Der Landkreis Ludwigsburg hat für den Wechsel vom Rund-und-Flach-System auf die scharfe Trennung von reinem Papier und Glas sowie Verpackungsabfällen vor zweieinhalb Jahren anfangs eine Menge Prügel einstecken müssen. Bürger beschwerten sich über Tonnen, die nicht abgeholt würden, und Sammelkörbe, die nicht ausreichend dimensioniert seien. Der Ärger ist inzwischen verraucht, das System hat sich längst eingespielt. Aus der Abfallbilanz für 2023, die bei der Aufsichtsratssitzung der kreiseigenen Abfallverwertungsgesellschaft (AVL) am Dienstag präsentiert wurde, ging zudem hervor, dass immer weniger Material auf den Deponien landet. Und das nimmt bei einem weiteren Aufregerthema die Luft heraus.
Ball an die Region weitergespielt
Hohe Wellen hatte vor zwei Jahren die Nachricht geschlagen, dass in Großbottwar oder Hemmingen eine neue Erddeponie entstehen könnte. Das war das Ergebnis einer Untersuchung, die der Landkreis hinter den Kulissen angeschoben hatte. Die Verantwortlichen wollten damit sicherstellen, dass mineralische Abfälle auch dann noch entsorgt werden können, wenn die Kapazitäten auf den beiden bestehenden Deponien erschöpft sind. Nach heftigen Protesten aus den betroffenen Kommunen wurde jedoch beim Suchlauf eine Vollbremsung eingelegt – und der Ball dem Verband Region Stuttgart zugespielt, der nun in seinem gesamten Zuständigkeitsbereich nach einem geeigneten Standort Ausschau halten wird.
Und wie Landrat Dietmar Allgaier in der AVL-Aufsichtsratssitzung hervorhob, pressiert es in der Frage nun dank der abnehmenden Anlieferungsmengen im Kreis Ludwigsburg nicht mehr so gewaltig. Denn dadurch „verlängert sich natürlich die Laufzeit unserer Deponien“, konstatierte er. „Das entlastet natürlich ein Stück weit zeitlich betrachtet die weiteren Planungen des Verbands Region Stuttgart“, fügte der Landrat hinzu.
Der Rückgang der Abgabemengen ist durchaus erklecklich – und alles andere als Peanuts. Zur Deponie Burghof in Vaihingen an der Enz wurden im vergangenen Jahr 162 832 Tonnen mineralische und sonstige Abfälle gekarrt und damit rund 100 000 Tonnen weniger als im Vorjahr. Ähnlich das Bild am Schwieberdinger Froschgraben. Dort landeten zuletzt rund 114 000 Tonnen Material, was einem Minus von etwa 80 000 Tonnen entspricht. Zu begründen sei der Rückgang mit „der insgesamt schwachen Baukonjunktur“ sowie ausbleibenden Aufträgen im Bausektor, heißt es in der Vorlage zu der Sitzung. Der Zusammenhang besteht darin, dass die Stoffe, die zu den Deponien gefahren werden, zum Beispiel von Abbrucharbeiten an Häusern stammen.
Wegen Digitalisierung sinkt der Papierverbrauch
Signifikant bei der Abfallbilanz ist zudem, dass sukzessive weniger Papier in die Mülltonnen geworfen wird. 2023 waren knapp 31 000 Tonnen wiederverwertet worden. Das sind 6,7 Prozent weniger als im Vorjahr. „Daran merkt man, dass die Digitalisierung zunimmt. Das ist aber eine Entwicklung über alle Landkreise hinweg“, erklärte Sebastian Löschner, Prokurist der AVL.
Löschner informierte das Gremium überdies darüber, dass die Restmüllmengen kontinuierlich abnähmen. Speziell in den vergangenen beiden Jahren waren die Werte vergleichsweise niedrig. „Das lag daran, dass wir Konsumverzicht haben. Wir hatten außerdem eine Inflation und damit eine Kaufzurückhaltung. Entsprechend wird weniger entsorgt“, erläuterte Löschner.
Beim Landkreis sieht man aber durchaus weiteres Potenzial in Sachen Restmüll. Bei Analysen sei festgestellt worden, dass „nach wie vor große Mengen von Wertstoffen in der Restmülltonne landen“, berichtet Andreas Fritz, Pressesprecher des Ludwigsburger Landratsamts. „Diese Wertstoffe werden somit einer wertstofflichen Verwertung und dem Recycling entzogen. Die AVL prüft aktuell die Frage, ob es technische Möglichkeiten gibt, den Restmüll nach der Erfassung bei den Bürgerinnen und Bürgern zu sortieren, sodass die aussortierten Wertstoffe noch hochwertiger verwertet werden können“, erklärt Fritz.
Waren in Eigenregie aufpeppen
Außerdem gibt es im Sinne der Nachhaltigkeit und zwecks Müllvermeidung Gedankenspiele rund um das Gebrauchtwarenkaufhaus Warenhandel im Tammerfeld bei Ludwigsburg. Dort werden gut erhaltene und funktionsfähige gebrauchte Gegenstände feilgeboten. Aktuell prüft die AVL unter anderem, ob künftig auch aufgewertete Kleidung, Möbel und Geräte ins Portfolio genommen werden sollen. Stichwort Upcycling. Ausrangierte Stühle, Blusen, Hosen und Co. würden von der AVL in Eigenregie aufgepeppt. Ferner könnten eine eigene Reparaturwerkstatt etabliert sowie Elektroaltgeräte nach einer Prüfung wieder in den Verkehr gebracht werden.
In der Diskussion steht laut Andreas Fritz ferner eine verstärkte Annahme von verkaufsfähigen Altgeräten auf Wertstoffhöfen. „Schon heute kann man auf mehreren Wertstoffhöfen noch funktionsfähige Gegenstände abgeben. Die Werbung und Öffentlichkeitsarbeit dafür möchte die AVL verstärken. Nach den Umbaumaßnahmen auf dem Wertstoffhof Lehenfeld in Asperg können durch die höhere Kapazität auch mehr Annahmen und Prüfungen von Elektrogeräten stattfinden“, erläutert der Kreishaus-Sprecher.
Tonnenweise wilder Müll
Zahlen
Die Ablagerung von wildem Müll ist ein Problem, das sich zunehmend verschärft. 343 Tonnen Abfall wurden 2023 illegal entsorgt. Darunter waren 36 Tonnen Reifen. Satte 15 Tonnen Unrat wurden bei Markungsputzeten zusammengeklaubt. Zum Vergleich: im Jahr 2019 registrierte die AVL im Landkreis 268 Tonnen wilden Müll.
Störstoffe
Tatsache ist, dass auch in den Papiertonnen Stoffe landen, die dort nicht hingehören. Der Anteil liegt aktuell bei 4,7 Prozent, was hochgerechnet aufs Jahr rund 1500 Tonnen entspricht. Vergleichsweise mehr Störstoffe sind in den vierrädrigen Papiertonnen, die aber bislang im Gegensatz zu den kleineren Zwei-Rad-Behältern auch nicht so im Fokus der AVL-Kontrolleure standen – was sich nun aber ändern soll.