Seine Anzeige gegen den Bundespolizei-Chef Dieter Romann hat auch für den Karlsruher Anwalt Daniel Sprafke Folgen. Gegenüber der StZ spricht er über seine Beweggründe.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Karlsruhe - Am Freitagmorgen liegt wieder ein Brief vor der Tür der Kanzlei von Daniel Sprafke. Es ist eines von vielen Beleidigungsschreiben, die der Karlsruher Anwalt seit Tagen erhält. Zuletzt sind die Drohungen so massiv geworden, dass Sprafkes Arbeitsstelle von der Kriminalpolizei jetzt regelmäßig beobachtet wird. „Es war mir bewusst, dass meine Strafanzeige Reaktionen auslösen würde, aber die Intensität des Shitstorms und das Niveau haben mich erschreckt“, sagt der 41-Jährige gegenüber unserer Zeitung. Er meint aber auch: „Ich würde es wieder machen.“

 

Am Montag hatte Daniel Sprafke bei der Generalstaatsanwaltschaft Brandenburg Strafanzeige gegen Dieter Romann erstattet. Der Rechtsanwalt wirft dem Chef der Bundespolizei vor, den mutmaßlichen Mörder der 14 Jahre alten Susanna F. ohne die entsprechende rechtliche Grundlage im Irak festgesetzt und persönlich nach Deutschland zurückgebracht zu haben. Ali Bashar war nach der Tat mit seiner Familie geflüchtet. Der abgelehnte Asylbewerber hat den Mord mittlerweile gestanden, eine Vergewaltigung aber bestritten.

„Ich empfinde tiefes Mitgefühl für die Familie des Opfers einer verabscheuungswürdigen Tat, die hart bestraft werden muss“, sagt Daniel Sprafke. Die Strafverfolgung müsse aber nach den Prinzipien des Rechtsstaats erfolgen. Und dies sei hier offenbar nicht geschehen. Romann habe nicht den rechtlich vorgeschriebenen Weg des Auslieferungsverfahrens gewählt, sondern einen nicht abgestimmten Alleingang.

Der Rechtsanwalt hat Verständnis für seine Kritiker

Die Heldengeschichte vom hemdsärmeligen Amtschef hat möglicherweise ihre juristischen Schwächen. Sprafke versteht es als seine Pflicht, auf diese hinzuweisen. Er versteht aber auch seine Kritiker, die den Fall emotional betrachten. Schließlich geht es um die große Frage, ob man sich strafbar machen kann, wenn man etwas Richtiges erreichen will – nämlich Ali Bashar in Deutschland für seine Tat zur Rechenschaft zu ziehen. Das will auch Daniel Sprafke, er will aber nicht, dass der Chef der Bundespolizei ohne Auftrag handelt. Und er antwortet auf den Vorwurf, dass es ihm in dieser Sache nur um die eigene Selbstdarstellung gehe. „Nein, es geht ums Prinzip“, sagt Sprafke, der mit ganz unterschiedlichen Mandaten in Erscheinung getreten ist: als Strafverteidiger eines angeklagten Neonazis im NSU-Prozess und eines unter Terrorverdacht stehenden Islamisten. „Es geht mir hier einzig und allein um die Frage, ob ein Polizist die gesamte Justiz übergehen und nach eigenem Empfinden handeln darf“, meint er.

Unterstützung erhält Daniel Sprafke mittlerweile vom Deutschen Strafverteidigerverband: „Ich glaube, man wollte einfach einen schnellen Ermittlungserfolg“, sagt Präsident Jürgen Möthrath. „Man kann aber nicht sagen: Der Zweck heiligt die Mittel. Das gilt ganz besonders für den Staat.“ Doch die Reaktionen auf Sprafkes Einlassung waren fast durchweg negativ. Ihm wurden Krankheiten und der Tod von Familienangehörigen gewünscht, verbunden mit der Warnung, gut aufzupassen, wenn er künftig durch Karlsruhe gehe. Mittlerweile ist er dazu übergegangen, die moderateren Kritiken zu beantworten.

Daniel Sprafke ruft die Verhaftung von Adolf Eichmann ins Gedächtnis, der den Holocaust organisierte. 1960 wandte sich der damalige Staatsanwalt Fritz Bauer an den israelischen Geheimdienst, um ihn zu einer Entführung Eichmanns aus Argentinien zu bewegen. Eichmann wurde damals von den zuständigen deutschen Behörden gedeckt. Fritz Bauer wusste, dass er sich strafbar gemacht hatte, und war stolz darauf. „Es kann manchmal ehrenhaft und emotional verständlich sein, sich über staatliche Befugnisse hinwegzusetzen. Doch dann muss man auch für sein Verhalten einstehen“, sagt Daniel Sprafke, der diese Einsicht beim Chef der Bundespolizei bisher vermisst.