Jörg Ose und Fabrizio Fischer haben sich auf Chopper spezialisiert: In ihrer Werkstatt in Weil der Stadt werden die Bikes der 50er, 60er und 70er Jahre zum Lebensgefühl.

Münklingen oder Kalifornien? In der Werkstatt von Kickstartworks lässt sich leicht vergessen, auf welchem Kontinent man sich gerade befindet: An Balken hängen Wimpel und Nummernschilder US-amerikanischer Bundesstaaten, dazwischen Schraubenschlüssel in allen erdenklichen Größen und Schwarz-Weiß-Fotos von in Lederjacken gehüllten Männern auf Motorrädern. Auf einer abgenutzten Werkbank liegen Metallteile, Schrauben und Federn verstreut, die für einen Laien kaum zu identifizieren sind. Mit kratziger Stimme singt im Hintergrund ein Mann inbrünstig über seine Affäre mit „Mary Jane“, in der Luft liegt der Duft von Motoröl und Gummi. Und mittendrin natürlich: Motorräder. Und die beiden Männer, die an ihnen herumschrauben.

 

Bikes im Stil der 50er, 60er und 70er Jahre

2016 zog Jörg Ose, Inhaber von Kickstartworks, mit seiner Motorradwerkstatt von Rutesheim an den Ortsrand von Münklingen. Zu klein war das alte Zuhause geworden, in Weil der Stadts zweitkleinstem Teilort sind die Grundstückspreise noch bezahlbar. Ein Jahr später stieß Fabrizio Fischer dazu. Der Name, Kickstartworks, leitet sich von der Bezeichnung für den Hebel ab, dem man einen kräftigen Tritt versetzen muss, um den Motor zu starten. Zumindest bei vielen älteren Modellen – in den 70ern setzte sich der elektrische Anlasser zunehmend durch.

Dass man sich bei der Namensgebung seiner Werkstatt an ebenjenem Mechanismus vergangener Zeiten bediente, kommt nicht von ungefähr. Denn die Spezialität von Ose und Fischer sind Bikes im Stil der 50er , 60er und 70er Jahre, sogenannte Chopper. Die modifizierten Motorräder sind schlanker als ihre Originale, haben häufig lange Gabeln, bunte Lacke und „Sissybars“, also angebaute Rückenlehnen. Oft werden Motoren und Getriebe überholt und Front Fender, das Schutzblech am vorderen Rad, abgebaut. „Chopper sind in vielerlei Hinsicht unpraktischer“, erklärt Fischer. „Aber schöner“, sagt Ose.

Eigentlich ist man bei Kickstartworks markenoffen, inzwischen würden aber zu 90 Prozent Harleys in ihre Werkstatt gebracht, berichtet Fischer. Anfangs, da hätte man noch alles repariert, was zu reparieren war. Inzwischen können die beiden wählerischer sein. „Wir stehen auf den alten Kram“, so Fischer. „Wir haben unsere Nische gefunden, da können wir uns auch austoben.“

„Wie ein Ehepaar“ bei der Arbeit

An Fahrrädern und Mopeds herumgeschraubt hat Ose schon als Kind. Mit der Nase hat er am Fenster des Harley-Davidson-Stores geklebt, den es einst in der Tübinger Straße in Stuttgart gab, erinnert er sich. Zwei, drei Jahre nach dem Führerschein habe er sich dann die erste Harley gekauft. „Das war schon noch Raketentechnik.“ Fabrizio Fischer, der wie Ose gelernter Kfz-Mechaniker ist, habe er auf einer Feier kennengelernt. Dort hatte Fischer mit seiner Band gespielt – und wurde von Ose „von der Bühne herunter engagiert“, wie er erzählt. Beide haben einen gleichen Qualitätsanspruch, ähnliche Ideen in Sachen Optik, sagt Ose. Als „tupfengleich“ und „wie ein Ehepaar“ beschreibt er sich und seinen Kollegen.

Mit ihrer Arbeit haben Ose und Fischer sich einen Namen in der Szene gemacht, Kunden kommen auch mal aus Hessen oder der Schweiz nach Weil der Stadt. „Das spricht sich herum“, berichtet Jörg Ose. „Die Leute wissen, welchen Stil wir haben, und kommen deshalb hierher.“

Zwar sind die USA und insbesondere Kalifornien das „Mutterland der Chopper“, wie Fabrizio Fischer sagt. Europa könne heutzutage aber problemlos mithalten in Sachen Motorradkultur. Manche, so sagen Fischer und Ose, versuchen sich den Lebensstil zu kaufen, geben viel Geld für eine brandneue Harley aus. „Aber da gehört mehr dazu“, weiß Ose. „Man braucht schon Benzin im Blut. Auf unseren Partys fließt kein Champagner.“ Zum Schlafen wird auf Festen der Schlafsack neben dem Motorrad ausgerollt. Gefeiert wird auch in Münklingen: Einmal im Jahr lädt Kickstartworks zum South-works Fest in das kleine Gewerbegebiet am Ortsrand. Dieses Jahr wieder am 20. Mai, dann werden die Räumlichkeiten der Werkstatt komplett leer geräumt und ein Teil der Straße gesperrt. Bis zu 500 Menschen sind tagsüber dabei. Am Abend, wenn es dann Livemusik gibt und die Party richtig durchstartet, noch 150, schätzt Ose. Auch viele Weil der Städter würden vorbeikommen. „Und alles steht voller Motorräder“, sagt der 59-Jährige. Außerdem wird es bei dem Festival Preise für den schönsten Chopper und die weiteste Anfahrt geben. Den weitesten Weg hatten im vergangenen Jahr Gäste aus Berlin zurückgelegt.

Southworks Fest im Mai