In Müllheim gelegen zwischen Freiburg und Basel gibt das Markgräfler Museum Einblicke in Geschichte, Kultur und Kunst des Landstrichs.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Müllheim - Man kennt Freiburg, man kennt Basel. Dass dazwischen auch noch was ist, wird leicht übersehen. Auch, dass es ein Mittelzentrum Müllheim mit 18 000 Einwohnern gibt. Ein schmuckes Städtchen, das große und bewegte Zeiten als Garnison, Amtsstadt und (frühere) Kreisstadt erlebt hat. Auch ein sehenswertes Museum beherbergt und pflegt der Ort: das Markgräfler Museum im Blankenhorn-Palais. Dieses ist weit mehr als ein Heimatmuseum und schon gar nicht verschlafen oder verstaubt. Um die 12 000 Besucher kommen jedes Jahr. Geschichte, Kunst und Kultur des Landstriches rechts des Oberrheins zwischen Lörrach und Bad Krozingen sind die Hauptthemen. Das Markgräflerland – so genannt, weil es jahrhundertelang zur Herrschaft der badischen Markgrafen gehörte – war eine evangelische Insel im katholischen Vorderösterreich. Die Grenzlage – im Westen Frankreich, im Süden die Schweiz – war und ist das Hauptthema der Region und damit folgerichtig auch des Museums.

 

Auch in der jüngsten Abteilung der neuen Dauerausstellung „Literatur am Oberrhein“ steht dieses Thema im Mittelpunkt. Sehr beziehungsreich logiert sie im Dachspitz des Hauses, „sozusagen im Oberstüble“, schmunzelt Museumsdirektor Jan Merk, zugleich Kulturdezernent in Müllheim. Auch diese Ausstellung – konzipiert in Zusammenarbeit mit dem Literaten Manfred Bosch und dem Marbacher Literaturmuseum, räumlich gestaltet vom Reutlinger Designer Burkard Pfeifroth – greift die Grenzlage dieser Region auf. Großformatige Landschaftspanoramen vom Schwarzwald – fotografiert vom so geschichtsträchtigen elsässischen Hartmannsweiler Kopf – und von den Vogesen zeigen dem Betrachter der Vitrinen, um welchen Raum es literarisch geht. Ein Satz von René Schickele (1883–1940) ist auf einem aufgeschlagenen überdimensionalen Buch zitiert: Zwei Seiten, zusammengehalten durch den Rhein als Falz, so hat der Elsässer das Land am Oberrhein gesehen. Er lebte und wirkte in Badenweiler und sah früh die Gefahren des Nationalsozialismus. Schon 1932 zog er in das Fischerdorf nach Sanary-sur-Mer, wo einige deutsche Literaten lebten.

Die Tradition wird weiterhin gepflegt

In Müllheim werden nicht nur die Schriftsteller aufgezählt, es geht auch um das literarische Leben wie etwa die Müllheimer Lesegesellschaft oder den Poetenwinkel in Heitersheim, wo sich Goethes Schwager Johann Georg Schlosser und Johann Peter Hebel einst getroffen haben. Letzterer ist natürlich als unumstrittener Dichterfürst des Markgräflerlandes ausführlich gewürdigt. Schließlich hat er die alemannische Mundart salonfähig und literaturwürdig gemacht. Goethe hat ihn bewundert, Hoffmann von Fallersleben hat holprige alemannische Gedichte geschrieben. Die Tradition wird nach wie vor gepflegt, junge Dichter wie Manfred Markus Jung sind freilich rar. Die Ausstellung konzentriert sich auf den Südwesten, eine Konkurrenz zum Karlsruher „Museum für Literatur am Oberrhein“ will Müllheim gar nicht sein. „Wir sind ein kleines Kompetenzzentrum“, gibt sich Jan Merk bescheiden. Das literarische Oberstüble ist sozusagen das i-Tüpfelchen auf ein Haus, das Merk mit seinem kleinen Team und der Stadt in zwölf Jahren von unten nach oben auf 1500 Quadratmeter Ausstellungsfläche ausgebaut haben.


Es ist das prächtige frühere Stadtpalais der Weingutsbesitzerfamilie Blankenhorn, aus der auch der Begründer der deutschen Weinkunde, Professor Adolf Blankenhorn stammt. Die Basis der Gutedelregion wird in Keller und Erdgeschoss dokumentiert. Unten die Geschichte des Weinbaus und der Küferei mit Werkzeugen, Fässern und Gerätschaften. Darüber die Archäologie und die Geologie. Das Markgräflerland ist seit der Altsteinzeit besiedelt, von Kelten und Römern zeugen Funde aus Siedlungen und Gräbern. Den Wohlstand der Weingutsbesitzer demonstrieren Möbel und Porträts im ersten Obergeschoss, das zugleich großen Raum für temporäre und dauerhafte Kunstausstellungen bereithält. Mit Bildern unter anderem von Jürgen Brodwolf, Werner Berges, Artur Stoll oder Bernd Völkle. Oder von Ludmilla von Arseniew im großen Ballsaal.

Veritabler 1848er als Ururgroßvater

Das Dachgeschoss zeigt die Geschichte des Markgräflerlandes, dabei offenbart sich auch ein Herzensthema des Direktors, der seit Mai auch Präsident des Landesmuseumsverbandes ist. Jan Merk, 1954 als Sohn Lörracher Eltern im Bürgerspital in Basel geboren, Abiturient des – natürlich! – Hebel-Gymnasiums, war für das Haus der Geschichte Baden-Württemberg und das Lörracher Museum im Burghof im 150. Jubiläumsjahr der bürgerlich-demokratischen Revolution in Baden tätig. Der Urururgroßvater des Historikers war ein veritabler 1848er. Durch Müllheim zog im September 1848 der aufständische Zug von Revolutionär Gustav Struve. Vom Museum schaut man auf den Balkon, auf dem Struve die Republik ausrief, dokumentiert ist auch, wie Struve sehr unfein dem Bürgermeister Nikolas Blankenhorn 1000 Gulden „Strafsteuer“ abnahm. Ein schlichtes Bild auf grober Sackleinwand stellt dar, wie Blankenhorns Freunde würfeln – danach haben sie solidarisch den Gewinn in einen Schlitz im Bild gesteckt.