Obwohl sich Stadt und Abfallwirtschaft sehr bemühen, quellen an beliebten Orten wie dem Stuttgarter Marienplatz regelmäßig die Mülltonnen über. Einige nehmen das Problem selbst in die Hand.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-Süd - Kippen im Sandkasten, Scherben im Plantschbrunnen für Kleinkinder – irgendwann war für Bezirksvorsteher Raiko Grieb, selbst Vater kleiner Kinder, das Maß voll. „Es kann nicht sein, dass der Platz sonntags aussieht wie die Sau!“ Man brauche eine Art Müll-Hot-Line, die im Notfall die Überbleibsel von Saufgelagen vom Kinderspielplatz räumt. „Es fehlt ein Ansprechpartner bei der Stadt“, findet Grieb.

 

Einerseits ist er ja stolz, dass der Marienplatz einer der beliebtesten und belebtesten Plätze der Stadt ist. Die offene Gestaltung lädt zu allerlei Vergnügungen ein. Der Ort ist Party- und Flaniermeile, Marktplatz, Bühne, Laufsteg, Picknick- und Spielwiese in einem. Aber die Leute hinterlassen auch Dreck. Das ist im wahrsten Wortsinn die Kehrseite der Belebung.

Empörte Bürger

Die etwa ein Dutzend Mülleimer, die den Platz dekorieren, sind bis zum späten Abend meist randvoll. Durchschnittlich fallen pro Tag um die 900 Liter Müll an. Die Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS) rückt täglich an zum Leeren und Reinigen. Und trotzdem gleicht der Marienplatz an manchem Sonntagmorgen einer WG-Küche nach langer Partynacht. Das ist auch andernorts in der Stadt kaum besser. Ein empörter Leser schrieb dieser Tage an die Redaktion: „Heute mittag war ich mit zwei internationalen Geschäftspartnern auf dem Weg vom Marktplatz durch den Schlossgarten ins Brauhaus!! Ich bin in den Boden versunken; dieser Müll; überlaufende Mülleimer; Dreck. Es ist eine Schande!“

Bezirksvorsteher Raiko Grieb will die Verhältnisse im Süden ändern und hat daher einen Runden Tisch einberufen, an dem kürzlich neben Vertretern der Stadt, der AWS, der Initiative Weniger Müll und des Handels-, Gewerbe- und Dienstleistungsvereins für den Stuttgarter Süden auch angrenzende Gewerbetreibende Platz nahmen. Bei den meisten Geschäftsinhabern rannte Grieb offene Türen ein. Denn ihnen sind Abfälle vor dem Laden und überquellende Müllbehälter natürlich auch nicht recht, weil das unappetitlich ist aber auch aus ökologischen Gründen.

Verzicht auf Plastiklöffel

Martina Schneider, Chefin der Pizzeria La Signorina, hat beschlossen, keine Pizza-To-Go mehr anzubieten für Leute, die auf dem Platz essen. So will sie Müll vermeiden. Wer essen möchte, möge sich ins Lokal Platz setzen oder seine Pizza mit heim nehmen. „Es geht auch darum, das Bewusstsein zu schärfen für den Müll, den man produziert“, sagt Schneider. Francesco Troiano von der Eisdiele nebenan will künftig auf Plastiklöffel verzichten und umweltverträglichere aus Maisstärke ausgeben.

Außerdem leeren die Gastwirte den Mülleimer vor der Eisdiele selber, sollten die Müllwirtschaftler damit nicht nachkommen. Die AWS hat den Wirten daher die Schlüssel für die Tonne überlassen. Bezirksvorsteher Grieb hofft, dass die Initiativen Einzelner nicht nur helfen, Müll zu vermeiden, sondern, dass sie auch Vorbildcharakter entfalten und auf den Kern des Problems aufmerksam machen. Dann könne sich eine Art „Knigge“ beim Umgang mit eigenen Abfällen etablieren.

Aus dem Runden Tisch folgert ferner, dass am Marienplatz ein Presshai aufgestellt wird. Laut AWS wurde das solarbetriebene Modell jüngst ins Sortiment aufgenommen und schnappt in Stuttgart bislang ein Mal zu – nahe der Stiftskirche. Geplant sind 15 weitere Standorte, die noch festgelegt werden. „Der in Stuttgart getestete oberirdische Abfall-Presshai hat ein Fassungsvermögen je nach Abfallart von bis zu 700 Liter“, erläutert AWS-Sprecherin Annette Hasselwander. Die größten Tonnen, die bisher am Marienplatz stehen, verschlingen gerade mal 90 Liter. Der Presshai solle zum Einsatz kommen, wo viel Müll anfällt aber der Einbau unterirdischer Behälter nicht möglich ist. Das ist am Marienplatz der Fall, weil sich darunter eine Bunkeranlage aus dem Zweiten Weltkrieg befindet.

Man gewinnt den Eindruck, AWS, Verwaltung, Anrainer und Veranstalter kümmern sich gut um den Platz. Und nach großen Feten wie dem Marienplatzfest vergangene Woche mit seinen überwiegend lokalen Akteuren ist am Vormittag meist alles wieder besenrein. Der Platz wird gut gepflegt, er ist Herz und gute Stube des Bezirks. Allein der stetig steigende Zuwachs seiner Nutzer und Besucher macht es schwieriger, ihn sauber zu halten.