Sein Unternehmen ist aufgrund von Softwaremängeln unter Beschuss geraten, als sich herausstellte, wie stark 2016 vor allem aus Russland in den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf eingegriffen wurde – was Moskau freilich zurückweist. Wurde vorher vor allem Datenhacking als Bedrohung gesehen, so muss man sich seither einer Massenmanipulation durch Propagandakampagnen, Internettrolle, Social bots und andere Angriffsinstrumente erwehren.
Mit KI-Systemen gegen Wahlbeeinflussung
Zuckerberg steht sichtbar unter Druck. Er räumt ein, dass man damals auf die Bedrohung nicht eingerichtet war, vermittelt nun aber Erfolge auf diesem Gebiet. Nun könnten Wahlen sicher begleitet werden. Dank neuer Systeme von Künstlicher Intelligenz (KI) seien seit 2016 Desinformationskampagnen von 50 koordinierten Gruppen aufgedeckt und abgeschaltet worden – eine aus Russland, die in der Ukraine eingegriffen hatte und eine aus dem Iran mit Ziel USA. Mittlerweile würden weltweit etwa eine Million falscher Konten pro Tag abgeschaltet, zumeist kurz nach deren Einrichtung. Etliche Accounts seien von staatlichen Stellen eröffnet worden. Auch die Zusammenarbeit mit Regierungen und Nachrichtendiensten sei besser geworden.
Allerdings beobachtet das Online-Netzwerk nun einen neuen Verlauf der Bedrohung. Eingriffe in Wahlen gibt es zunehmend von innenpolitischen Akteuren, auch Parteien, die versuchten, die gleiche Taktik anzuwenden. Die Angreifer nutzten zum Beispiel unterschiedliche Netzwerke, um ihr Verhalten zu verschleiern.
Hassreden sind relativ schwer herauszufiltern
Mittlerweile überprüfen 35 000 Mitarbeiter bei Facebook den Content. Das Budget dieses Jahres für die Sicherheit sei größer als der Umsatz des Jahres 2012, als Facebook an die Börse ging, sagt Zuckerberg. „Jetzt sind wir stark.“ 2011 hatte Facebook Erlöse von gut 3,7 Milliarden Dollar erwirtschaftet. Das Unternehmen gehe jetzt proaktiver vor, statt nur auf die Probleme zu reagieren. Doch diese „Reise hat ein paar Jahre gedauert“.
In 20 Kategorien wie Kindesmissbrauch oder Gewaltaufrufe werden die Facebookinhalte gefiltert. Eine weitere ist Terrorpropaganda, die den Angaben zufolge zu 99 Prozent von den KI-Systemen abgeschaltet wird, bevor sie verbreitet werden kann. Schwieriger wird es bei Hassreden, da sein man erst bei 80 Prozent, weil „kleine Nuancen“ entdeckt werden müssten, sagt Zuckerberg. Doch im Unterschied zu Angreifern, die Wahlen beeinflussen, würden die Nutzer, die Hassreden verbreiten, nicht schlauer – was der Künstlichen Intelligenz die Abwehr erleichtert.
„Polarisierung nicht von sozialen Medien ausgelöst“
Dass Algorithmen die demokratische Realität verfälschen, indem sie Echokammern und Filterblasen erzeugen, wie der Konferenzleiter Wolfgang Ischinger meint, will Zuckerberg nicht seinem Unternehmen angelastet sehen. Denn dieses stehe für Offenheit und Pluralität. „Wir wollen die Welt zusammenbringen und Einzelnen eine Stimme geben, aber keinen Beitrag zur Polarisierung leisten.“
Ganz grundsätzlich verwahrt er sich gegen den Vorwurf, soziale Medien könnten dafür verantwortlich sein. Forscher der Stanford Universität hätten festgestellt, das diejenigen Nutzer am meisten polarisiert seien, die am wenigsten das Internet verwenden. Zudem gebe es Langzeitstudien, wonach die Polarisierung in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich verlaufe. „Man sollte zumindest mal das populäre Narrativ hinterfragen, dass es an den sozialen Medien liegt“, mahnt der Facebook-Gründer.
Gerade erst hat das Europaparlament in einer Resolution eine Regulierung von Künstlicher Intelligenz angemahnt. Bestimmte Algorithmen sollten zur Überprüfung durch Behörden offengelegt werden, um zu verhindern, dass Gesellschaftsgruppen unterschiedlich behandelt werden. So solle verhindert werden, dass etwa Chatbots für die Nutzer diskriminierende Entscheidungen treffen. Ferner wird ein Verbraucherrecht auf Entschädigung verlangt, falls sich Algorithmen als fehlerhaft erweisen und falsch entscheiden. Am Mittwoch will die EU-Kommission ein Weißbuch mit seiner digitalen Strategie vorlegen.
Regulierung ja – aber nur in bestimmten Bereichen
Zuvor spricht der Facebook-Chef bei der Kommission in Brüssel vor. Eine Regulierung sollte es aus seiner Sicht in den Bereichen Wahlen, Politikeraussagen, der Löschung von Daten und Datenschutz geben. Damit erhielte sein Unternehmen mehr Sicherheit, wo die Grenze zur politischen Einmischung überschritten sei und gefährliche Inhalte abgeschaltet werden müssen. Solange es diese Regulierung nicht gebe, „werden wir das Beste versuchen, die Linie an den richtigen Stellen zu ziehen“.
Facebook wurde zuletzt dafür gerügt, dass es beschloss, Äußerungen von Politikern prinzipiell vom Faktencheck-Programm auszunehmen. Die Menschen müssten weiter offen ihre Meinung sagen können, wo der Rahmen ein demokratischer ist, sagt der Gast. Nicht nur Ischinger ist angetan von der Zuckerberg-Show: „Bitte kommen sie nächstes Jahr wieder“, verabschiedet er den Amerikaner.