Obwohl er sein Opfer immer wieder bedroht hatte, konnte die Polizei einen Mörder nicht aufhalten. Nur einen Tag vor der Tat hatten die Ermittler ihn in Gewahrsam genommen. Doch am Abend mussten sie ihn laufen lassen.

Donzdorf - Es war ein Mord mit Ansage, und doch ließ er sich nicht verhindern: Immer wieder hat ein 37-jähriger Mann seine ehemalige Lebensgefährtin per SMS bedroht. Sie hatte sich im November von ihm getrennt, weil er sie geschlagen hatte. Ein Richter hatte daraufhin ein Annäherungsverbot verhängt – der Mann missachtete es. Am Sonntag nahm ihn die Polizei in Gewahrsam. Doch am Abend mussten ihn die Ermittler laufen lassen. Wenige Stunden später, am Montagmorgen gegen 9 Uhr, war die Frau tot. Der Mann tötete sie mit mehreren Messerstichen in einer Metzgerei in Donzdorf, in der sie in ihrer Not Zuflucht gesucht hatte.

 

Der Fall erinnert an einen Mord in Göppingen im Jahr 2014. Damals übergoss ein 46-Jähriger seine Ex-Freundin mit Benzin und zündete sie an. Auch er hatte die Frau immer wieder bedroht. Auch gegen ihn hatte ein Richter ein Annäherungsverbot erlassen, das der Mann aber ignorierte. Haben die Behörden zu wenig getan, um die Opfer zu schützen?

Polizei musste Mann laufen lassen

„Wir haben getan, was wir konnten“, sagt der Polizeisprecher Uwe Krause über den Donzdorfer Fall. Die 25-jährige Frau habe sich am Sonntagnachmittag bei der Polizei gemeldet, weil sich ihr ehemaliger Lebensgefährte erneut per SMS bei ihr gemeldet habe. „Wir hatten mit ihr ausgemacht, dass sie in solchen Fällen sofort Bescheid gibt“, berichtet Krause. Die Polizei sei dann nach Donzdorf gefahren und habe auf dem Weg zu der Frau den Mann völlig betrunken auf der Straße liegend gefunden. Die Polizisten nahmen ihn in Sicherungsgewahrsam. Doch als er gegen 23 Uhr wieder nüchtern war, mussten sie ihn laufen lassen. Sachbearbeiter, die bei Fällen häuslicher Gewalt herangezogen werden und die Betreffenden oft schon kennen, hätten davor noch einmal mit dem Mann gesprochen. Doch auch sie hätten keine Indizien gehabt, die dafür gereicht hätten, bei einem Richter eine Verlängerung der Gewahrsamnahme oder gar einen Haftbefehl zu erwirken, erklärt Krause.

Der 37-Jährige habe zwar mit der SMS gegen das Annäherungsverbot verstoßen, bestätigt der Sprecher der Ulmer Staatsanwaltschaft, Michael Bischoffsberger. Doch das allein reiche nicht aus, um jemanden einzusperren. Auch, dass die SMS einen bedrohlichen Inhalt gehabt habe, sei nicht hinreichend. Ein Familiengericht hätte auf eine Anzeige der Frau hin ein Ordnungsgeld gegen den Mann verhängen oder, falls er die Strafe nicht bezahlt hätte, ihn in Haft nehmen können. Doch dazu hätte sich die Frau an das Gericht wenden müssen.

Behörden haben dazugelernt

Dass Polizei und Justiz Gewalttaten oft nicht verhindern können, beobachtet auch Alexander Stumpf, der Leiter der Außenstelle der Opferorganisation Weißer Ring in Göppingen. Aus seiner Sicht haben die Behörden im Umgang mit häuslicher Gewalt dazugelernt. Der alte Vorwurf, sie gingen zu lasch vor, treffe meist nicht mehr zu, sagt er. „Aber wenn dem Täter die Gesetze und die Konsequenzen seiner Handlungen für ihn selbst egal sind, stört ihn auch ein Annäherungsverbot nicht.“

Stumpf, der Opfer von Gewalttätern seit vielen Jahren vor Gericht vertritt, hat ebenfalls keine Idee, wie man das Problem rechtlich besser in den Griff bekommen könnte. Schließlich könne man niemanden über längere Zeit einfach vorsorglich einsperren. Stumpfs Empfehlung für extreme Fälle lautet daher schlicht, aber brutal: „Wenn es immer weiter eskaliert, aus dem Dunstkreis des Täters verschwinden.“