Frei, aber in den Rechten beschränkt: Auch mit einer Bewährungsstrafe dürfte Kremlgegner Nawalny in den kommenden Jahren nicht bei Wahlen antreten. Der Blogger kämpft um seine politische Zukunft. Doch die Justiz hat noch weitere Verfahren gegen ihn in der Hinterhand.

Moskau - Alles andere als ein lupenreiner Freispruch: Ein russisches Gericht hat die fünfjährige Haftstrafe gegen den bekannten Oppositionspolitiker Alexej Nawalny zur Bewährung ausgesetzt. Obwohl der scharfe Gegner von Kremlchef Wladimir Putin damit in Freiheit bleiben darf, bezeichnete er das Urteil als ungerecht und kündigte erneut Berufung an. Das meldete die Agentur Interfax am Mittwoch. Der Blogger hatte bei der Verhandlung in der Stadt Kirow auf einen vollständigen Freispruch plädiert. Als Vorbestrafter bliebe Nawalny auf Jahre hinaus von allen politischen Wahlämtern ausgeschlossen.

 

Die Bürgerrechtlerin Ljudmila Alexejewa sagte, die Führung habe sich offensichtlich nicht getraut, den bei der Bevölkerung populären Nawalny einzusperren. „Allerdings wäre es lächerlich, sich über diese unanständige Bewährungsstrafe zu freuen. Alexej Nawalny ist unschuldig“, sagte Alexejewa von der Moskauer Helsinki Gruppe. Die Moskauer Börse legte direkt nach dem Urteil leicht zu. Der Richterspruch gilt auch als Gradmesser für den Umgang mit Andersdenkenden in Russland.

Nawalny soll 2009 als Berater des Gouverneurs eine staatliche Holzfirma um umgerechnet 400.000 Euro geprellt haben. Er weist die Vorwürfe als politische Inszenierung des Kreml zurück. Der 37 Jahre alte Blogger gilt für die zersplitterte Opposition gegen Putin als Hoffnungsträger, der Massen mobilisieren und auch Nationalisten im Zaum halten kann. Gegen ihn sind weitere Verfahren anhängig.

Vor dem Gerichtsgebäude protestierten zahlreiche Nawalny-Anhänger

Vor dem Gerichtsgebäude in Kirow rund 900 Kilometer östlich von Moskau protestierten zahlreiche Nawalny-Anhänger. Er werde den politischen Kampf fortsetzen, kündigte Nawalny an. Sein Mitarbeiter Alexander Wolkow sagte, der charismatische Oppositionelle dürfe wegen der Verurteilung nicht wie geplant als Kandidat an der Wahl zum Moskauer Stadtparlament im kommenden Jahr teilnehmen.

Nawalny war nach dem ersten Urteil im Juli auf freiem Fuß geblieben und durfte im September bei der Moskauer Bürgermeisterwahl kandidieren. Mit 27,24 Prozent gelang Russlands bekanntem Korruptionsgegner ein Achtungserfolg.

Richter Albert Prytkow betonte, Nawalny dürfe seinen Wohnort nicht ohne amtliche Erlaubnis verlassen und müsse sich mindestens zweimal im Monat bei den Behörden melden. Die ganze Urteilsbegründung werde er später veröffentlichen. In dem Berufungsverfahren wurde auch die Haftstrafe für Nawalnys Geschäftspartner Pjotr Ofizerow, der im Juli ebenfalls verurteilt worden war, zur Bewährung ausgesetzt.

Der Europaparlamentarier Werner Schulz (Grüne) nannte das Urteil eine „Schadensbegrenzung des Kreml“. Allerdings dürfe Nawalny wegen der Verurteilung nicht bei den nächsten Wahlen kandidieren. „Putin ist es (damit) gelungen, sich seinen schärfsten politischen Gegner vom Hals zu schaffen“, meinte Schulz in einer Mitteilung.