Das Verkehrsministerium in Stuttgart und eine Initiative von Gemeinden und Landkreisen stellt einen Forderungskatalog gegen Motorradlärm auf: Der Bund und die EU sollen endlich handeln.

Stuttgart - Das Land Baden-Württemberg will mit einer Bundesratsinitiative den Bund und in der Folge auch die EU zu einem besseren Schutz vor dem Lärm von Motorrädern an touristisch attraktiven Strecken bewegen. Verkehrsminister Winfried Hermann sowie der Lärmschutzbeauftragte Thomas Marwein (beide Grüne) und die Sasbachwaldener Bürgermeisterin Sonja Schuchter (CDU) stellten am Donnerstag vor der Presse in Stuttgart einen zehn Punkte umfassenden Forderungskatalog vor.

 

Laute Auspuffe werden auf EU-Ebene genehmigt

Eine im Sommer 2019 gegründete Initiative Motorradlärm, der mittlerweile 74 Städte und Gemeinden und sieben Landkreise angehören und deren Sprecherin Sonja Schuchter ist, unterstützt die Forderungen. Die hohe Zahl der an der Initiative Beteiligten sei ein „Weckruf für die politischen Entscheidungsträger beim Bund und der EU, endlich Maßnahmen zu ergreifen, um die Lärmbelastung durch Motorräder zu senken“, sagte Hermann.

Die Forderungen richten sich an den Bund, die EU und die Hersteller der Bikes. Als besonders ärgerlich empfindet es das Ministerium, dass im Prinzip „von jedem Teilehersteller nach Belieben in jedem EU-Staat“ die Typgenehmigung für einen Zubehörauspuff gestellt werden kann – und sei der noch so laut. Bei positiver Typgenehmigung sei dieser Auspuff „ohne weitere Prüfung in allen anderen EU-Mitgliedsstaaten“ freigegeben. Ein Unding – finden die Lärmgegner. Das Ministerium verlangt eine Reform der Genehmigungs- und Zulassungsregeln durch die EU. Das Ziel müsse bei allen neuen Motorrädern ein Grenzwert von maximal 80 Dezibel „in allen Betriebszuständen“ sein. An die Hersteller wird appelliert, leisere Motorräder zu produzieren und auf Motorsteuerungen zu verzichten, mit dem sich ein lauteres „Sound-Design“ erzeugen lässt.

Die Mehrheit der Biker fährt angemessen

Eine Bitte ergeht auch an die Biker selbst, die „rücksichtsvoll und leise“ fahren sollten. „Mehrheitlich sind Motorradfahrer mit angemessener Fahrweise unterwegs“, heißt es. Eine Minderheit aber bereite Probleme mit rasantem Beschleunigen und hohen Drehzahlen im niedrigen Gang. Hingewiesen wird auf Paragraf 30 der Straßenverkehrsordnung, wonach „das unnötige Hin- und Herfahren“ zumindest in Ortschaften verboten ist. Mehrere Forderungen befassen sich mit Sanktionen: So soll der Polizei neben der Standgeräuschprüfung mit einer neuen Prüfung „Geräuschmessung light“ ermöglicht werden, auch den Lärm der Bikes im Fahrbetrieb zu überprüfen. Als „völlig unzureichend“ erachtet das Ministerium die Höhe der Bußgelder: Bei erhöhtem Lärm durch „Verschleiß am Motorrad“ ist ein Bußgeld von 20 Euro fällig, wer mit illegal-getuntem Bike unterwegs ist zahlt 90 Euro (Fahrer) oder 135 Euro (Fahrzeughalter). Als problematisch wird empfunden, dass Biker wegen der Helmpflicht bei Verkehrsverstößen meist ungeschoren davon kommen. Der Bund müsse das Problem lösen, etwa durch ein Frontkennzeichen sowie eine Halterhaftung.

Schließlich soll den lärmgeplagten Gemeinden geholfen werden – durch mehr Tempolimits. Bisher ist es so, dass für eine Geschwindigkeitsbeschränkung wegen Lärms die „jahresbezogenen Mittelwerte“ als Basis dienen. Die Lärmspitzen durch Motorräder – meist geht es Freitagnachmittag los – werden gar nicht erfasst. Es müsse möglich sein, so das Ministerium, bei „saisonal- oder wochentagsabhängigen“ hohen Lärmpegeln verkehrsrechtliche Maßnahmen anordnen zu können. Thomas Marwein kündigte an: „In den nächsten soll unsere Initiative mit einem entsprechenden Entschließungsantrag in den Bundesrat eingebracht werden.“