Obazda, Radi und Reherl: Bayerische Dialektfreunde geben sprachliche Ratschläge für g’scheite Speisekarten auf dem Oktoberfest. Das hat Konsequenzen.

München - Jetzt hat ihnen die EU „s’Krauthaferl ausg’schütt“. Sauer sind sie, die bayerischen Wirte, wo sie sich eigentlich freuen müssten. Denn Brüssel hat eine klassische Biergartenspezialität in die Liste der „geschützten geografischen Angaben“ aufgenommen. Für das also, was auf bayerischen Speisekarten „Obazda“ heißt, kann’s nun keinerlei Fernost- oder Billigkonkurrenz mehr geben. Die orangefarbene Käsezubereitung, bestehend hauptsächlich aus Camembert und/oder Brie, nebst Paprika, Butter, Bier (zum Teil) und diversen Gewürzen, ist und bleibt bayerisch. Nur kann’s passieren, dass jetzt ab und zu Kontrolleure in den Wirtschaften nachschauen, ob dort alles so bayerisch zugeht wie auf der Karte behauptet. Das schmeckt den Wirten gar nicht. Bloß weil die Kontrollen etwas kosten?

 

Der weißblaue Brotaufstrich in Orange ärgert auch andere. Dialektexperten gehen auf die Palme, wenn Zeitungen – die sonst so hoch g’scheite FAZ etwa –über „den Obazda“ schreiben, wo dieser Käse doch dekliniert wird. Es heißt: „der Obazde“. Im Wirtshaus isst man „an Obazd’n“. Und wer auf dem Oktoberfest zwei Portionen möchte, der ruft „zwei Obazda!“ höchstens dann, wenn er sich als „Preiß“ outen will, ansonsten bestellt er „zwoa Obazde“.

Reherl für Veganer

Angesichts dieser „essen“-tiellen Sprachprobleme nimmt es Wunder, dass die pikante Schmiermasse nicht in dem Faltblatt „Gegen die Todsünden auf unseren Speisekarten“ auftaucht, mit dem der „Förderverein Bairische Sprache und Dialekte“ den Wirtsleuten auf dem Oktoberfest sprachliche Korrektheit beibringen möchte. Zumindest denen auf der „Oidn Wiesn“ mit ihren Traditionszelten, ihrer hergebrachten Wirtshausmusi, ihrer nostalgischen Anmutung: Dort soll, meint der Verein, wenigstens auch die Sprache entglobalisiert, also richtig heimatlich g’miatlich werden.

In seinem „Sprachführer für Wirtsleut“ schlägt der Verein beispielsweise vor, auf den Speisekarten Erdäpfel anzubieten statt Kartoffeln, Schwammerl statt Pilzen, Radi statt Rettich und Krautwickerl statt Kohlrouladen. Aus Klößen sollen wieder Knödel werden, aus Hähnchen Hendl oder Giggerl. Und wenn auf dem Menü künftig „Reherl“ stehen, dann müssen selbst Veganer nicht verzweifeln oder Kinder, die um Bambi fürchten. „Reherl“, das sind Pfifferlinge.

Karl Valentin lässt grüßen

Mit „Bairisch à la Carte“ wollen die Dialektfreunde „keineswegs die Speisekarte auf Biegen und Brechen in Mundart übersetzen“. Aber wenn schon, sagen sie: Ein bisserl mehr Echtheit, über „Kellner in Lederhosen und Kellnerinnen in Dirndl hinaus“, tät‘ allen gut.

Die Dialektfreunde stoßen auf der „Oidn Wiesn“ durchaus auf Echo. Das Wirtsehepaar Reichert vom neuen Volkssänger-Zelt „Zur Schönheitskönigin“, so sagt es Franz Sonnenberger vom Förderverein, habe sich „vorab von uns bei der sprachlichen Gestaltung der Speisekarte beraten lassen“. Und die Faltblätter gingen dort „weg wie warme Semmeln (nicht: Brötchen)“, versichert Sonnenberger.

Sogar mundartliche Expertisen vom berühmten Sprachbohrer Karl Valentin – „Semmelknödel“ oder „Semmelnknödel“? – sind in die Empfehlungen eingegangen. Es gibt auf bairischen Speisekarten keinen „Schweinebraten“, der sprachlich so tut, „als ob sich auf dem Teller das Fleisch gleich mehrerer Schlachttiere wiederfände“. Satt wird man auch vom Singular. Vom „Schweinsbraten“.

Was aber ist der Unterschied zwischen „bayerischen“ und „bairischen“ Speisekarten? Bayerisch sind alle, die auf Tischen irgendwo im Freistaat ausliegen. „Bairisch“ sind sie, wenn sie nicht auf Fränkisch und Schwäbisch verfasst sind (was in Bayern ja auch gesprochen wird), sondern im Idiom Altbayerns – so wie also Ober- und Niederbayern reden, die Oberpfalz, sowie Teile Österreichs und Südtirols. Finanziell unterstützt wird die Dialekt-Offensive übrigens von der „Eva Mayr-Stihl-Stiftung“. Die sitzt im Ausland, im baden-württembergischen Waiblingen. Wenigstens nicht „bei de‘ Preiss’n“. Das wär‘ ja noch schöner.