Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Lewis Hamilton oder Nico Rosberg: Derjenige, der nicht in der Rubrik Gewinner auftaucht, wird seinen Namen hier wiederfinden. Wobei Lewis Hamilton nur deshalb ein Verlierer ist, weil ihm der Gewinn des vierten Titels nicht gelungen ist. Sollte aber Nico Rosberg „bloß“ wieder Vize werden, ist er ein echter Verlierer – so nah hatte er die Hände noch nie an der Weltmeister-Trophäe, drei Matchbälle hätte er nicht verwandelt. Und man muss davon ausgehen, dass diese dritte Niederlage im WM-Duell ein Trauma werden könnte, ein mentaler Tiefschlag. Dann werden nicht nur Experten, sondern wohl auch er selbst sich fragen: Kann ein Rosberg jemals einen Hamilton schlagen?

 

Ferrari: Als Mercedes-Jäger Nummer eins in Melbourne gestartet, als Dauergeschlagener in Abu Dhabi angekommen. Aus der stolzen Scuderia ist ein bemitleidenswerter Haufen geworden. Chancenlos gegen die Silberpfeile, gedemütigt von Red Bull. Diese Misere setzt auch Vierfach-Weltmeister Sebastian Vettel zu, der gegenüber Medien dünnhäutig reagiert und nicht wie früher charmant verschmitzt. Der sich am Funk über Max Verstappens Fahrweise beschwert und Rennleiter Charlie Whiting auffordert, den bösen Buben zu bestrafen. Nicht souverän. Dass der mächtige Ferrari-Chef Sergio Marchionne ständig übers Team lästert und Teamchef Fabrizio Arrivabene fast täglich um den Job bangen muss, passt ins verworrene Bild.

Pascal Wehrlein: Mercedes hat den Worndorfer protegiert und ihn in die Formel 1 manövriert – völlig zurecht, schließlich hat der Schwabe nicht nur mit dem DTM-Titel 2015 gezeigt, dass das Vertrauen gerechtfertigt war. Dass er im Manor hinterher fahren würde, hat jeder gewusst; man wollte sehen, wie Wehrlein ein Auto entwickeln, ein Team führen und motivieren kann. Doch als ein Force-India-Cockpit für 2017 frei wurde, beförderte Mercedes nicht Wehrlein, sondern den ungeliebten Teamkollegen Esteban Ocon in den erfolgreicheren Rennstall. Das muss der 22-Jährige jetzt verdauen, außerdem ist bislang noch nicht klar, ob sein Vertrag bei Manor über 2016 hinaus verlänger wird.

Strafenkatalog: Die Formel 1 hat sich im Zuge von asphaltierten Auslaufzonen, inflationären Strafen und strikter Regulierung des Renngeschehens in eine gefährliche Situation manövriert, in der die Glaubwürdigkeit riskiert wird. Kein Rennen, in dem die Stewards keine Untersuchung einleiten – sie haben mehr zu rügen als die deutsche Autobahnpolizei: Vorteil durch Verlassen der Strecke, mehrfacher Fahrlinienwechsel, Behinderung, Kollision ... Für die Fahrweise von Max Verstappen wurde eine Lex Max verabschiedet (die offiziell nicht so heißt). Niki Lauda poltert: „Was soll eine Überholregel? Das müssen die Fahrer unter sich ausmachen.“ Was die Spitze der Unerträglichkeit darstellt: Mal wird eine Aktion bestraft, mal eine ähnliche nicht – Sebastian Vettel wurde für einen Vorfall zur Rechenschaft gezogen, der zuvor lässig durchging. Neue Freunde macht sich die Formel 1 so nicht und die alten Fans werden zunehmend verärgert.

Der Große Preis von Europa in Baku: Aserbaidschan in Asien hat gegenüber den meisten Traditionsstrecken in Europa einen fetten Vorteil: Die Finanzierung ist so sicher wie Fort Knox. Während die Formel 1 für Streckenbetreiber in Monza, Hockenheim und Spa zum finanziellen Drahtseilakt ohne Netz wird, brauchen sich die Bosse in Baku keine Sorgen machen. Wie in Russland kommt die Regierung für die Antrittsgebühren auf, die bei 20 Millionen Euro liegen dürften. Also stört es Baku-Promoter Arif Rahimov auch nicht, dass die Kapazität der Rennstrecke überschaubar ist, Motorsport-Euphorie ist nicht nötig, wenn bei Bernie Ecclestone die Kasse stimmt. Der Baku City Circuit bietet lediglich 20 000 Sitzplätze und 10 000 Fans können das Rennen stehend verfolgen. Hockenheim braucht mindestens 50 000 zahlende Zuschauer, damit wenigstens die schwarze Null steht. Das Thema ist bekannt: Es droht der Formel-1-Ausverkauf in Europa – aber immerhin gibt es noch einen Großen Preis von Europa. In Baku, in Asien.

Der Regen: Sicher, ein Grand Prix unterm Regenschirm oder eingehüllt in ein dünnes Cape ist nicht das, wovon Formel-1-Zuschauer träumen, wenn sie 300 Euro für ein Wochenend-Ticket auf einer unüberdachten Tribüne bezahlt haben. Das Getränk wird wässrig und die Currywurst schwimmt in der Pappschale. Doch als kleine Gegenleistung werden diese harten Burschen und Mädels mit erstklassigen Darbietungen auf der nassen Piste belohnt. Der Große Preis in Brasilien, wo es so stark goss, dass Pessimisten schon Pläne für eine Arche in der Schublade suchten, war höchst unterhaltsam mit waghalsigen Überholmanövern, wilden Drehern, erstaunlichen Ausritten und (zum Glück glimpflich verlaufenen) Kollisionen. Der Große Preis war auch ein TV-Renner – RTL freute sich über die beste Quote seit über drei Jahren. Im Schnitt verfolgten 6,83 Millionen Zuschauer das Spektakel, der beste Wert seit Monaco 2013. Beim Fallen der Zielflagge um 20.10 Uhr waren sogar 7,98 Millionen Menschen live am Fernseher dabei.

2. Die Verlierer

Lewis Hamilton oder Nico Rosberg: Derjenige, der nicht in der Rubrik Gewinner auftaucht, wird seinen Namen hier wiederfinden. Wobei Lewis Hamilton nur deshalb ein Verlierer ist, weil ihm der Gewinn des vierten Titels nicht gelungen ist. Sollte aber Nico Rosberg „bloß“ wieder Vize werden, ist er ein echter Verlierer – so nah hatte er die Hände noch nie an der Weltmeister-Trophäe, drei Matchbälle hätte er nicht verwandelt. Und man muss davon ausgehen, dass diese dritte Niederlage im WM-Duell ein Trauma werden könnte, ein mentaler Tiefschlag. Dann werden nicht nur Experten, sondern wohl auch er selbst sich fragen: Kann ein Rosberg jemals einen Hamilton schlagen?

Ferrari: Als Mercedes-Jäger Nummer eins in Melbourne gestartet, als Dauergeschlagener in Abu Dhabi angekommen. Aus der stolzen Scuderia ist ein bemitleidenswerter Haufen geworden. Chancenlos gegen die Silberpfeile, gedemütigt von Red Bull. Diese Misere setzt auch Vierfach-Weltmeister Sebastian Vettel zu, der gegenüber Medien dünnhäutig reagiert und nicht wie früher charmant verschmitzt. Der sich am Funk über Max Verstappens Fahrweise beschwert und Rennleiter Charlie Whiting auffordert, den bösen Buben zu bestrafen. Nicht souverän. Dass der mächtige Ferrari-Chef Sergio Marchionne ständig übers Team lästert und Teamchef Fabrizio Arrivabene fast täglich um den Job bangen muss, passt ins verworrene Bild.

Pascal Wehrlein: Mercedes hat den Worndorfer protegiert und ihn in die Formel 1 manövriert – völlig zurecht, schließlich hat der Schwabe nicht nur mit dem DTM-Titel 2015 gezeigt, dass das Vertrauen gerechtfertigt war. Dass er im Manor hinterher fahren würde, hat jeder gewusst; man wollte sehen, wie Wehrlein ein Auto entwickeln, ein Team führen und motivieren kann. Doch als ein Force-India-Cockpit für 2017 frei wurde, beförderte Mercedes nicht Wehrlein, sondern den ungeliebten Teamkollegen Esteban Ocon in den erfolgreicheren Rennstall. Das muss der 22-Jährige jetzt verdauen, außerdem ist bislang noch nicht klar, ob sein Vertrag bei Manor über 2016 hinaus verlänger wird.

Strafenkatalog: Die Formel 1 hat sich im Zuge von asphaltierten Auslaufzonen, inflationären Strafen und strikter Regulierung des Renngeschehens in eine gefährliche Situation manövriert, in der die Glaubwürdigkeit riskiert wird. Kein Rennen, in dem die Stewards keine Untersuchung einleiten – sie haben mehr zu rügen als die deutsche Autobahnpolizei: Vorteil durch Verlassen der Strecke, mehrfacher Fahrlinienwechsel, Behinderung, Kollision ... Für die Fahrweise von Max Verstappen wurde eine Lex Max verabschiedet (die offiziell nicht so heißt). Niki Lauda poltert: „Was soll eine Überholregel? Das müssen die Fahrer unter sich ausmachen.“ Was die Spitze der Unerträglichkeit darstellt: Mal wird eine Aktion bestraft, mal eine ähnliche nicht – Sebastian Vettel wurde für einen Vorfall zur Rechenschaft gezogen, der zuvor lässig durchging. Neue Freunde macht sich die Formel 1 so nicht und die alten Fans werden zunehmend verärgert.

Der Große Preis von Europa in Baku: Aserbaidschan in Asien hat gegenüber den meisten Traditionsstrecken in Europa einen fetten Vorteil: Die Finanzierung ist so sicher wie Fort Knox. Während die Formel 1 für Streckenbetreiber in Monza, Hockenheim und Spa zum finanziellen Drahtseilakt ohne Netz wird, brauchen sich die Bosse in Baku keine Sorgen machen. Wie in Russland kommt die Regierung für die Antrittsgebühren auf, die bei 20 Millionen Euro liegen dürften. Also stört es Baku-Promoter Arif Rahimov auch nicht, dass die Kapazität der Rennstrecke überschaubar ist, Motorsport-Euphorie ist nicht nötig, wenn bei Bernie Ecclestone die Kasse stimmt. Der Baku City Circuit bietet lediglich 20 000 Sitzplätze und 10 000 Fans können das Rennen stehend verfolgen. Hockenheim braucht mindestens 50 000 zahlende Zuschauer, damit wenigstens die schwarze Null steht. Das Thema ist bekannt: Es droht der Formel-1-Ausverkauf in Europa – aber immerhin gibt es noch einen Großen Preis von Europa. In Baku, in Asien.