Erst das Hochwasser und nun die Mückenplage: Am Bodensee breiten sich Stechmücken gerade explosionsartig aus. Darunter sind besonders aggressive Exemplare. Urlauber aufgepasst: Es wird richtig übel jucken!
Nach dem Hochwasser und durch das schwüle Wetter in Süddeutschland haben Stechmücken einem Experten zufolge derzeit leichtes Spiel. Am Bodensee könne man schon von einer Mückenplage sprechen, sagt Rainer Bretthauer. Dem Umwelt- und Klimaschutzbeauftragten der Stadt Radolfzell am Bodensee zufolge bieten die Überschwemmungen perfekte Bedingungen für die Eiablage. Die Folge: massenhaft Nachwuchs.
„Während der Dämmerung werden sie bissig“
Bodensee-Touristen und Anwohner sollten sich wappnen, durch angepasste Kleidung etwa, sagte der Experte. Locker sitzende, lange Kleidung sei zu empfehlen. Auch die Zeit spiele beim Aufenthalt draußen eine Rolle. „Während der Dämmerung bei mehr als 18 Grad werden sie bissig.“
Für viele Tiere sind die Mücken dem Naturschutzbund (Nabu) zufolge etwas Gutes. „Die ganzen Insekten, die sich jetzt entwickeln, sind eine ganz wichtige Nahrungsgrundlage für viele Fischarten und auch für Vögel“, erklärt Eberhard Klein vom Nabu in Konstanz. Deshalb könne man auch nicht von einer Plage sprechen.
Penetrant auf Blutjagd
In Deutschland sind rund 50 Steckmückenarten bekannt. Ein Teil davon wird zu den sogenannten Überschwemmungsmücken gerechnet, die vermehrt nach Überflutungen schlüpfen. Experten zufolge sind die kleinen Insekten besonders penetrant auf Blutjagd, da sie sich schnell fortpflanzen müssen, bevor die günstigen Bedingungen wieder verschwinden.
Überschwemmungsmücken legen ihre Eier gern auf feuchtem Boden ab, oft in Uferzonen und Flussauen. Dort können sie mehrere Jahre im Boden überdauern. Wenn die Ablageorte überflutet werden und die Temperatur günstig ist, beginnt die Entwicklung vom Ei zur stechfreudigen Mücke. Bei großflächigen Überschwemmungen kann es zum Massenschlupf kommen.
Lernen, mit Mücken zu leben
„Die Larven konnten sich durch das trockene Wetter nach dem Hochwasser gut entwickeln und sind jetzt ziemlich aktiv“, sagte Bretthauer. Bis Mitte September seien Stechmücken präsent.
Die Devise daher: lernen, mit ihnen besser zu leben. „Ich lasse mich stechen, kratze aber nicht“, betont Bretthauer. Man müsse nur 20 bis 30 Minuten durchhalten, solange halte der Juckreiz an. „Das zu überstehen, schaffen die meisten aber nicht.“
Mücken-Mythen
Der Biologe räumt auch mit einem gängigen Irrglauben auf. „Mücken werden nicht von Licht angezogen“, erläutert er. Die Bodensee-Schnaken würden sich am Kohlendioxid der Atemluft und an Körperwärme orientieren. Deshalb flögen sie bei offenem Fenster in die Häuser und Camper – und nicht, weil dort Licht brennt.
Und der Experte hat noch einen Tipp: „Wenn man sich draußen aufhält und feiern will, dann sollte man keine kohlensäurehaltigen Getränke zu sich nehmen.“ Heißt etwa: Wein statt Bier und stilles Wasser statt Sprudel. Die Kohlensäure werde über die Haut und den Atem freigesetzt. Das locke die Mücken dann noch stärker an.
Warum stechen Mücken?
Es stechen nur die Mückenweibchen. Sie benötigen ein bestimmtes Eiweiß, das sich in unserem Blut befindet, um nach der Befruchtung Eier zu bilden.
Was geschieht, wenn eine Mücke zusticht?
Nicht alle Mücken sind mit Erregern infiziert. Laut Deutschem Mückenatlas, einem bundesweiten wissenschaftlichem Mitmachprojekt des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF), des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) und des Instituts für Infektionsmedizin (IMED) der Universität Kiel, können sich die Mückenweibchen erst beim Blutsaugen an einem Wirt anstecken, der Krankheitserreger in sich trägt. Beim nächsten Saugakt können sie die Erreger weitergeben.
Warum jucken Mückenstiche?
Das liegt nach Aussage des Dermatologen Martin Metz vom Institut für Allergieforschung der Berliner Charité daran, dass Mücken beim Stechen Speichel abgeben, dessen Proteine in unserem Körper bestimmte Abwehrzellen aktivieren.
Diese Zellen setzen unter anderem den Botenstoff Histamin frei. Der wiederum dockt an Stellen im umliegenden Gewebe an und reizt die in der Haut liegenden Enden von Nervenfasern.
Was hilft gegen Mückenstiche? Nicht kratzen
Die spontane Reaktion auf das nervige Gejucke: kratzen. Das sei vom Körper so gewollt, erläutert der Dermatologe Martin Metz vom Institut für Allergieforschung der Berliner Charité. „Eigentlich soll durch das Kratzen ein möglicher Fremdkörper aus der Haut entfernt werden.“
Kratzen lindert tatsächlich vorübergehend. Metz: „Der Schmerzreiz unterdrückt den Juckreiz.“ Hört man aber auf zu kratzen, lässt der Schmerz nach – und das Jucken beginnt meist von vorne. Also kratzt man wieder, mitunter bis es blutet. Dann können Bakterien in die Wunde gelangen und diese kann sich entzünden.
Hitze lindert den Juckreiz
Gegen Mückenstiche hilft Hitze: Dazu einen Löffel oder ein Messer erhitzen und auf die Stichstelle drücken.
In Apotheken gibt es batteriebetriebene Wärmestifte, deren Kontaktfläche auf den Stich gedrückt wird. Dieser Stichheiler erwärmt den Mückenstich für wenige Sekunden auf etwa 50 Grad Celsius.
Die Hitze könne die Symptome durchaus reduzieren, sagt der Dermatologe Heiko Grimme vom Hautzentrum am Kurpark in Stuttgart. Die Nerven in der Haut reagierten sensibel auf Überwärmung, die Reizweiterleitung werde abgeschaltet und dadurch das Jucksignal nicht mehr an das Gehirn weitergeleitet.
Cremes und Salben kühlen
Laut Landesapothekerkammer Baden-Württemberg kann man Entzündungen mit kühlenden Cremes und kortisonhaltigen Salben behandeln. Sind es viele große Mückenstiche, muss eventuell kurzzeitig ein Antihistaminikum oder Kortison eingenommen werden.
Bei einer schweren bakteriellen Infektion werden Antibiotika verabreicht. Das Kühlen der juckenden Haut verlangsame die Entzündungsprozesse und beeinflusse die Weiterleitung des Juckreizes über die Nervenbahnen, erklärt Grimme. „Allerdings hilft das Kühlen vor allem während der Anwendung.“