Die USA sind kein Partner mehr. Das hat die Sicherheitskonferenz in aller Klarheit gezeigt. Die EU ist trotzdem nicht vorbereitet darauf.

München - Selten hat das Motto der Sicherheitskonferenz besser gepasst. „Wer hebt die Scherben auf?“ lautete die Frage an die Teilnehmer. Sie legt nahe, dass die Weltordnung vergangener Jahrzehnte nicht nur bedroht, sondern bereits kaputt ist. Wer in München den politischen Vertretern der Großmächte lauschte, muss zum Schluss kommen, dass es eine internationale Staatengemeinschaft, die die Dinge gemeinsam zum Besseren wenden will, so nicht mehr gibt. Das flammende Plädoyer von Kanzlerin Angela Merkel für mehr globale Kooperation verhallte ungehört – speziell bei US-Vizepräsident Mike Pence.

 

Die moderaten US-Politiker haben ihr Amt aufgegeben

Der aggressive Nationalismus, mit dem Donald Trumps Regierung auftritt, hat die Welt verändert – die anfängliche Hoffnung, er werde von Beratern eingehegt, ist längst verflogen. Verteidigungsminister James Mattis, der bei seinem Auftritt in München vor zwei Jahren noch ein unverbrüchliches Bekenntnis zur transatlantischen Partnerschaft in der Nato ablegte, hat frustriert sein Amt aufgegeben. Pence dagegen las den Verbündeten wie Schulbuben die Leviten. Statt zu verkünden, dass Trumps Gedankenspiele zu einem amerikanischen Nato-Austritt jeder Grundlage entbehren, hat sein Vize diese Sorge noch angeheizt.

Wer vor nicht allzu langer Zeit vorhergesagt hätte, dass die Amerikaner einmal die Beistandsverpflichtung kaum verhohlen in Frage stellen, wäre wohl für verrückt erklärt worden. Die westliche Allianz erfreut sich in Deutschland keiner ungeteilten Zustimmung und doch müssen angesichts der Entwicklung die Alarmglocken schrillen, da die Sicherheit des Landes auf diesem militärischen Versprechen fußt. Ohne die Amerikaner können sich Deutschland und Europa – Stand heute – nicht verteidigen.

Das macht erpressbar. Trump sitzt als Oberkommandierender der Schutzmacht am längeren Hebel. Das zeigt die politische Unterstützung für dessen Kündigung des INF-Abrüstungsvertrages aufgrund russischer Verstöße, obwohl ein Aus des Abkommens Europas Sicherheitsinteressen schadet. Kurzfristig bleibt der Bundesregierung auch nicht viel Anderes übrig, als mehr Geld in die Verteidigung zu investieren, wie das die Amerikaner fordern. Parallel dazu muss freilich nicht nur in der Verteidigungspolitik die EU gestärkt werden – für den Fall, dass Washington dauerhaft nicht zur Partnerschaft zurückkehrt. Zwar hat Barack Obamas Vize Joe Biden in München Hoffnung für die Zeit nach Trump gemacht. Aber wer weiß, was in zwei oder sogar sechs Jahren noch alles passieren kann.

Auch Deutschland hat einen Anteil am Ärger

Die Aussichten dafür, dass Europa nicht zum Spielball der Großmächte wird, stehen derzeit schlecht. Der Kontinent ist in zentralen Fragen politisch gespalten – wozu auch Kanzlerin Merkel entgegen ihres Credos möglichst enger Kooperation ihren Teil beigetragen hat. In der Euro- wie in der Flüchtlingskrise und zuletzt in der Auseinandersetzung um die russische Gaspipeline Nord Stream II hat sie – um es milde zu formulieren – nicht alle europäischen Partner mitgenommen. Der Tiefpunkt in der transatlantischen Zusammenarbeit trifft die EU zu einem ungünstigen Zeitpunkt.

Die nächste Eskalationsstufe kündigt sich derweil schon an: Während das mangelnde Nato-Engagement glücklicherweise eher noch theoretischer Natur ist, könnten US-Strafzölle auf deutsche Autos ganz praktisch viele Arbeitsplätze gefährden. Dass der riesige deutsche Exportüberschuss im Ausland zu Recht kritisch gesehen wird und von der Berliner Politik zu lange ignoriert wurde, ist das Eine. Produkte aus einem eigentlich verbündeten Staat als Bedrohung der nationalen Sicherheit einzustufen, wie die USA dies nun offenbar zu tun gedenken, ist dagegen absurd.

Wie die internationale Ordnung ist auch die transatlantische Partnerschaft zu einer leeren Hülle verkommen. Bis sie wiederhergestellt wird oder etwas Neues an ihre Stelle tritt, dürfte noch viel Zeit vergehen.