Legale Strecken und Konzepte für Mountainbiker fehlen weiterhin, obwohl man seit langem daran arbeitet. Zum Frühlingsbeginn schwingen sich aber Tausende auf die Räder.

Der Frühling klopft bereits an und mit dem wärmeren Wetter stehen Stuttgarts Mountainbiker und Mountainbikerinnen in den Startlöchern. Nur das Angebot lässt weiter auf sich warten. Die Mühlen der Bürokratie sind zwar in Gang gekommen, mahlen aber langsam. Mehreren Tausend Sportlern stehen aktuell null legale Strecken in der Landeshauptstadt gegenüber. An Konzepten wird weiter gearbeitet.

 

Mit den ersten Sonnenstrahlen treibt es längst nicht mehr nur Spaziergänger in Stuttgarts Wälder. Erholung und Naturerlebnisse verbinden viele Menschen mit sportlichen Aktivitäten, sei es Klettern, Trailrunning oder eben sich aufs Mountainbike zu schwingen und durch Wälder und über Wiesen zu radeln. Für Letzteres bietet die Landeshauptstadt dank ihrer Lage und massig Grün optimale Bedingungen. Seit Jahren wächst die Mountainbike-Szene, die keinesfalls eine homogene ist, denn während einige gern Downhill fahren und dabei steile Hänge hinabsausen, treten andere den Berg hinauf und wiederum andere mögen einfach nur lange Touren durchs Gelände. Die Liste der Disziplinen und Radtypen ist lang. Weitaus größer ist die Zahl der Sportler. Tausende sollen es allein in der Landeshauptstadt sein. „Unser Verein hat 1500 Mitglieder, aber Mountainbiker sind eigentlich keine Vereinsmenschen“, sagt Benedikt Herré, erster Vorsitzender von Mountainbike Stuttgart. Der Verein schätzt ihre Gesamtzahl auf 60 000 in und um Stuttgart. „Mountainbiking ist heute ein Breitensport und wenn man nichts legalisiert, wird es illegal betrieben. Es ist Humbug, sich hinter Gesetzestexten zu verstecken“, sagt Herré. Denn ein kleiner aber nicht unbeträchtlicher Teil der Sportler bewegt sich in Wald und Flur.

Förster klagen über illegale Trails

Illegale Trails an der Dischinger Burg, in Botnang, im Silberwald oder im Fasanengarten sorgen immer wieder für Ärger. Vor allem bei Förstern, die über Schäden klagen, denn einige Sportler modifizieren die Strecken, bauen etwa Schanzen.

Dem Buddel- und Bewegungsdrang einiger Biker steht gegenüber, dass 95 Prozent des Stuttgarter Waldes einen Schutzcharakter haben, teilt die Stadtverwaltung mit. Landschaftsschutzgebiet, Naturschutzgebiet, Waldrefugium oder Fauna-Flora-Habitat-Gebiet (FFH-Gebiet): die Liste ist lang. Zudem sind alle Pfade, die schmaler als zwei Meter sind, per Gesetz tabu.

Viele Biker ärgern sich über die permanente Kriminalisierung. In sozialen Medien verschaffen sie sich seit langem Luft. Um an der Schaffung legaler Rahmenbedingungen beteiligt zu werden, haben die Biker in Stuttgart im März 2020 den Verein gegründet. Sie sitzen mit am Tisch, wenn über das „Freizeitkonzept Stuttgarter Wald“ diskutiert wird. In Gang gekommen ist die Initiative mit dem Auftakttreffen am 15. Dezember 2020. Das Format wurde geschaffen, „damit der gestiegene Erholungsdruck auf den Stuttgarter Wald zukünftig besser gelenkt werden kann. Im Beteiligungsprozess sind rund 20 Verbände, Institutionen, Bürgerinitiativen sowie die Verwaltung der Landeshauptstadt vertreten“, heißt es von Seiten der Stadt. Ursprünglich angekündigt war das Ergebnis für Anfang 2022. Doch scheint man noch etwas entfernt von guten Nachrichten.

Alles dauert sehr lang

Denn parallel hatte die Verwaltung ein externes Büro mit der Erstellung eines Freizeitkonzepts für den Stuttgarter Wald beauftragt. Dieses analysiert, wo Mountainbike-Trails realisiert werden können, aber auch Angebote für alle anderen Waldnutzer. „Das Konzept liegt noch nicht in der Endfassung vor, ist aber kurz vor Fertigstellung“, heißt es aus der Verwaltung. Man habe die drängende Frage erkannt.

Die Realität zeigt jedoch, was das bedeuten kann. Mindestens acht Jahre hat es gedauert, bis der Woodpecker Trail zwischen Degerloch und dem Stuttgarter Süden 2015 einen zweijährigen Testlauf erhalten hat. Seitdem wird er lediglich geduldet. „Die Entscheidung über einen künftig möglichen Dauerbetrieb soll im Rahmen des derzeit entstehenden Freizeitkonzepts für den Stuttgarter Stadtwald getroffen werden“, so die offizielle Begründung.

In Botnang werden aktuell drei Trails von Sportlern genutzt, die zumindest Aussicht darauf haben, legalen Status zu erhalten. „2021 hat das Garten-, Friedhofs- und Forstamt für diese drei Trails ein artenschutzrechtliches Gutachten in Auftrag gegeben“, erklärt Pressesprecher Martin Thronberens. Dieses würde allerdings, bedingt durch die Brutzeit, erst im Mai oder Juni 2022 vorliegen. „Im Anschluss daran prüft die untere Naturschutzbehörde (UNB) die Genehmigungsfähigkeit dieser Trails, da diese in einem Landschaftsschutzgebiet liegen“, sagt er. Das kann auch noch dauern. Beliebt bei Mountainbikern ist das Gebiet um die Dischinger Burg in Weilimdorf, weil die Strecke viele anspruchsvolle Abschnitte für Downhill-Fans hat. Hier gab es in der Vergangenheit den meisten Ärger und es ist fraglich, ob die Strecke legalisiert wird.

„Kniehohe Seilschranken“

„Im Rahmen des Freizeitkonzepts für den Stuttgarter Wald, bei dem neben Mountainbikeverbänden, Naturschutzverbänden, Bürgerinitiativen auch die untere Forstbehörde und die untere Naturschutzbehörde beteiligt sind, wurden im gesamten Stadtbereich besonders schützenswerte Gebiete ausgemacht“, teilt die Stadt mit. Auf die Sensibilität des Gebiets hinweisen will man jetzt mit einer entsprechenden Beschilderung. Stellenweise sollen kniehohe Seilschranken errichtet werden. „Es wird an alle Waldbesuchende appelliert, dieses Waldgebiet aus Naturschutzgründen zukünftig nicht mehr zu betreten oder zu befahren“, erklärt Martin Thronberens.

Auch Benedikt Herré hat seine Zweifel ob es mit der Dischinger Burg klappt. Für die hoch frequentierte Strecke brauche es aber eine Alternative. Klar müsse sein, dass es mit nur einem Trail nicht getan sei angesichts der Zahl der Radsportfans.