Er habe eine gute Kindheit gehabt, sagt Stricker – auch wenn sein Vater starb, als der Bub 16 war. Viele Jahre vorher hatte er mit der Rockmusik Freundschaft geschlossen, mit „Smoke on the water“, 1972. Da habe er etwas gespürt, das er nicht in Worte fassen kann. „Do hann i gwisst, des isch mei Religion.“ Damals waren Lieder modern mit Refrains wie „Schön ist es, auf der Welt zu sein“. Es sollte dann noch mehr als 30 Jahre dauern, bis Stricker zur schwäbischen Rockmusik kam, über Wolle Kriwanek, den Freund. Kurz vor dessen Tod 2003 plante man ein gemeinsames Projekt. Später entstand dann Wendrsonn, ohne Wolle.

 

Zwischendurch war Markus Stricker 18 Jahre lang Discjockey im Kultladen Belinda in Sulzbach. Dort habe er gelernt, wie man Leute anheize – und sie wieder runterbringe. Das kommt heute den Wendrsonn-Konzerten zugute, deren Stimmung in Wellen verläuft, von einem Höhepunkt zum nächsten, von laut zu leise, von flippig bis emotional. Ein Konzert sei „wie’’s glebde Leba“, meint der Mann mit dem Hut. Die ganze Zeit nur Gas geben, das gehe nicht. Zum leisen Part gehören Volkslieder, auch mal in Reggae-Form wie bei „En Muadrs Stübele“. Oder ein Gitarrensolo. Oder das „Wendrsonn“-Lied, nach dem auch die Band heißt. Es handelt von der Einsamkeit und der bleichen Wintersonne, die sich an einem saukalten Tag in einer zugefrorenen Pfütze spiegelt, droben bei Großhöchberg. Aber auch davon, dass die Wintersonne wärmt. Auch „Da ben i dahoim“ ist ein Lied zum Träumen und Heulen. Es ist zum Song der sieben Nationalparks im Land geworden. „Genial“ sagen Zuhörer, oder „etwas noch nie Gehörtes“, oder „mi reißt’s vom Hocker“. Mancher aber betont: „Man muss sich auf die Texte einlassen.“

Zur leisen Abteilung gehören die Lieder mit den Mythen, Fabeln und Legenden. Das ist die stärkste Seite der Band. Wie das Lied vom Rostelschäfer: Der hütete die Tiere am Rostel, einem Hügel bei Sulzbach. Eines Tages minnte er das Mariele, schwängerte es – und murkste es ab. Dann war der Rostelschäfer dran, auf dem Marktplatz zu Waiblingen. Seine Gedanken in der Nacht, bevor er zum Henker muss, singt Ove Bosch. Da läuft es einem eiskalt den Rücken runter. Der Rostelschäfer soll übrigens einen Geist haben, der nachts immer mal wieder in Sulzbach auftaucht.

Lieder über Geister, Luitle und Weiße Frauen

Markus Stricker erzählt dies total ernst. Auch die Geschichte des vierjährigen Mädchens, das im Dorfteich ertrank, ist nicht schön. Aber eindrücklich. Auf dem Dorffriedhof in Grab, zehn Kilometer weiter, erinnert ein Engel aus Stein an das Kind. Stricker hat noch viele Themen in petto. Weil die Gegend voll ist von Geistern, Luitle und Weißen Frauen, die zwischen mystischen Felsen und Bäumen herumhuschen, sich im Hexenloch tummeln. Jedes Dorf hat seine eigene Mythen und Sagen.

Von anderen Bands ist Binder zu Wendrsonn und dem Schwäbischen gekommen, „hier han i meine Wurzla wieder gfonda“, sagt sie. Sie singt auch „Muadrseelaalloi“, ihr erstes eigenes Lied. Es handelt von der Tochter einer Frau, die säuft und auf den Strich geht. Die 38-Jährige kann rockig röhren, aber auch leise und nachdenklich intonieren. Ihre Stimme sei „oifach so worda“, sagt sie – durch Gesangsausbildung, aber ohne Studium. Wenn nur manche Liveübertragung so gut wäre wie die CDs.

Die Wendrsonn-Songs, meist geschrieben von Stricker, handeln vom Leben und den Menschen. Vor allem den Menschen im Schwäbischen Wald. „Winnetou“ und „Walle“ sind Erinnerungen an alte Freunde, mit denen es das Leben nicht so gut gemeint hat, die der Alkohol und Vaters Stecken fertig gemacht haben. „’S Leba isch koi Schlotzer“ heißt der Titelsong der neuen CD. Hat er sich die eigene Jugend von der Seele geschrieben? „En meine Liadr steckt Biographie drin, vielleicht au d’ Gottesfurcht vom Opa. Des isch a Uffarbeitung von Erinneronga ond Sacha, die scheiße gloffa senn. Des ben net i selbr, sondern mei Nebasitzr mit seine bluatige Striema.“ Walle, der sei mit 57 gestorben, an Verbitterung. Überhaupt. Vergangenes Jahr haben sie viermal auf Beerdigungen von Freunden gespielt, keiner war älter als fünfzig.

Volkslieder in Reggae-Form

Er habe eine gute Kindheit gehabt, sagt Stricker – auch wenn sein Vater starb, als der Bub 16 war. Viele Jahre vorher hatte er mit der Rockmusik Freundschaft geschlossen, mit „Smoke on the water“, 1972. Da habe er etwas gespürt, das er nicht in Worte fassen kann. „Do hann i gwisst, des isch mei Religion.“ Damals waren Lieder modern mit Refrains wie „Schön ist es, auf der Welt zu sein“. Es sollte dann noch mehr als 30 Jahre dauern, bis Stricker zur schwäbischen Rockmusik kam, über Wolle Kriwanek, den Freund. Kurz vor dessen Tod 2003 plante man ein gemeinsames Projekt. Später entstand dann Wendrsonn, ohne Wolle.

Zwischendurch war Markus Stricker 18 Jahre lang Discjockey im Kultladen Belinda in Sulzbach. Dort habe er gelernt, wie man Leute anheize – und sie wieder runterbringe. Das kommt heute den Wendrsonn-Konzerten zugute, deren Stimmung in Wellen verläuft, von einem Höhepunkt zum nächsten, von laut zu leise, von flippig bis emotional. Ein Konzert sei „wie’’s glebde Leba“, meint der Mann mit dem Hut. Die ganze Zeit nur Gas geben, das gehe nicht. Zum leisen Part gehören Volkslieder, auch mal in Reggae-Form wie bei „En Muadrs Stübele“. Oder ein Gitarrensolo. Oder das „Wendrsonn“-Lied, nach dem auch die Band heißt. Es handelt von der Einsamkeit und der bleichen Wintersonne, die sich an einem saukalten Tag in einer zugefrorenen Pfütze spiegelt, droben bei Großhöchberg. Aber auch davon, dass die Wintersonne wärmt. Auch „Da ben i dahoim“ ist ein Lied zum Träumen und Heulen. Es ist zum Song der sieben Nationalparks im Land geworden. „Genial“ sagen Zuhörer, oder „etwas noch nie Gehörtes“, oder „mi reißt’s vom Hocker“. Mancher aber betont: „Man muss sich auf die Texte einlassen.“

Zur leisen Abteilung gehören die Lieder mit den Mythen, Fabeln und Legenden. Das ist die stärkste Seite der Band. Wie das Lied vom Rostelschäfer: Der hütete die Tiere am Rostel, einem Hügel bei Sulzbach. Eines Tages minnte er das Mariele, schwängerte es – und murkste es ab. Dann war der Rostelschäfer dran, auf dem Marktplatz zu Waiblingen. Seine Gedanken in der Nacht, bevor er zum Henker muss, singt Ove Bosch. Da läuft es einem eiskalt den Rücken runter. Der Rostelschäfer soll übrigens einen Geist haben, der nachts immer mal wieder in Sulzbach auftaucht.

Lieder über Geister, Luitle und Weiße Frauen

Markus Stricker erzählt dies total ernst. Auch die Geschichte des vierjährigen Mädchens, das im Dorfteich ertrank, ist nicht schön. Aber eindrücklich. Auf dem Dorffriedhof in Grab, zehn Kilometer weiter, erinnert ein Engel aus Stein an das Kind. Stricker hat noch viele Themen in petto. Weil die Gegend voll ist von Geistern, Luitle und Weißen Frauen, die zwischen mystischen Felsen und Bäumen herumhuschen, sich im Hexenloch tummeln. Jedes Dorf hat seine eigene Mythen und Sagen.

Mit den schwäbischen Texten, meint Stricker, kämpfe er gegen ein Imageproblem. Viele Leute würden Mundart nur mit Schenkelbatschen verbinden – leider auch Kollegen. Er aber will „a Musik mache, die d’  Leut verstandet“. Er habe keinen Sendungsauftrag für die Reinheit der Sprache, er wolle das Schwäbisch von heute verwenden. „I ben koi Künschdler“, sagt Stricker, „i ben dr Markus. Mit dem Wort Songpoet fang i eher ebbes o.“ Er schafft mit dem Dialekt, und Wendrsonn füllt eine Marktlücke. Die Sprache ist nicht hundertprozentig. Da taucht immer wieder das Wort „Liebe“ auf – das der Schwabe nicht kennt, weil er „i mog di“ sagt. Auch der Imperfekt, in der schwäbischen Grammatik nicht existent, kommt immer wieder vor.

Für Hubert Klausmann sind das Kleinigkeiten. Der Sprachprofessor vom Kulturwissenschaftlichen Institut in Tübingen hat eine Wendrsonn-CD analysiert. „Die Gruppe verwendet ein sehr sicheres Ostschwäbisch mit leicht überregionalen Tendenzen“, schreibt er. Der Wortschatz sei „eindeutig schwäbisch“, der Dialekt werde „angenehmerweise an keiner Stelle künstlich eingesetzt“. Vielmehr handele es sich um „eine sehr sichere Umsetzung des ostschwäbischen Ausgangsdialekts“. Da sei „nichts aufgesetzt“, eine gelegentlich angepasste Formulierung dem Reim geschuldet. „Die Texte kommen aus der Seele“, sagt Klausmann, „die Bodenständigkeit ist durchgängig.“ Sein Fazit: „Eine sehr positive Verwendung von Mundart in modernen Texten. Mich hat das beeindruckt.“

Trotz dieses Lobs hebt Markus Stricker nicht ab. Er will noch hinunter in die Tobelschlucht. Spärliches Licht dringt zwischen den Bäumen auf bemooste Felsen. Hier herrscht Mystik pur. Biggi Binder staunt und lehnt sich an einen Felsblock. Ist da nicht gerade ein Schattenwesen ums Eck gehuscht? Da ben i dahoim.