Schwätzen, essen, feiern, shoppen: Der Münchinger Märkt findet wieder statt, in gewohnter Manier. Trotz früherer Kritik hält die Stadtverwaltung am Konzept fest.

Wenn am Samstag um 8 Uhr am Rathaus der Bläserruf ertönt, ist das ein untrügliches Zeichen – dafür, dass Münchinger Märkt ist. Den Auftakt macht traditionell der Bläserruf des Musikvereins, da er am Märkttag gleichzeitig sein Herbstfest feiert. Zwei Stunden nach dem Bläserruf folgen im Höneshof in der Marktstraße der Fassanstich und die Märktreden mit dem Bürgermeister Joachim Wolf (parteilos) und dem Musikvereinschef Jörg Di Marco. „Ich freue mich auf die Eröffnung mit dem Fassanstich bei hoffentlich schönem Wetter und bester Stimmung unter den zahlreichen Besuchern“, sagt der Rathauschef. Ebenfalls am Samstag öffnen, klar, die Krämermarkt-Händler ihre Stände und die Feuerwehr ihre Räumlichkeiten, außerdem beteiligen sich etliche Vereine. Der Märkt kommt also wie in den Zeiten vor Corona daher, nachdem er im Jahr 2020 gecancelt wurde und voriges Jahr abgespeckt stattfand.

 

Wobei: 2021 hatte der Märkt sein 300-Jahr-Jubiläum, doch pandemiebedingt fällt dies erneut unter den Tisch. „Im Hinblick auf Corona und die Unsicherheit, was der Herbst uns bezüglich Veranstaltungen bringt, haben wir keine Jubiläumsveranstaltung geplant“, sagt Rathaussprecherin Angela Hammer. Man sei froh, den Märkt wieder veranstalten zu können und vor allem darüber, „dass die Feuerwehr und der Musikverein den Tag wieder mitgestalten können und mit ihren Programmpunkten zu einer stimmigen Veranstaltung machen“.

Baustelle schränkt Zahl der Stände ein

Im Ortskern werden rund 40 Beschicker Stände haben. „Darunter wie immer auch viele Marktbeschicker, die den Märkt seit Jahren fest im Kalender eingetragen haben“, sagt Angela Hammer. Dass es vergangenes Jahr gut 70 Stände waren und damit erheblich mehr, als es dieses Mal sind, begründet die Stadtverwaltung nicht mit mangelndem Interesse. „Wegen der Baustelle am Rathaus steht deutlich weniger geeignete Fläche für die Stände zur Verfügung“, so Hammer. Was auch dazu führt, dass nicht alle Stände dort sind, wo sie sonst aufgebaut werden.

Der Krämermarkt ist in die Kritik geraten: Immer weniger Aussteller würden kommen, die auch noch „Kruscht und Glomb“ verkaufen, monierte der Münchinger Musikverein im Jahr 2019 öffentlich, konkret etwa der Vorsitzende Jörg Di Marco beim Märkt beim traditionellen Schlagabtausch mit dem Bürgermeister. Dabei müsse der Märkt doch attraktiv und besonders sein, um möglichst viele Besucher zu locken, sagte Jörg Di Marco, der sich um die Zukunft der Veranstaltung sorgte. Auch der Gemeinderat diskutierte über den Fortbestand des Märkt, den der Musikverein und die Feuerwehr mit ihren Festen seit Langem ergänzen.

Historisch gesehen ein klassischer Krämer-, kein Kunsthandwerkermarkt

Die Verwaltung verteidigt aber das bewährte Konzept und will es beibehalten. Historisch gesehen sei der Märkt ein klassischer Krämermarkt und kein Kunsthandwerkermarkt, betont die Rathaussprecherin Hammer. Die Kunsthandwerker seien dafür beim Hobafäschd und Korntaler Sommer vertreten. Auf dem Märkt habe man seit jeher beim Krämer alles gekauft, was man früher nicht im Ort bekam. „Heute hat sich die Nachfrage durch Shopping Malls und Online-Shopping gewandelt, und es gibt kaum noch Dinge, die ich ausschließlich auf einem Krämermarkt erwerben kann“, sagt Angela Hammer.

Es seien trotzdem die klassischen Angebote der Marktbeschicker, die auf dem Märkt zu finden sind: Gewürze, Honigprodukte, Messer, Kurz- und Lederwaren, Handyzubehör, Kleidung. „Die Krämermärkte in der Region werden durch Angebot und Nachfrage bestimmt“, sagt Angela Hammer. Im Prinzip könnten sich nur Beschicker halten, die sich auch ein Geschäft erhoffen. „Und da wir viele haben, die schon seit Jahren zu uns kommen, wird das Angebot gut angenommen und zeichnet sich durch Diversität aus.“ Die Mischung mache es.

Straßen und Gassen voller Menschen, Stimmung blendend

Angela Hammer berichtet, der Märkt sei voriges Jahr „absolut gut angenommen worden“. Voller Menschen seien die Straßen und Gassen gewesen, „super“ die Stimmung. „Für uns war es eine rundum gelungene Veranstaltung, wenn auch durch Corona eingeschränkt.“ Die Bevölkerung empfand das offenbar ähnlich. Hammer: „Die Gespräche und Rückmeldungen waren durchweg positiv.“ Man habe es den Menschen angesehen, dass sie froh gewesen seien, sich wieder zwanglos im Ort treffen zu können. Auch die Beschicker hätten der Stadtverwaltung das widergespiegelt. „Daher freuen wir uns, dass wir die Tradition des Märkt dieses Jahr wieder weiterführen können und wünschen allen eine gute Zeit.“

Der Märkt löste auch Neid aus

Der Anfang
 Der Korntal-Münchinger Stadtarchivar Alexander Brunotte hat diese Informationen zur Historie des Märkt: Es ist der 12. März 1720, als die Gemeinde Münchingen mit einem Memorial an Herzog Eberhard Ludwig herantritt, mit der Bitte, ihr einen Jahrmarkt auf Matthäi zu gestatten. Daraufhin werden die benachbarten Städte und Ämter befragt, ob ihrerseits Einwände gegen eine solche Genehmigung vorliegen. Nein, alle an die herzogliche Kanzlei gesandten schriftlichen Berichte sind negativ. Als sich die Entscheidung verzögert, wendet sich die Gemeinde Münchingen mit einem weiteren Bittgesuch an die Regierung. Der Regierungsrat (Oberrat) spricht sich am 4. Januar 1721 bei Herzog Eberhard Ludwig für eine Genehmigung des Jahrmarkts aus. Das herzogliche Genehmigungsdekret für den Märkt wird neun Tage später ausgestellt.

Die Bedeutung Für Münchingen sei die Zusage wirtschaftlich wichtig gewesen, sagt Brunotte: Sie förderte den lokalen Handel und das lokale Gewerbe inklusive des Gastgewerbes. „Mit seiner überörtlichen Ausstrahlung verlieh der Märkt Münchingen eine gewisse wirtschaftliche Zentralfunktion im Umland.“ Was auch „Konkurrenzneid“ schuf: So kam die Gemeinde Sachsenheim 1730 beim Herzog um die Abschaffung des Münchinger Märkt ein – „Gott sei Dank vergeblich.“ Der Märkt, vom Termin her zwischen Markgröninger Schäferlauf und Cannstatter Wasen gelegen, habe sich zum „Münchinger Volksfest“ entwickelt, bei dem sich oft auch Alt-Münchinger zu einem Verwandten- und Freundesbesuch im alten Heimatort einfanden. Brunotte: „Neudeutsch könnte man so etwas mit Fug und Recht als identitätsstiftend bezeichnen.“

Das Programm
 Nach dem Bläserruf am Samstag um 8 Uhr am Rathaus sind um 10 Uhr Fassanstich und Märktreden im Höneshof, Marktstraße 1, mit den MVM Hoba. Es gibt Essen, von 11 Uhr an spielen Musikgruppen. Der Krämermarkt öffnet von 8 bis 18 Uhr. Auch die Feuerwehr bietet Essen und Live-Musik an. Das Kinder- und Familienzentrum führt im Kifaz von 12 bis 14 Uhr Info-Gespräche, von 13 bis 17 Uhr gibt es in der Buddenberg-Halle Fitnesstests.