Die Moschee im Hemminger Gewerbegebiet verändert wohl erneut ihr Gesicht. Im Ort herrscht Unmut ob des Vorgehens der Muslime.

Etwa acht Meter hoch ist es jetzt, fast doppelt so hoch soll es werden: Die türkisch-islamische Gemeinde in Hemmingen, Ditib, möchte das Minarett westlich ihrer noch recht neuen Moschee in der Saarstraße auf 15,40 Meter erhöhen. Zwar hat der Gemeinderat das Einvernehmen zum Bauantrag erteilt. Jedoch gibt es Unmut, denn jene Nachbesserung ist nicht die erste des Kulturvereins. Im Jahr 2019 wurde das Moscheegebäude im Gewerbegebiet genehmigt, voriges Jahr erging eine sogenannte Änderungsbaugenehmigung, mit der sich das Bauwerk optisch weiter einer Moschee anglich.

 

Nun soll das Minarett in die Höhe wachsen. Die freie Architektin aus Fellbach, Aysel Aydin, stellte die Pläne der Bauherren vor. „Es wird nicht zum Gebet gerufen, und es ist auch nicht begehbar“, sagte sie. Dafür sei das Minarett mit einem Durchmesser von 60 Zentimetern ohnehin zu schmal. Weder Scheinwerfer noch Lautsprecher würden angebracht, „nichts, was die Umgebung stört“. Das Minarett sei nur Zierde, so Aydin. Bekomme es die beantragte Höhe, passe es auch architektonisch zum Rest.

Mehr Geld macht den Antrag möglich

Warum der Verein den Bauantrag jetzt erst einreicht? Aysel Aydin nannte mehrere Gründe. Die Mitglieder hätten dank vieler Spenden einen „ungeplanten Überschuss“, den sie investieren wollten, vor allem in die Optik der Moschee. „Damals haben die Leute nicht gesehen, dass das Minarett so kurz ist“, sagte Aysel Aydin, die das mit Unerfahrenheit im Umgang mit Bauplänen begründet. Als sie im Jahr 2015 als Architektin für den Verein tätig wurde, hätten obendrein Mitglieder mitgeplant, denen das Minarett weniger wichtig gewesen sei, die mehr Wert auf die Moschee als Versammlungsort gelegt hätten. „Mittlerweile sind Mitglieder nachgekommen, die das anders sehen.“

Die Hemminger Verwaltung erwartet keine Beeinträchtigungen für die Nachbarn – dass der Turm Schatten wirft oder Funkwellen abschirmt. Laut dem Bauamt ist die Erhöhung städtebaulich vertretbar. Auch locke ein höherer Turm nicht mehr Besucher an.

Überhaupt hätte es keinen Bauantrag gebraucht, wäre es allein nach Hemmingen gegangen. „Aus unserer Sicht ist das geplante Minarett eine Nebenanlage und kein Bauwerk“, sagte Tobias Adolph vom Bauamt. Das sehe die Baurechtsbehörde des Landratsamts Ludwigsburg anders, die, mangels Baurechtszuständigkeit der Hemminger, das letzte Wort hat: Sie werte das Minarett als Bauwerk, als Teil des Gebäudes, und da gelte die Maximalhöhe – höchstens drei Vollgeschosse erlaube der Bebauungsplan. Um wegen der unterschiedlichen Rechtsauffassung sicherzugehen, hat Hemmingen das Einvernehmen zu einer Überschreitung der festgesetzten Maximalhöhe erteilt.

„Nicht bereit, vom Beschluss abzuweichen“

Wilfried Gentner (CDU) sagte geradeheraus, dass er die Erhöhung ablehne. „Das Gebäude ist wirklich wunderschön geworden und wertet die Gegend auf, aber ich bin nicht bereit, vom früheren Beschluss abzuweichen.“ Demzufolge das Minarett nur so hoch ist wie der Kuppelbau, was man damals auch der Bevölkerung kommuniziert habe.

Jörg Haspel (Freie Wähler) kritisierte die „Salamitaktik“ des Vereins, dass Forderungen nach und nach kämen. „Das Minarett ist doch das A und O einer Moschee, wie ich verstanden habe, das wichtigste Gestaltungselement.“ Man müsse sich vorher überlegen, was man wolle. Trotzdem, Jörg Haspel stimmte der Erhöhung zu – wie Ralf Horwath (SPD). Er plädierte dafür, über das Minarett abzustimmen, nicht darüber, wie der Verein vorgegangen sei, dessen Wunsch er verstehe. Barbara von Rotberg (FDP) wollte sichergehen, dass das Minarett keine „ausladenden Ornamente“ erhält.

Von der Tennishalle zur eigenen Moschee

Die muslimische Gemeinde, gegründet 2008, baut schon seit mehr als zehn Jahren Stück für Stück. Zunächst war sie vorübergehend für drei Monate in einer Tennishalle untergekommen. Bei einer Zwangsversteigerung einer leer stehenden Gaststätte anno 2009 konnten die Muslime nicht mithalten. Der erfolgreiche Bieter gab an, sein Ziel sei es gewesen, die Nutzung der Räume durch die türkisch-islamische Gemeinde zu verhindern. Die örtliche Verwaltung hatte den Muslimen zuvor ebenso abgeraten, für das Gebäude mitzubieten, weil das den sozialen Frieden gefährden könne. In die Suche nach einer Bleibe hatte sich auch die katholische Kirche eingeschaltet, unterstützend. Die Folge war eine große Aufregung im Gemeinderat, in einer Vorlage äußerte die Verwaltung „Befremden“ über die Einmischung.

Bauantrag 2017

Danach trafen sich die Vereinsmitglieder im Gebäude einer Spedition in der Saarstraße, ehe sie auf demselben Areal das Gebäude einer Baufirma für ihre Zwecke umbauten – zunächst ohne Minarett. Im Jahr 2011 erging die Baugenehmigung. Erst 2017 reichte der Verein den Bauantrag für ein Gebäude ein, das einer typischen Moschee glich.

Weitaus lauter, strittiger geht es zurzeit in Ditzingen zu. Dort plant der Moscheeverein einen Neubau in der Schuckertstraße. Im Gemeinderat gab es heftige Diskussionen, auch sind nicht alle Anwohner begeistert. Trotzdem wollte das Gremium noch vor der Sommerpause die Bedingungen für einen Verkauf des Baugrundstücks im Gewerbegebiet beschließen. Der Kulturverein kritisierte den Kompromiss der Kommunalpolitik aber als einseitig. Nun folgen weitere Gespräche.