Thokozile Matilda Masipa leitet den Prozess im Fall Oscar Pistorius, der wegen Mordes vor Gericht steht. Die 66-Jährige legte eine der steilsten Karrieren der südafrikanischen Justiz hin.

Pretoria - Vor ein paar Tagen war es noch fast ausgeschlossen, von Thokozile Matilda Masipa auch nur ein Foto zu ergattern – nun ist das Gesicht der Richterin in Millionen von Haushalten rund um den Erdball zu sehen. Die 66-jährige Südafrikanerin sitzt dem in Pretoria begonnenen Prozess gegen den beinamputierten Ausnahmesportler Oscar Pistorius vor, der seine Freundin Reeva Steenkamp vor einem Jahr – ob absichtlich oder aus Versehen – in seiner Toilette erschoss.

 

Ein Verfahren, das an weltweiter Aufmerksamkeit höchstens mit dem Justizfall gegen den amerikanischen Football-Star O.J. Simpson vor 19 Jahren zu vergleichen ist.   Richterin Masipas eher zurückgezogene Erscheinungsweise steht in krassem Kontrast zu dem grellen Licht, dass das Verfahren nun auf sie werfen wird. Es war auch nicht ihre Entscheidung, den Prozess zumindest in weiten Teilen Live-Kameras zugänglich zu machen.

Dass ausgerechnet eine der wenigen schwarzen Richterinnen Südafrikas das Verfahren übernahm, in dem das Thema „Gewalt gegen Frauen“ eine zentrale Rolle spielen wird, soll lediglich dem Zufall zu verdanken sein. Masipa habe den Fall nicht aus Berechnung übertragen bekommen, sondern weil sie „an der Reihe“ war, hieß es aus Kreisen der Justiz.

Masipa belegte Frauenmörder mit der jeweiligen Höchststrafe

Oscar Pistorius wird von der Wahl der „nicht unbedingt brillanten, aber würdigen und unerschütterlichen Richterin“ (wie die Sunday Times einen altgedienten Anwalt zitiert) wohl kaum beruhigt sein. Masipa machte in den vergangenen Jahren mit zwei Urteilen auf sich aufmerksam, in dem sie Frauenmörder mit der jeweiligen Höchststrafe belegte: Einen Polizisten, der seine Frau umgebracht hatte, verurteilte sie zu lebenslänglich, einen Wiederholungstäter, der eine Frau vergewaltigt und getötet hatte, brummte sie 252 Jahre auf. „Das Schlimmste in meinen Augen ist es, dass er seine Opfer in ihrer eigenen Wohnung, wo sie sich sicher fühlte, heimgesucht hat“, hieß in ihrem Urteil. Auch Reeva Steenkamp meinte, sich in Pistorius Wohnung sicher fühlen zu können.

Bei ihrer Ernennung 1998 war Masipa die erst zweite schwarze Richterin Südafrikas. Die in Soweto geborene Tochter einer Lehrerin und eines Fahrers studierte zunächst Sozialarbeit und arbeitete später als Gerichtsreporterin – eine Tätigkeit, die ihr nicht wirklich lag. „Als Journalistin muss man nicht nur schreiben, sondern mit Leuten umgehen können“, erzählte sie in einem seltenen Interview: „Dazu war ich zu scheu.“ Die Mutter zweier Söhne begann deshalb noch ein Jurastudium, das sie 1990 als 43-Jährige abschloss. Bereits sieben Jahre nach ihrer Zulassung als Rechtsanwältin wurde sie 1998 zur Richterin berufen – eine der steilsten Karrieren der südafrikanischen Justiz.

Die Richterin gilt als außergewöhnlich fleißig

Auch wenn Masipa bereits einige prominente Fälle zu entscheiden hatte – wie die Klage geräumter illegaler Mieter gegen die Stadt Johannesburg oder dem Prozess des einstigen Stromkonzernbosses gegen seine Kündigung – so kam doch keines dieser Verfahren dem Rummel um den gefallenen Medienstar Pistorius auch nur entfernt nahe.   Masipa gilt als außergewöhnlich fleißig. Nach eigenen Worten verbringt sie die meisten Abenden und Wochenenden damit, sich durch Berge von Prozessunterlagen zu lesen: Wenn ihr Mann – äußerst untypisch für Südafrika – nicht regelmäßig kochen würde, wäre sie vermutlich längst verhungert. Ihre Enkel müssten einen Termin vereinbaren, wenn sie die Großmutter besuchen wollen, klagt die Richterin selbst: Zumindest in den nächsten drei Wochen brauchen sie es gar nicht erst versuchen.