Die Anklage will den Beschuldigten im Gefängnis sehen. Er hat einen ihm vollkommen unbekannten Mann erstochen – die Verteidigung hält den 44 Jahre alten Täter hingegen für schuldunfähig.

Mehr als zwei Monate nach dem Beginn des Mordprozesses an einem 79-jährigen Rentner am helllichten Tag mitten in Ludwigsburg im August vergangenen Jahres haben Staatsanwaltschaft und Verteidigung ihre Schlussplädoyers gehalten und haben dabei gegensätzliche Einschätzungen über die Zukunft des Angeklagten erkennen lassen. Der Erste Staatsanwalt hielt den 44-Jährigen für vermindert schuldfähig und forderte daher eine verminderte Haftstrafe von zwölf Jahren wegen Mordes und eine anschließende Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik wegen dessen Gefährlichkeit für die Allgemeinheit. Der Verteidiger stufte seinen Mandanten als „nicht ausschließbar schuldunfähig“ ein und plädierte auf Freispruch und eine Unterbringung.

 

Knackpunkt in diesem Prozess ist die Einschätzung der Schuldfähigkeit des Angeklagten. Mehr als zwei Stunden lang diskutierten Gericht, Anklage und Verteidigung am achten Verhandlungstag mit einem Sachverständigen darüber. Doch selbst der erfahrene und renommierte Gutachter räumte ein, dass „der Angeklagte ein sehr schwieriger Fall“ sei. Es gebe viele Puzzleteile, die kein Gesamtbild ergäben. Da sich der 44-Jährige nur als „nicht schuldig“ bekenne und widersprüchliche Angaben zu seiner Person gemacht habe, sei schon die Identität des Mannes nicht ganz klar.

Der Angeklagte hat viele Vorstrafen

Im Zusammenhang mit dem Verbrühen eines Mitbewohners mit kochendem Wasser in einer Unterkunft in Hamburg 2016 und einem Betreuungsverfahren gebe es zwei Gutachten. Aus diesen und den Zeugenaussagen in diesem Prozess lasse sich herauslesen, dass der Mann entweder ein dissozialer Einzelgänger mit Gewaltpotenzial sei oder möglicherweise an einer chronischen paranoiden Schizophrenie leide. Von Letzterem gingen die behandelnden Ärzte in einem Zentrum für Psychiatrie aus, die ihn mit hochdosierten Neuroleptika behandelten. Der Angeklagte sei zur Tatzeit sicher vermindert schuldfähig gewesen, nicht ausschließbar auch gänzlich schuldunfähig.

Der Staatsanwalt erklärte, ein Krankheitswert bestehe sicher angesichts der zahlreichen Vorstrafen und früheren Aussagen des Mannes, im Keller und auf dem Dach seiner Unterkunft werde mit Laserkanonen auf ihn gezielt. Im unmittelbaren Tatgeschehen gebe es jedoch keinen Hinweis auf eine bestehende Psychose. Die Tat sei vielmehr zielgerichtet und absichtlich erfolgt.

Wann wird das Urteil verkündet?

Der Verteidiger sprach von „einem apokalyptischen Tatgeschehen“. Wenn jemand acht Minuten vorher ein Messer kaufe und dann einen ihm völlig Unbekannten ersteche, könne dies doch nur mit „wahnhaftem Erleben“ erklärt werden. Am 12. April will das Gericht sein Urteil verkünden.