Wegen Mordes muss sich am Landgericht seit Donnerstag ein Mann verantworten, der seine schlafende Mutter im März 2015 mit einem Kissen erstickt haben soll. Nach der Tat soll der Angeklagte versucht haben, sich das Leben zu nehmen.

Regio Desk: Oliver im Masche (che)

Stuttgart/Esslingen - Am Landgericht hat am Donnerstagmorgen der Prozess gegen einen 61 Jahre alten Angeklagten begonnen, der im Frühjahr 2015 in Esslingen-Weil seine Mutter umgebracht haben soll. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, seine 88 Jahre alte Mutter am 13. März ermordet zu haben. Heimtückisch habe der Mann die schlafende Frau abends mit einem Kissen erstickt. Bisher möchte der Angeklagte im Prozess zu dem Vorwurf keine Stellung nehmen. Bei der ersten polizeilichen Vernehmungen hatte er aber eingeräumt, seine Mutter getötet zu haben.

 

Möglicherweise ist die Tat ein sogenannter Mitnahmesuizidversuch gewesen: Denn der Mann sagte gegenüber der Polizei aus, dass er sich selbst und der 88-Jährigen das Leben habe nehmen wollen. „Ich wäre gerne meiner Mutter gefolgt“, soll der Angeklagte ausgesagt haben. Einem Sanitäter, der ihn am Tatort versorgte, soll er erklärt haben, dass beide hätten sterben wollen.

Eine Nachbarin hatte die Tote und deren Sohn am Tag nach der Tat entdeckt. Die Frau war stutzig geworden, weil die Mahlzeiten eines Essen-auf-Rädern-Services mittags noch vor dem Mehrfamilienhaus gestanden hatten. Als sie bei dem Mann und deren Mutter klingelte, die gemeinsam in einer Wohnung lebten, und sich niemand meldete, öffnete sie die Tür mit einem Schlüssel, den sie für Notfälle hatte. Im Schlafzimmer der Frau entdeckte sie schließlich die leblose 88 Jahre alte Frau in ihrem Bett liegend. Daneben saß der Mann, der sich Schnittverletzungen zugefügt hatte. Außerdem hatte er zahlreiche Tabletten genommen, die allein aber nicht zum Tod des 61-Jährigen geführt hätten.

Der Mann leidet seit Jahrzehnten unter Depressionen

Der Angeklagte leidet bereits seit Jahrzehnten unter offenbar schweren psychischen Problemen. Erste Symptome traten bereits in der Schulzeit auf. Wegen Depressionen versuchte der Mann bereits erstmals kurz nach seinem Abitur, Suizid zu begehen. Als Verwaltungsfachwirt arbeitete er nur wenige Jahre bei der Stadt Stuttgart. Danach lebte er mehrere Jahre lang in Wohngemeinschaften für psychisch Kranke. In den 90er Jahren wurde der Mann erwerbsunfähig geschrieben. Er arbeitete aber noch mehrere Jahre auf Mini-Job-Basis als Sportplatzwart und als Reinigungskraft auf Spielplätzen.

Im Jahr 1998 zog der Angeklagte wieder zu seinen Eltern, nahm aber weiterhin Angebote eines gemeindepsychiatrischen Dienstes an. Auch seine Medikamente gegen die Depressionen nahm er ein.

Der Mann kümmerte sich um den Haushalt, erledigte die Einkäufe und kochte. Im Herbst 2013 soll der Mann die Medikamente gegen seine Depressionen abgesetzt haben. Danach sei er einmal wöchentlich zu offenen Treffs eines Therapiekreises gegangen. „Das hat gereicht“, sagte der Angeklagte im Prozess. Nachbarn und Bekannte der Frau beschreiben den Sohn als liebevoll und aufmerksam gegenüber seiner Mutter.

Soziale Kontakte mit Dritten pflegte der Mann aber offenbar kaum: Er lebte zurückgezogen und nannte lediglich die Namen von zwei Bekannten, mit denen er sich zuletzt ab und an über Sport unterhalten habe. Er nahm außerdem an einer Kochgruppe teil, zog sich aber schließlich daraus zurück, weil es seiner Mutter zusehens schlechter gegangen sei, so der Mann.

Bereits vom Jahr 2007 an habe sich der Zustand der Frau nach dem Tod ihres Mannes verschlechtert. Laut dem Angeklagten habe diese immer häufiger darüber geklagt, dass sie kaum mehr gehen könne. Möglicherweise fühlte sich der Mann von der Pflege seiner Mutter überfordert beziehungsweise fürchtete den Tag, an dem sie bettlägerig ist.

Der Prozess am Landgericht wird nächsten Donnerstag fortgesetzt. 14 Zeugen werden gehört. Das Urteil wird für den 6. Oktober erwartet.