Roland Lörcher baut Serienmotorräder zu sogenannten Café-Racern um und nimmt damit auch an Beschleunigungsrennen teil. Harley-Davidsons bringen ihn schon mal zum Fluchen.

Rems-Murr: Chris Lederer (cl)

Stammheim - Der durchtrainierte Mann mit dem rasierten Schädel und der Drachentätowierung am Unterarm steht grimmig in seiner kleinen Werkstatt, beugt sich über eine ausgebaute Kurbelwelle und flucht: „Drecksmaschine, eine Scheißqualität!“ Roland Lörcher läuft die schwarze Soße über die ölverschmierten Hände. Vor sich hat er eine alte Harley-Davidson aufgebockt. Der amerikanische Traum auf zwei Rädern zeigt sich heute mal wieder als Albtraum: Das Motorrad leckt. „Öl verlieren sie fast alle, aber nicht alle so viel wie die hier“, sagt Lörcher und macht sich weiter ans Schrauben.

 

Den Ärger mit der Harley hat er sich selbst eingebrockt – ein Freundschaftsdienst. Dass sich der gelernte Automechaniker mit den US-Maschinen gut auskennt, hat sich herumgesprochen. Jahrzehntelang hat er sie selbst gefahren, geschraubt und repariert – und dabei viele Biker kennengelernt. Und unter guten Freunden hilft man sich eben, ob sie nun zu den Hells Angels gehören, zur Judoschule, wo Lörcher Unterricht gibt, oder sonst woher stammen. „Die dürfen dann auch mit ihrer Harley zu mir kommen“, sagt er und lacht.

Café-Racer: Leichter, schneller und lässiger

Die Laune wird langsam besser. Wenn es um seine persönliche Leidenschaft geht, dann schlägt Lörchers Herz schon lange nicht mehr nur für Fat Boys und Panheads aus Milwaukee. Lörchers große Liebe sind die Café-Racer: zu Rennmaschinen umgebaute Serienmotorräder, wie sie in den 1960er Jahren in England Mode waren. Damals wurden die Motorräder nach allen Regeln der Kunst verändert, um sie leichter und schneller zu machen – und vor allem um lässig genug zu sein für eine Showrunde am Café der Wahl.

Während früher ausschließlich englische Fabrikate verändert und getuned wurden, widmet sich die Schrauberszene mittlerweile auch deutschen, italienischen und japanischen Modellen.

In seiner kleinen Garage an der Freihofstraße 41 hat sich Lörcher zuletzt einer Yamaha SR 500 gewidmet. „Die Maschine muss customized sein – ein Eigenbau. Die Idee ist, keine Teile zu kaufen, sondern das zu verwenden, was man vom Schrottplatz oder in der Garage von anderen Motorrädern übrig hat.“ Es sei etwa vergleichbar mit dem Kochen von übrig gebliebenen Lebensmitteln, die man noch im Kühlschrank hat. In Lörchers Kühlschrank waren es ein Stummellenker, ein Aluminiumblech und eine Judomatte – aus der hat er sich eine Sitzbank gebastelt, mit einem alten Kartoffelsack als Polster.

Zum Wheels and Waves nach Biarritz

Vier Monate hat der 52-Jährige an seinem Umbau gearbeitet. Lohn für die Mühe: Eine Einladung zum legendären „Wheels and Waves“-Festival nach Biarritz in Südwestfrankreich – einem Treffen für Motorradfans und Surfer, zu dem sich neben Wellenreitern vor allem die Café-Racer-Szene versammelt. Bikes vom Band und ohne kreative Umbauten werden vom Festival-Personal dezent auf Parkplätze außerhalb des Festivalgeländes verwiesen.

Roland Lörcher war mit seiner Maschine im Rahmen des Programms für ein Bergrennen nominiert: dem Punk’s Peak Race in Hondarribia, Spanien. Knapp 40 Kilometer von Biarritz entfernt. „Es gibt jedes Jahr zwischen 300 und 400 Bewerber, aber nur 32 dürfen starten“, erzählt Lörcher. Dass er dabei mit seiner 500-Kubik-Yamaha gegen die 700- bis 1200-Kubik-Motoren der meisten anderen Piloten nur Außenseiterchancen haben würde, war ihm klar. „Es handelt sich um ein Sprintrennen am Berg, die klassische Viertelmeile, also nur rund 400 Meter lang mit zwei Kurven“, sagt er. „Da dachte ich, dass ich mit einer abgespeckten Maschine und einer guten Reaktion am Start vielleicht gute Chance habe – und nicht gleich als Erster ausscheide.“

Gefahren wird Mann gegen Mann, der Verlierer scheidet aus, der Sieger kommt eine Runde weiter. „Am Start ist die Maschine im Leerlauf, die linke Hand berührt den Helm, bis der Startschuss fällt. Dann Kupplung ziehen, Gang rein und los!“, schildert der Hobbyrennfahrer. Im ersten Lauf ging es gegen einen Engländer. „Bis der den ersten Gang drin hatte, war ich schon die Hälfte der Strecke gefahren.“

Das Ziel: Mindestens einmal den Berg hochkommen

Beim zweiten Lauf konnte sich Lörcher durch sein Leichtgewicht gegen einen Australier mit einer 900er Ducati durchsetzen. Im dritten Lauf war Schluss. Ein Franzose zeigte Lörcher die Grenzen auf. „Mein Kontrahent hat sehr schnell reagiert, und er muss sich auch einen klaren Leistungsüberschuss durch hochwertige Anbauteile an seiner 750er Triumph verschafft haben“, sagt Lörcher und grinst. „Ich bin zufrieden. Ich wollte mindestens einmal den Berg hochkommen und nun waren es drei Läufe.“ Außerdem sei im vergangenen Jahr eine Maschine beim Burn-out, dem Durchdrehenlassen der Reifen vor dem Start, abgefackelt. „Bei mir hat nur die Kupplung durch leichten Geruch angezeigt, dass sie ihr Limit erreicht hat.“ Gewonnen hat das diesjährige Punk’s-Peak-Rennen schließlich ein Schweizer auf einer K100 BMW mit Turbolader. 

Mittlerweile ist der Stammheimer wieder heil zuhause angekommen, und er schraubt schon wieder fleißig an Motoren. „Mir geht es bei meinem Hobby auch darum, zu zeigen, dass man nicht immer alles neu kaufen muss, sondern dass man Dinge auch reparieren und dadurch sparen kann. Ich möchte den Kids zeigen, dass man vieles wiederverwenden kann und nicht reich sein muss, um Spaß zu haben“, sagt Lörcher. „Jugendliche, die ein kaputtes Fahrrad oder ein Mofa haben, dürfen gern bei mir in der Garage vorbeikommen, dann schauen wir, ob wir es reparieren können.“ Es muss ja nicht unbedingt eine Harley-Davidson sein.