Der Mann, der die sechsjährige Übernachtungsfreundin seines Sohnes ermordet und verstümmelt hat, muss lebenslänglich ins Gefängnis. Nur seine Google-Suchen geben Einblick in sein Inneres.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Wie versteinert sitzt der Angeklagte da, wendet seinen Blick nach links, wo der Richter das Urteil verkündet. Lebenslänglich lautet es, und das Gericht stellt auch die besondere Schwere der Schuld fest. Doch beim Angeklagten ist keine Regung zu erkennen, fast eine halbe Stunde lang.

 

Wie die Nacht an jenem vierten Advent des vergangenen Jahres in der Wohnung des Mannes abgelaufen ist, da hat die Schwurgerichtskammer des Baden-Badener Landgerichts keine Zweifel. Dass der 34-jährige Deutsche die sechsjährige Übernachtungsfreundin seines kleinen Sohnes im Schlaf ermordet hat, dass er sich an ihrem Leichnam vergangen und ihn aufs Schrecklichste verstümmelt hat, sodass die Eltern nicht einmal mehr über die Bestattungsform entscheiden konnten, wie der Richter in Bitterkeit anmerkte – all das steht für das Gericht fest. Die Tat habe „Züge eines rituellen, fast amokähnlichen Verhaltens“. Nur ein Problem bleibe bestehen, so der Vorsitzende Richter: „Wir können nicht aufklären, was der Angeklagte gedacht hat.“

Der Täter sagt im Prozess nur einen Satz

Während des gesamten Prozesses hat der Mann nur einen Satz gesprochen. Der fiel am ersten Prozesstag und lautete: „Ich möchte schweigen.“ Auch dem psychiatrischen Gutachter, der einräumte, bei aller Erfahrung noch nie mit einer solch grässlichen Tat konfrontiert worden zu sein, verweigerte er sich. Und so lässt auch sein Verhalten während der Urteilsverkündung keinerlei Rückschlüsse auf sein Inneres zu.

Was das Gericht weiß, weiß es von Google. In den Stunden vor der Tat, von 23 bis 1 Uhr, suchte der Mann im Internet exzessiv nach Seiten mit Pornografie. In sexueller Erregung habe er den Tatentschluss gefasst und sich über das ahnungslose, wehrlose Kind hergemacht, das im Bett des Mannes eingeschlafen war. Zuvor hatten er und die beiden Kinder dort noch gespielt – unter anderem Pokemon am Handy. Doch das Mädchen schlief ein. Seinen Sohn schickte der 34-Jährige daraufhin allein in sein Zimmer, wo die Kinder sonst immer zusammen geschlafen hatten. Zweimal war das Mädchen bei dem getrennt lebenden Mann und seinem Sohn schon nachts zu Gast gewesen.

Auf dem Spielplatz in der Nachbarschaft, von dem sich die Kinder kannten, galt der Mann als Vorzeigepapa. Die Kinder liebten ihn. Nun beendete er mit einem präzisen Halsschnitt das Leben des Mädchens, missbrauchte es, verstümmelte es, schnitt ihm den Zopf ab. Anschließend, davon ist das Gericht überzeugt, habe er die Spuren seiner Tat beseitigen wollen. Er hantierte mit einer Gasflasche, die er zu dem Kind ins Bett legte. Doch der „dilettantische Versuch“, so der Richter, ein Feuer oder eine Explosion herbeizuführen, misslang.

Mehrere Suizidversuche im Gefängnis

Um 2.24 Uhr habe der Mann seinen Plan geändert. Auch hier stammt das entscheidende Indiz aus der Google-Suchmaschine. Jetzt tippte der Mann „Pulsadern aufschneiden“ in sein Handy. Mehrere tiefe Schnitte an Armen und Hals brachte er sich bei. Als auch dies fehl schlug, habe er beschlossen, den Weihnachtsbaum anzuzünden. Der brannte lichterloh. Für das Gericht steht fest, dass auch der Sohn sterben sollte. „Sie waren der Überzeugung, dass ohnehin nur Sie und nicht ihre Ex-Frau ihn erziehen konnten.“ Deshalb habe er auch auf dessen Hilferufe nicht reagiert. Gerettet wurde der Bub schließlich vom Bruder des Mannes, der einen Stock höher in dem Haus wohnte.

„So etwas darf in Baden-Baden nie wieder mit einem Kind geschehen“, sagt der aus Ghana stammende Vater des Mädchens nach der Urteilsverkündung. Der Prozess sei für alle Beteiligten eine Tragödie, meint sein Rechtsanwalt. „Es ist in Deutschland das gute Recht eines Angeklagten zu schweigen“, dennoch habe man gehofft, dass der Mann etwas zur Erklärung der Tat beitrage.

Wegen seiner mangelnden Mitwirkung konnte letztlich auch keine Diagnose über eine Schizophrenie oder andere Erkrankung gestellt werden. Die Anordnung einer anschließenden Sicherungsverwahrung für den bis dahin nicht vorbestraften Mann kam daher auch nicht in Frage. Nach mehreren Suizidversuchen sitzt er im Gefängniskrankenhaus auf dem Hohenasperg. Lakonisch äußerte sich der Rechtsanwalt der Mutter: „Sollte einer der Versuche irgendwann Erfolg haben, hoffen wir, dass er wenigstens vorher einen Abschiedsbrief schreibt.“