Second Screen und Social Media: Die zunehmende Nutzung von Smartphones und Tablet-PCs sind für Medien eine Herausforderung. Noch bis Freitag beschäftigen sich die Münchner Medientage mit dem Thema.

München - Eigentlich müsste man nur die Situation in einem beliebigen Konferenzraum bei den Münchner Medientagen beschreiben, um deren diesjährige Thematik zu umreißen. Da sitzen jeweils ein paar Hundert Leute in einem Raum, in dem vorne auf einem Podium, und dahinter auf einer Leinwand vergrößert, Experten miteinander diskutieren. Und im Halbdunkel beleuchten mindestens ein paar Dutzend kleiner Smartphone-Bildschirme die Gesichter ihrer noch anderweitig tätigen Nutzer. „Second Screen“ nennt man den sich immer stärker verbreitenden Trend, Handy oder Tablet begleitend einzusetzen: Während des Fernsehens, Surfens, oder – was in anderen Umfeldern natürlich noch längst nicht so akzeptiert ist wie in den Messehallen, wo sich die Branche noch bis Freitagabend zum 27. Mal zusammenfindet – eben auch während Veranstaltungen, die von echten Menschen bestritten werden.

 

„Mobile Life: Herausforderung für Medien, Werbung und Gesellschaft“ – so kann sie in der Wirklichkeit, in der inzwischen jede fünfte Website von einem mobilen Endgerät aus aufgerufen wird, eben aussehen. Dass dennoch Qualitätsjournalismus und wirtschaftlicher Erfolg keine Gegensätze sein müssen, versuchte Siegfried Schneider, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien, mit neuen Zahlen zu belegen, die zeigen, dass eine Koexistenz zwischen analog und digital durchaus möglich ist, wenn denn die Herausforderungen angenommen werden. „Gestalten“ sei ein wichtiger Begriff dabei, und das gelte auch und gerade für die Medienpolitik. Es sei für Gesetzgebung, Regulierung und Aufsicht an der Zeit, Chancengleichheit sowohl für alle Medienarten als auch für den Standort Deutschland im internationalen Wettbewerb zu schaffen, forderte er.

Wandel der Medien vom Gatekeeper zum Moderator

„Die einzige Konstante ist der Wandel“, sagte denn auch die frischgebackene stellvertretende bayerische Ministerpräsidentin Ilse Aigner zur Eröffnung des traditionellen Mediengipfels am Mittwochmorgen, der, auch eine kleine Revolution, diesmal von der Berliner Taz-Chefredakteurin Ines Pohl geleitet wurde. Zwar habe der Journalismus seine Gatekeeper-Funktion verloren, seit praktisch jeder via Internet seine Ansichten kundtun könne. Die neue Aufgabe bestünde nun allerdings darin, das sich daraus ergebende Stimmengewirr zu moderieren, so Aigner. Zu deren Wirtschaftsministerium gehört jetzt auch das Ministerium für Medien. Das ist ein gut berechneter Schachzug in einer Zeit, und daran ließen die Diskutanten keinen Zweifel, in der diese nach wie vor, oder vielleicht mehr denn je, als Wachstumszweig gelten – trotz oder vielleicht auch gerade wegen des digitalen Wandels. Dass durch ihn „alles anders oder anders als erwartet“ wird, wie später eine Veranstaltung der Beraterfirma Roland Berger zu „TV 2020“ übertitelt war, ließ der verunsicherten, sich teils aber auch in Aufbruchsstimmung befindlichen Branche viel Raum für Spekulation, der eifrig genutzt wurde.

So zeigte sich der ZDF-Intendant Thomas Bellut erstaunlich locker angesichts seines hauptsächlich vom älteren Publikum bevorzugten Senders, was Ines Pohl zur großen Erheiterung der meist aus der freien Wirtschaft stammenden Anwesenden mit dem Satz kommentierte, dass sich auf seiner durch die Rundfunkgebühren stabilen Finanzierungsebene wohl recht entspannt leben lasse. Ulrich Wilhelm wies darauf hin, dass Qualitätsjournalismus wie eine Art Leuchtturm über den brandenden Wellen des Internets funktionieren sollte. „Wir müssen uns angesichts der veränderten Situation von der Quote als Messinstrument verabschieden und uns mit Relevanz und Gesprächswert von Inhalten beschäftigen“, sagte der BR-Intendant, der sein Haus seit einiger Zeit konsequent zu einer trimedial funktionierenden Anstalt umbaut – sprich die Bereiche Fernsehen, Hörfunk und Online miteinander verknüpft.

Interessant war am ersten Messetag zu beobachten, wie stark Vertreter deutscher Medien inzwischen versuchen, Kooperationen anzustreben, anstatt gegeneinander zu argumentieren und zu arbeiten. Angesichts der globalen Konkurrenz von Google, Amazon, Facebook und Co. scheinen manche Streitereien der vergangenen Jahre nebensächlich. Gesucht werden nun Lösungen, die den internationalen Monopolbildungen in der Bewegtbild- wie der Printindustrie entgegenwirken. Wie solche Lösungen aussehen könnten, vor allem angesichts einer derzeit relativ unberechenbaren Bevölkerungsgruppe, die der Münchner Zeitungsverleger Dirk Ippen mit folgenden Worten umschrieb: „Das Problem ist die Jugend?“ Da lachten die alle nicht mehr ganz jungen Anwesenden ein bisschen, wohl wissend, dass die unter Dreißigjährigen, wie es im „TV 2020“-Panel zur Sprache kam, derzeit vor allem in den USA zum sogenannten „Cord-Cutting“, also zum sich Abkoppeln von den Bindungen an traditionelle Anbieter tendieren. Dass unter ihnen lineares Fernsehen teilweise als so gestrig gilt wie Kassettenrekorder, dass sie im Internet Serien schauen oder teilweise dabei sind, sich via Youtube und ähnlicher Unternehmen ihre ganz eigenen Bilder von der Welt zu machen, müsste den Älteren allerdings zu denken geben. Die hoffen, so Philipp Leutiger von Roland Berger Strategy Consultants, dass die derzeit Jungen zum Fernsehen zurückkehren, wenn sie ihre wilden Jahre hinter sich haben und Familien gründen. Liveshows und Sportübertragungen, aber auch von sozialen Medien begleitete Formate wie der „Tatort“, könnten durch ihren Event-Charakter die mediale Zersplitterung kurzfristig auflösen. Ansonsten gelte: „Die Entwicklung von TV wird über IT weitergetrieben.“