Menschen mit Mundschutz irritieren inzwischen auch hierzulande niemanden mehr - zum Schutz vor dem Coronavirus hat die Regierung jüngst sogar dazu geraten. Vor ein paar Monaten war das noch anders. Rosaria Bivona hat damals häufig Anfeindungen erlebt – sie leidet an Mukoviszidose.

Leserredaktion : Kathrin Zinser (zin)

Stuttgart - An guten Tagen schafft Rosaria Bivona den Weg von ihrer Wohnung zum Supermarkt, das sind ungefähr drei bis vier Minuten Fußweg. An schlechten Tagen reicht die Kraft kaum vom Wohnzimmer in die Küche. „Ich kann vieles gar nicht mehr machen“, sagt die 38-Jährige. Rosaria Bivona leidet an Mukoviszidose, einer angeborenen Stoffwechselerkrankung. Dabei führt ein Gendefekt dazu, dass in vielen Organen des Körpers ein zäher Schleim produziert wird, der die Organe schädigt – wie etwa die Lunge. Betroffene leiden daher unter anderem an Husten und Atemnot.

 

Angst vor einer Ansteckung mit Corona

„Eigentlich komme ich damit gut klar“, sagt Bivona, die in Stuttgart lebt. Sie sei ein positiver Mensch, berichtet die 38-Jährige am Telefon – und man glaubt es sofort, wenn man ihre fröhliche Stimme hört. „Es bringt mir ja nix, wenn ich mir die Augen ausheule.“ Die Mutter eines achtjährigen Sohnes freut sich über Kleinigkeiten, zum Beispiel über Tage, an denen es ihr gelingt, die zwei Stockwerke hinunter in die Waschküche zu gehen. Auch wenn ihr Freund und ihr Sohn ihr viel Unterstützung geben, möchte sie doch so viel wie möglich selbst erledigen, erzählt sie.

Seit mehr als sechs Wochen geht sie allerdings gar nicht mehr aus dem Haus, um das Risiko einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu minimieren. Durch ihre Erkrankung gehört sie zur Risikogruppe. „Das wäre gefährlich, ich habe schon Angst“, sagt Bivona. Dass Menschen kurz vor Inkrafttreten der Kontaktsperren noch Corona-Partys gefeiert haben, findet sie schlimm. „Das geht gar nicht! Man soll doch bitte an die Mitmenschen denken. Wir wollen auch nicht monatelang in der Angst leben, zusätzlich zur Mukoviszidose noch Corona zu bekommen. Das, was wir haben, ist schon schlimm genug“, sagt die 38-Jährige.

Warten auf ein Spenderorgan

In den vergangenen vier Jahren hat sich ihr Zustand verschlechtert, inzwischen liegt ihre Lungenfunktion bei etwa 20 Prozent. „Die Medikamente schlagen nicht mehr so gut an“, berichtet Bivona. Seit dem vergangenen August steht sie auf der Transplantationsliste für eine Spenderlunge. „Das war eine sehr schwere Entscheidung. Ich hatte Angst, mich auf die Liste setzen zu lassen.“ Nun heißt es Warten. Die Ärzte hätten ihr gesagt, dass die Wartezeit auf das Spenderorgan bis zu zwei Jahre betragen könne. „So ist die Situation, jetzt müssen wir einfach Geduld haben“, sagt Rosaria Bivona mit Zuversicht in der Stimme.

Bis es soweit ist, müsse sie wieder zunehmen: „Ich habe sehr viel abgenommen“, berichtet sie. Auch das ist eine Folge der Krankheit, denn Mukoviszidose beeinträchtigt das Verdauungssystem. „Der zähe Schleim verstopft die Bauchspeicheldrüse und die Leber. Dadurch kommen die Verdauungsenzyme nicht im Darm an“, heißt es auf der Homepage des Vereins Mukoviszidose. Die Nahrung könne deshalb nicht gut verdaut werden, eine Folge davon sei starkes Untergewicht. „Man muss viel essen, obwohl man den Appetit verliert. Das ist ein Kampf“, erzählt Bivona.

Beleidigungen in der Bahn

„Ich wollte nie, dass man mir ansieht, dass ich krank bin“, sagt sie. Auf den Mundschutz, der sie in der Öffentlichkeit vor einer Infektion schützen sollte, habe sie daher meistens verzichtet – bis das Coronavirus Deutschland erreichte. Rosaria Bivona erinnert sich gut an die vorwurfsvollen Blicke der anderen, als sie zu Beginn der Pandemie, als das Tragen eines Mundschutzes noch eher die Ausnahme bildete, mit Mundschutz im Supermarkt war und husten musste.

Ähnliche Situationen hat sie aber auch schon vorher erlebt. „So ’ne Drecksau“, habe ihr mal jemand in der Bahn an den Kopf geworfen, als sie gehustet habe, erzählt sie. „Leute haben zu mir gesagt, ich solle doch daheim bleiben oder sie sind einfach aufgestanden und gegangen. Man fühlt sich so in Verlegenheit gebracht.“ Meistens reagiere sie nicht auf derartiges Verhalten, aber manchmal sei es einfach zu viel. Dann stelle sie die Leute zur Rede und erkläre ihnen, dass sie Mukoviszidose habe und nicht ansteckend sei. Manche entschuldigen sich daraufhin, manche nicht. „Es ist nicht schön, so behandelt zu werden, als hätte man die Pest“, sagt Bivona.

Verein wirbt für mehr Verständnis

So wie ihr geht es vielen an Mukoviszidose erkrankten Menschen – insbesondere jetzt in Zeiten der Corona-Pandemie. „Den Mukoviszidose e. V. erreichen immer mehr Berichte, dass Patienten in der Öffentlichkeit angefeindet wurden“, erklärt der Verein auf seiner Homepage. Weil Aufklärung in diesen Zeiten wichtiger sei denn je, habe man auf Facebook und Instagram Aktionen gegen die Diskriminierung von Betroffenen in der Öffentlichkeit gestartet, verbunden mit der Bitte, die aktuellen Schutzmaßnahmen ernst zu nehmen, schrieb der Verein in einer Pressemitteilung Mitte März. Inzwischen wachse langsam das Verständnis in der Bevölkerung, sagt Carola Wetzstein, die Sprecherin des Vereins.

Mehr Verständnis wünscht sich auch Rosaria Bivona: „Ich bin krank. Wenn ich damit klarkomme, warum können das die anderen dann nicht?“