Prozesse um Kindstötungen sind immer schwer für alle Beteiligten. In Baden-Baden steht nun ein Verfahren an, bei dem die Vorwürfe für besonderes Aufsehen gesorgt haben.

Die Vorwürfe klingen besonders grausam: Ein Vater soll die Spielplatzfreundin seines Sohnes umgebracht haben, um sich an der Leiche der Sechsjährigen zu erregen. Um die nächtliche Tat zu vertuschen, habe der heute 34-Jährige vergangenes Jahr kurz vor Weihnachten eine Explosion in seinem Haus in Baden-Baden verursachen wollen - während vier Verwandte dort schliefen.

 

Deshalb wird dem Deutschen ab Mittwoch (7. September) am Landgericht Baden-Baden der Prozess gemacht. Er hat sich einer Gerichtssprecherin zufolge bislang nicht zu den Vorwürfen eingelassen.

Lange Liste von Anklagevorwürfen

Deren Liste ist lang: Mord, Störung der Totenruhe sowie versuchten Mord in vier Fällen in Tateinheit mit versuchtem Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion mit Todesfolge, mit versuchter Brandstiftung mit Todesfolge, mit gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung legt die Staatsanwaltschaft dem Mann zur Last. Das Gericht hat acht Verhandlungstage bis Ende September angesetzt. Ob etwa wegen des Alters des Opfers teilweise die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird, lässt sich der Sprecherin zufolge noch nicht absehen.

Der Fall hatte von Anfang an weit über die Region hinaus Aufsehen erregt, die grausamen Details wurden erst nach und nach bekannt. Nach dem Brand in der Nacht zum 19. Dezember hatten Einsatzkräfte in einem Schlafzimmer die Leiche des Mädchens entdeckt. Der Sohn des Beschuldigten erlitt eine Rauchvergiftung bei dem Vorfall. Die Feuerwehr verhinderte Schlimmeres. Der Vater selbst wurde ebenfalls mit einer Rauchvergiftung im Garten gefunden und einen Tag später festgenommen. Er kam in Untersuchungshaft.

Mann soll Kind mit Messer getötet haben

Später teilte die Staatsanwaltschaft mit, der Mann habe das Kind mit einem Messer getötet, „um sich hierdurch und anschließend mithilfe ihres Leichnams sexuell zu erregen“. Mehrfach und in massiver Weise habe er sich an dem toten Körper sexuell vergangen und ihn unter anderem im Intimbereich verstümmelt. Die Ermittler gehen davon aus, dass sich der nicht vorbestrafte Beschuldigte danach umbringen wollte. Ein Sprecher der Behörde sagte, auch nach seiner Festnahme habe der Mann mehrere Suizidversuche begangen.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Sechsjährige mit dem Einverständnis ihrer Mutter bei dem Spielplatzfreund übernachtet hatte. Zeugen, die den Mann vom Spielplatz kennen, hätten ihn als liebevollen Vater beschrieben, sagte ein Sprecher. Eine Untersuchung durch einen Psychiater habe der Mann verweigert.

Welche Motive hatte der mutmaßliche Täter?

So wird es interessant sein, was die Sachverständigen in dem Prozess zur Einordnung beitragen können. Unweigerlich denkt man bei den Vorwürfen an Nekrophilie, also einen auf Leichen gerichteten Sexualtrieb. Der Forensiker und Kriminalist Mark Benecke warnte aber vor zu schnellen Schlüssen: „Es kann sein, dass der Täter weder pädophil noch nekrophil ist.“ Manche Täter suchten sich schwache Menschen als Opfer, da sie Angst vor älteren hätten, erklärte der Fachmann. „Das weiß nur der Täter selbst oder man muss es testen.“ Die Gewaltausübung könne ebenfalls ganz verschiedene Gründe haben.

„Nekrophilie und Pädophilie sind recht eng gefasste Begriffe, die nicht immer mit der Alltags-Verwendung gleichbedeutend sind“, erklärte Benecke. Häufig handele es sich beim Vergehen an einer Leiche nicht um die ursprüngliche „Ziel-Phantasie“ eines Täters.

Fünf Experten sollen Licht ins Dunkel bringen

Wie weit verbreitet Nekrophilie ist, lässt sich laut Benecke nicht sagen. Oft stecke Bindungsangst dahinter: „Eine Leiche verlangt nichts, fordert nichts, „braucht“ nichts, bewertet nicht.“ In solchen Fällen gebe es mitunter die Chance, dass dem Betroffenen mit einer Therapie geholfen werden kann. Wenn jemand aber beispielsweise antisozial ist, wird ihm die Therapie Benecke zufolge kaum helfen.

Die Große Jugendkammer des Landgerichts will fünf Experten befragen - unter anderem einen psychiatrischen Sachverständigen, eine rechtsmedizinische Gutachterin und einen Brand-Sachverständigen. Zudem sind 13 Zeugen geladen. Ferner gibt es fünf Nebenkläger in dem Verfahren: die Eltern des getöteten Mädchens und Bewohner des Hauses.