Der Kölner Privatsender beendet nach 30 Jahren sein Engagement in der Königsklasse des Motorsports – damit endet eine Ära, die mit Michael Schumachers erstem Rennen 1991 begann. Von 2021 an wird die Serie wohl nur noch im Bezahlfernsehen zu verfolgen sein.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Als alles begann, hielt Kai Ebel dem Benetton-Piloten Michael Schumacher das Mikrofon unter die Nase. Die Garderobe des RTL-Reporters war noch nicht ganz so ausgeflippt wie heute, und Schumachers Antworten wirkten noch schüchtern und holprig. Inzwischen ist Kai Ebel 55 Jahre alt, und in diesen fast 30 Jahren, in denen er aus der Boxengasse der Formel 1 Interviews lieferte, ist er selbst zum Kultreporter geworden. Kai Ebel hat sich dabei stets als Unterhalter verstanden. „Ich erzähle den Zuschauern, dass ein Fahrer wohl nicht so gut geschlafen hat, weil er Einbrecher vor der Tür hatte, oder dass einer in der Startaufstellung noch eine Pellkartoffel gegessen hat“, sagte der Rheinländer einmal, es gehe im Sport ja ums Menschliche. Und da es auch allzu menschlich ist, sich mal zu irren, hat Ebel mal einen jugoslawischen Stabhochspringer mit dem Pornodarsteller Rocco Siffredi verwechselt – und den Leichtathleten dann auch seinem „neuen Job“ entsprechend ausgefragt.

 

Damit ist jetzt Schluss. Der Fernsehsender RTL wird von 2021 an kein Formel-1-Rennen mehr übertragen – damit enden auch die modisch gewagten, aber inhaltlich unterhaltsamen Interviews von Kai Ebel. Der Moderator selbst fiel aus allen Wolken, als er davon erfuhr. „Ich muss das jetzt erst mal verdauen. 30 Jahre mit RTL die Formel 1 begleitet zu haben, so viele schöne Geschichten hängen da dran, das ist für mich schon ein schwerer Schlag“, sagte Ebel der Online-Plattform „Spox“.

Die Kosten sind explodiert

Die Kosten für die Übertragungsrechte an der Formel 1 sind zuletzt explodiert, da macht der Kölner Privatsender jetzt nicht mehr mit. „Wenn Konkurrenten im Spiel sind, die bereit sind, das Doppelte zu bieten, muss man sich mit einem Ausstiegsszenario zwangsläufig auseinandersetzen“, sagte der RTL-Sportchef Manfred Loppe am Sonntag. Der Sender will auch künftig versuchen, „unseren Zuschauern attraktive Sportangebote zu präsentieren“. Klar sei aber auch, dass dabei wirtschaftliche Limits eine Rolle spielten. „Der Wettbewerb um die TV-Rechte hat sich verändert, den Markt teils überhitzt – und damit den durchaus ambitionierten, dennoch wirtschaftlich vertretbaren Rahmen verlassen, den wir uns gesteckt haben“, meinte derweil RTL-Geschäftsführer Jörg Graf und bekräftigte die Argumentation seines Sportchefs.

Wo die Formel 1 von 2021 an in Deutschland zu sehen sein wird, steht noch nicht fest. Als großer Interessent an den Fernsehrechten gilt der Pay-TV-Sender Sky, der die wegen der Corona-Krise erst am 5. Juli beginnende und verkürzte Saison noch parallel zu RTL ausstrahlt. Sky, das auch Fußball überträgt, wollte sich dazu nicht äußern. Käme es so, könnten ab nächstem Jahr nur noch Zuschauer die Formel-1-Rennen verfolgen, die eine Abonnement des Bezahlsenders besitzen. Seit 2019 gibt es etwa in Großbritannien die Formel 1 fast ausschließlich gegen Geld zu sehen. Nur das Rennen in Silverstone wird noch frei Haus geliefert.

Schumi sahen die meisten

Die Formel 1 hatte sich nach dem Hype der Michael-Schumacher-Jahre zuletzt auf einem beachtlichen Quoten-Niveau stabilisiert – auch dank des viermaligen Weltmeisters Sebastian Vettel und den vergangenen Jahren der Mercedes-Dominanz. Im Jahresdurchschnitt aller 21 Formel-1-Übertragungen kam RTL im Vorjahr auf 4,05 Millionen Zuschauer und einen Marktanteil von 23,2 Prozent. Zu Schumachers Topzeiten bei Ferrari sahen die Rennen am Sonntag dagegen oftmals mehr zwölf Millionen Zuschauer in Deutschland. Auf dieses Niveau kamen die Werte nie wieder.

Das baldige Aus von RTL, das sich vor allem durch seine Reporter Kai Ebel, Heiko Wasser und den gebürtigen Tübinger Florian König zu einem wichtigen Baustein der Rennserie entwickelte, ist ein weiteres Indiz dafür, dass sich die Formel 1 von ihrem einstigen Paradestandort Deutschland immer weiter entfernt. Wenn Vettel keinen neuen Vertrag unterschreibt, fährt 2021 seit drei Jahrzehnten kein deutscher Pilot mehr in der Königsklasse mit. Rennen am Nürburgring sind Geschichte, Hockenheim wurde zuletzt nur als Corona-Notlösung gehandelt, ist aber im Prinzip auch Geschichte – und selbst hinter der Ausrichtung des Mercedes-Werksteams steht ein Fragezeichen. Liefert die Motorsportabteilung des Daimler-Konzerns irgendwann nur noch Motoren?

Die Formel 1 scheint sich neu aufzustellen – ohne nennenswerte deutsche Beteiligung. Und ohne Ebels schrille Garderobe.