Die Nachfrage der Bürger nach der gelben Tonne ist hoch, zudem soll im Jahr 2019 das neue Verpackungsgesetz in Kraft treten: Wird der gelbe Sack in Stuttgart ersetzt?

Architektur/Bauen/Wohnen: Andrea Jenewein (anj)

Stuttgart - Horst G. (Name von der Redaktion geändert) hat die Nase voll. Denn die Gelben Säcke, die die Nachbarn vom Vorderhaus in ihrem Hinterhof lagern, stinken zum Himmel. Und nicht nur das. Der Gestank wabert in der Sommerhitze bis auf seine Terrasse hinüber, von der aus er, während er am Tisch sitzt und sein Abendbrot isst, den Mäusen dabei zuschauen kann, wie sie sich an den Essensresten im Verpackungsmüll laben. „Das geht gar nicht, dass sich durch die Lagerung der Gelben Säcke hier das Ungeziefer vermehrt“, sagt er. Denn die Mäuse sind über die offene Terrassentür auch schon zu ihm in die Wohnung gehuscht.

 

Das Amt für öffentliche Ordnung erreichen sogar „immer wieder Meldungen über Rattenvorkommen, die aufgrund nicht ordnungsgemäß gelagerter Gelber Säcke auftreten“, sagt Stefan Kinkelin. „Wir schreiben dann die jeweiligen Grundstücks-/Gebäudeeigentümer an und bitten darum, auf eine ordnungsgemäße Lagerung hinzuwirken und Rattenbekämpfungsmaßnahmen durch eine Fachfirma durchführen zu lassen.“ Was indes eine ordnungsgemäße Lagerung ist, dazu „gibt es keine detaillierten Vorgaben. Die Säcke müssen so gelagert werden, dass keine Ratten drankommen.“

Die gelbe Tonne als Alternative zum gelben Sack

Das kann sich schwierig gestalten. Denn wohin mit den vollen Säcken, die sich innerhalb der drei Wochen bis zur nächsten Abholung ansammeln? Sowohl im Hinterhof als auch im Keller kann Ungeziefer angelockt werden, in der Wohnung aber will man den Müll freilich auch nicht stapeln. Eine Lösung ist, die Säcke irgendwo hochzuhängen, so dass keine Tiere drankommen. Aber das ist auch nicht immer und überall möglich.

„Es muss etwas anderes her als der Gelbe Sack“, sagt Horst G., der im Stuttgarter Süden wohnt. Er verweist auf den Rems-Murr-Kreis, in dem es statt der Gelben Säcke Gelbe Tonnen gibt. „Durch eine solch geschlossene Tonne wäre in Stuttgart sowohl das Geruchs- als auch das Ungezieferproblem weitgehend gelöst“, sagt er. Zudem nennt er noch weitere Vorteile: „Durch die Tonnen sieht es sowohl im Hinterhof als auch vor der Abholung auf den Straßen aufgeräumter aus, und die Tonnen können – anders als die Säcke – weder weggeweht noch aufgestochen werden.“ Annette Hasselwander, Pressesprecherin der Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS), bestätigt, dass es immer wieder Probleme mit Säcken gibt, die zu früh auf die Straße gestellt werden. Als Brennpunkte nennt sie den Löwenmarkt in Weilimdorf, die Straßburger/Elsässer Straße in Zuffenhausen, die Nordbahnhofstraße in Stuttgart-Nord, den Jakob-Heine-Platz in Bad Cannstatt, die Liststaffel in Stuttgart-Süd sowie die Schloss-/Johannesstraße in Stuttgart-West.

In Stuttgart muss man für die gelbe Tonne zahlen

Im Rems-Murr-Kreis gibt es in der Tat die Gelbe Tonne, in Stuttgart indes hatte sich die Stadt vor der Privatisierung des Rücknahmesystems 1993 für den Gelben Sack entschieden – der Sack wurde danach beibehalten. Wollte man aktuell vom Gelben Sack zur Gelben Tonne wechseln, müsste darüber ein Konsens zwischen der Stadt Stuttgart und dem Grünen Punkt sowie den anderen Betreibern Dualer Systeme erzielt werden, sagt Norbert Völl, Pressesprecher bei Der Grüne Punkt. Allerdings fällt den Kommunen durch das neue Verpackungsgesetz dahingehend ein erweitertes Mitspracherecht zu: Sie können gegenüber den Dualen Systemen die Art und Größe der Sammelbehälter vorgeben, sofern es sich um Standard-Sammelbehälter handelt.

Für das Duale System wäre die Ausgabe von Gelben Tonnen an die Stuttgarter Haushalte freilich ein Kostenpunkt. Eine weitere Sache, die in den Augen der Firma gegen die Tonnen spricht, seien die Fehlwürfe. „Das neue Verpackungsgesetz, das 2019 kommt, gibt uns vor, dass die Sammelqualität besser werden muss“, sagt Völl. Bei den durchsichtigen Gelben Säcken könne schon beim Einsammeln erkannt werden, welche falsch befüllt seien.

Mit dem Einsammeln der Gelben Säcke ist in Stuttgart über eine Ausschreibung die Firma Schaal und Müller beauftragt worden, und zwar für den Zeitraum 2017 bis 2019. Im Monat werden rund 1,2 Millionen Gelbe Säcke ausgegeben, sagt Ralf Müller, einer der beiden Chefs der Firma Schaal und Müller. Kein Wunder bei 1000 Tonnen Gelber-Sack-Abfall, die im Monat eingesammelt werden.

Immer öfter, so Müller, habe er Anfragen von Stuttgartern, die eine Gelbe Tonne wollten. „Wir können allerdings keine an Privatpersonen ausgeben – das ist von der Stadt auch nicht gewünscht.“ Nur große Wohnanlagen können in Stuttgart eine Gelbe Tonne bekommen. Manche Bürger greifen deshalb zur Notwehr und kaufen sich privat Gelbe Tonnen im Internet. Alle anderen müssen mit dem Gelben Sack vorliebnehmen.

Und daran soll sich auch künftig nichts ändern: In der Landeshauptstadt soll nach aktuellem Planungsstand das derzeitige Sammelsystem Gelber Sack beibehalten werden. Und das, obwohl es durchaus eine Nachfrage nach der Gelben Tonne zu geben scheint und obwohl 2019 das Verpackungsgesetz in Kraft treten wird, dessen erklärtes Hauptziel ist, Verpackungsabfälle zu vermeiden und mehr aus privaten Haushalten zu recyceln. Der Grund: „Nach der flächendeckenden Einführung der Pflichtbiotonne würde eine zusätzliche Wertstofftonne in Stuttgart größte Standplatzprobleme mit sich bringen“, so Hasselwander. Schließlich habe man sich schon in den 1990er Jahren wegen des Platzmangels für den Gelben Sack statt für die Tonne entschieden. Sie verweist zudem auf die vorhandenen Wertstoffhöfe und das Wertstoffmobil, durch die dem Verpackungsgesetz Genüge getan wäre. Sprich: Für den Bürger in Stuttgart ändert sich bezüglich des Mülls vorläufig voraussichtlich nichts. Bei Horst G. tanzen die Mäuse auf dem Terrassen-Tisch.

Beschwerden zum Gelben Sack: Service-Hotline Gelber Sack Schaal und Müller: 08 00 / 7 78 85 00; Service-Hotline AWS-Kundenservice: 07 11 / 2 16 - 8 87 00.