Münchner Sicherheitskonferenz Die Last der Verantwortung

Sicherheit hat bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Bayerischen Hof Vorrang: drinnen wie draußen. Foto: dpa

Kann Deutschland eine führende Rolle in der europäischen Außenpolitik spielen, wie sie einst auf der Münchner Sicherheitskonferenz zugesagt wurde? Die Bundesregierung sollte den selbst gesetzten Ansprüchen deutliche Taten folgen lassen, meint Matthias Schiermeyer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

München - Jetzt aber wirklich. Jetzt soll Deutschland seine eigenen Ansprüche endlich erfüllen und weltpolitisch stärker mitmischen, lautet die Botschaft der Münchner Sicherheitskonferenz. Die Staatsführung nimmt sich selbst in die Pflicht – so wie vor sechs Jahren, als sich Bundespräsident, Verteidigungsministerin und Außenminister in einer konzertierten Aktion zu einem stärkeren Engagement bekannten. Weil seither – scheinbar – so wenig passiert ist, schlug den jeweiligen Nachfolgern in München eine Skepsis von Seiten der internationalen Sicherheitspolitik entgegen. Warum sollte die Bundesregierung ausgerechnet jetzt mehr Verantwortung übernehmen?

 

Der Druck, diese führende Rolle einzunehmen, ist weiter gewachsen. In einer zerfallenden Weltordnung gibt es nicht mehr so viele Kräfte, die zu einem Ausgleich in der Lage sind. Deutschland hat noch einen guten Ruf in Osteuropa wie im Nahen Osten und in Afrika, den es zu nutzen gilt. So muss die Bundesregierung die Herausforderung diesmal ernst nehmen.

Vorsicht vor einer Scheinverantwortung

Die Anerkennung kommt nicht von ungefähr. Die deutsche Diplomatie bringt sich bei zentralen Konflikten ein: in der Ukraine-Krise, beim Iran-Deal, zuletzt mit der Ausrichtung des Libyen-Gipfels in Berlin. Militärisch ist Deutschland noch stärker eingespannt, in Mali, Afghanistan und im Anti-IS-Einsatz vor allem. Über mangelnden Respekt befreundeter Militärs kann sich die Bundeswehr – ungeachtet ihres stark modernisierungswürdigen Zustands – nicht beklagen. So muss der Vorwurf, dass man von der wachsenden Verantwortung Deutschlands in den vergangenen Jahren wenig wahrgenommen hätte, von der Kanzlerin, dem Außenminister und der Verteidigungsministerin als unfair empfunden werden.

Dabei zu sein bedeutet aber nicht in jedem Fall, Einfluss zu nehmen. Wer mitredet, aber nicht führt, übernimmt nur eine Scheinverantwortung. Besserwisserei macht es dann noch schlimmer. Auffällig ist auch, wo sich die Bundesregierung gedrückt hat. Vor allem hat sie es verpasst, mit den europäischen Partnern für Frieden in Syrien und im Jemen einzutreten.

Gute Idee des europäischen Sicherheitsrates

Ein einiges Europa steht obenan. Diesbezügliche Mahnungen etwa vom Bundespräsidenten werden inflationär gebraucht und sind dennoch richtig. Entscheidend ist: was wird dafür getan? Um voranzukommen, sollte Berlin auf die Anregungen des französischen Präsidenten Macron eingehen. Ein europäischer Sicherheitsrat könnte die Initialzündung sein, um der EU-Außenpolitik mehr Autorität zu verschaffen. Vom Zwang zu einstimmigen Beschlüssen muss man sich lösen.

Europa darf sich – in München viel beschworen – nicht als Konkurrenz zur Nato empfinden, muss sich aber gegenüber dem Bündnis weiter emanzipieren. Mehr europäische Souveränität würde die Allianz sogar noch stärken, weil Washington bei einer Wiederwahl Trumps deren Verlässlichkeit weiterhin aufs Spiel setzen dürfte.

Die Berechenbarkeit droht verloren zu gehen

Konkret bedeutet dies: Deutschland muss mehr leisten, finanziell und militärisch. Inwieweit diese Anforderung zum innenpolitischen Durcheinander passt, das ist eine offene Frage. Der Außenpolitik droht die Berechenbarkeit verloren zu gehen. Verteidigungsministerin und Außenminister geben kein einheitliches Bild ab. Warum sollte dies nach dem Rücktritt Kramp-Karrenbauers als CDU-Chefin besser werden? Wie kann sie gerade jetzt ihre mutigen Vorschläge etwa zu mehr Engagement in der Sahel-Zone umsetzen?

Die Partner sind mit Recht nervös. Aus der Instabilität der Bundesregierung heraus kann keine aktive Rolle in Europa erwachsen. Je näher die Bundestagswahl kommt, desto mehr verlegt sich die SPD auf eine Bremserfunktion bei Bundeswehreinsätzen. Das lässt kein wirklich weiterführendes Handeln für die Außenpolitik der nächsten Monate erwarten.

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