Bei einer groß angelegte Kontrollaktion zum Beginn der Motorradsaison geht es der Polizei vor allem um die Sicherheit. An die 120 Fahrzeuge – darunter auch einige Autos – werden im Tiefenbachtal bei Nürtingen prüfenden Blicken unterzogen.

Eine fehlende Abdeckung am Riemen, Mängel am Schutzblech, der neue Lenker nicht in den Papieren eingetragen – und seit September 2022 ist auch noch der Tüv abgelaufen. So lautet die Mängelliste, die die Polizei einem Motorradfahrer aus Esslingen präsentiert, der in die erste Großkontrolle der Saison im Nürtinger Tiefenbachtal geraten ist. „Ich fahre dieses Motorrad das erste Mal, es ist nur ausgeliehen“, bekennt der Esslinger zerknirscht. Er und die meisten Fahrerinnen und Fahrer an diesem Tag nehmen die Kontrolle des Reutlinger Polizeipräsidiums aber sportlich. Vielen ist bewusst, dass es auch um ihre Sicherheit geht.

 

Schließlich sind die Folgen von Motorradunfällen oft schwer. Die Unfallstatistik, die die Polizei für den Kreis Esslingen vorgelegt hat, verzeichnete für das vergangene Jahr 479 Unfälle, an denen Motorräder beteiligt waren. Dabei starben vier Menschen, 129 Personen zogen sich schwere Verletzungen zu, 263 wurden leicht verletzt. Mit diesen Zahlen sei man wieder auf dem Niveau von vor der Coronapandemie, sagt Michael Schaal von der Pressestelle des Polizeipräsidiums. Während der Lockdowns sei spürbar weniger los gewesen.

Da drei der vier tödlichen Unfälle auf Straßen im Kreis Esslingen passiert waren, habe man sich entschlossen, die Großkontrolle zum Saisonauftakt im und rund um das Tiefenbachtal in Nürtingen zu machen, so die Polizei. Die Strecke gilt als Zufahrt zur Schwäbischen Alb mit ihren – bei Bikern beliebten – kurvenreichen Aufstiegen. Der Schwerpunkt liegt zwar auf Motorrädern, aber es werden auch einige Autofahrer kontrolliert. Rund sechs Stunden lang sind die Polizisten im Einsatz und nehmen an die 120 Fahrzeuge unter die Lupe.

Dem Motorradfahrer aus Esslingen ist es besonders peinlich, dass die HU-Plakette nicht mehr gültig ist. Er habe mit einem Bekannten nur eine Spritztour in Richtung Alb machen wollen. Daraus wird nun nichts. „Ich lasse Sie jetzt nach Köngen zurückfahren, dann können Sie das Motorrad dem Halter zurückgeben“, lautet die freundliche, aber bestimmte Ansage des Polizisten. Ein Punkt in Flensburg wird der Esslinger auf jeden Fall kassieren, die Höhe des Bußgeldes wird von der Bußgeldstelle festgelegt. 90 Euro sind es mindestens. „Aber da wird noch einiges für die einzelnen Verstöße obendrauf kommen“, vermutet der Verkehrspolizist.

Die meisten Motorradfahrer haben Verständnis

Obwohl es ihn erwischt hat, zeigt der Esslinger Biker viel Verständnis für die Kontrolle: „Das ist wirklich in Ordnung. Schließlich geht man nicht nur für sich selbst ein Risiko ein, sondern man bringt auch andere Verkehrsteilnehmer in Gefahr.“ Nebenan wird ein junger Mann aus Oberensingen geprüft. Gerade mal sechs Kilometer weit ist er bei seiner ersten Ausfahrt des Jahres gekommen, dann dirigiert ihn eine mobile Motorradstreife zur Kontrolle auf den Wanderparkplatz. Der Verdacht: Sein Motorrad sei zu laut. Es gibt jedoch Entwarnung – 96 Dezibel werden gemessen, was völlig im Rahmen für diese Maschine liegt. Auch der junge Mann ist keineswegs ungehalten angesichts des unfreiwilligen Zwischenstopps: „Die Polizei macht ja hier nur ihren Job.“

Raue Töne höre man bei Kontrollen eher selten, sagt Michael Schaal. Aber auch die Polizei bemüht sich um einen freundlichen Ton: „Wie es in den Wald hineinschallt, so schallt es wieder heraus“, sagt einer der Polizisten. Mit einer freundlichen Anweisung komme man bei potenziellen Verkehrssündern viel weiter als mit Gebrüll. „Es ist uns wichtig, mit den Motorradfahrern in den Dialog zu kommen“, erklärt Schaal. Die an der Kontrolle beteiligten Polizisten seien fast alle selbst Motorradfahrer, da finde man schnell den richtigen Ton. „Es geht uns hauptsächlich um die Sicherheit, das verstehen die Leute“, bestätigt der Oberkommissar Joseph Schipp vom Esslinger Verkehrsdienst, der die Kontrolle leitet. Zudem sei den meisten Fahrer bewusst, dass eine Diskussion nicht viel bringe – außer die Prozedur unnötig in die Länge zu ziehen.

Vor allem technische Mängel werden beanstandet

Die meisten Beanstandungen an diesem Tag gibt es aufgrund technischer Veränderungen an den Fahrzeugen. Vielen Motorradfahrern sei nicht bewusst, dass sie jede Veränderung ihrer Maschine in die Papiere eintragen lassen müssten, erklärt Schipp: „Das betrifft etwa Veränderungen am Auspuff, am Lenker oder an den Spiegeln.“ Ist nichts in den Papieren vermerkt, erlischt mit sofortiger Wirkung die Betriebserlaubnis für das Fahrzeug. Zugenommen habe in den vergangenen Jahren das Tuning – was per se nicht verwerflich sei, so Schipp. Aber: „Es muss eben fachgerecht gemacht sein und dann ordnungsgemäß in die Fahrzeugpapiere eingetragen werden.“

Die Bilanz der Kontrolle

Zahlen
Bei der Aktion im Tiefenbachtal wurden in rund sechs Stunden 118 Fahrzeuge kontrolliert, davon 98 Motorräder. Bei rund der Hälfte gab es Beanstandungen. 25 Polizisten waren im Einsatz, darunter fünf auf Motorrädern. Zur Tempokontrolle waren zudem Zivilfahrzeuge unterwegs.

Verstöße
Die Polizei ertappte 14 Temposünder sowie jeweils einen Fahrer, der unter dem Einfluss von Alkohol beziehungsweise Betäubungsmitteln stand. An etwa der Hälfte der Motorräder gab es technische Mängel. Zwölf Motorradfahrer wurden dabei erwischt, dass sie das an Wochenenden und Feiertagen geltende Durchfahrtsverbot auf der Neuffener Steige ignorierten. Vier Autos wurde wegen technischer Mängel nur die Weiterfahrt bis zur nächsten Werkstatt gestattet, ein weiteres Auto wurde aus demselben Grund gleich komplett aus dem Verkehr gezogen.