 27-Jährige laut Strafprozessordnung zur Sache auch gar keine Aussagen machen oder gar sich selbst belasten. Und als der Vorsitzende Richter ihn fragt, ob er „verwandt oder verschwägert“ sei mit der Angeklagten, sagt er lediglich: „Ich habe ein Kind von ihr.“ Dann ist diese Szene auch schon wieder vorbei.

Der Prozess gegen Jennifer W. ist es noch lange nicht. Die berufslose Schulabbrecherin aus Niedersachsen war zum fundamentalistischen Islam konvertiert. Sie begeisterte sich für den IS, reiste 2014 in das Kriegsgebiet aus, ließ sich mit einem Kämpfer verheiraten. Im Sommer 2015 soll sie ihren Mann losgeschickt haben, ihr eine Haushaltshilfe zu kaufen. Er kam zurück mit einer vom IS gefangenen Jesidin – und ihrer fünfjährigen Tochter.

Verteidiger: Tod kann nicht so schnell eingetreten sein

Mit immer neuen Anträgen will die Verteidigung nun darlegen, dass sich die Tötung der Fünfjährigen – wenn überhaupt – so nicht zugetragen haben kann, wie es gemäß der ersten Erzählungen von Jennifer W. die Staatsanwaltschaft anklagt. Die kleine Ranja soll ja an ein Fenstergitter im Hof gefesselt worden und in praller Sonne verdurstet sein. Ein Gerichtsmediziner hatte diesen Tod als plausibel dargestellt – und sich etwa auf Folterberichte aus NS-Konzentrationslagern gestützt. Das empörte die Verteidiger. Sie behaupten, in der Kürze der Zeit, in der das Mädchen ans Gitter gefesselt oder gar gehängt worden sei – eine halbe Stunde vielleicht –, könne der Tod gar nicht eingetreten sein. Und was führen sie als Belege an? Neuere Erfahrungswerte. Sie stammen aus chinesischen Gefängnissen.

Welche Folterberichte?