Der Medienmogul Rupert Murdoch versucht nach den Skandalen, seinen Einfluss in Großbritannien wieder auszubauen.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

London - An der Themse bereiten sich Politiker und Medienvertreter auf neue „Murdoch-Manöver“ vor. Der 84-jährige Medienmogul Rupert Murdoch, glauben Insider in London, habe noch immer Appetit auf mehr Einfluss in England und in ganz Europa – und halte den Zeitpunkt für einen neuen Vorstoß für gekommen. Von vermehrten Zusammenkünften in New York zu diesem Zweck, an denen offenbar auch Rebekah Brooks teilnimmt, die frühere britische „Statthalterin“ des Murdoch-Druck-Empires im Vereinigten Königreich, weiß der linksliberale Londoner „Guardian“ zu berichten. „Will sich“, fragte das Blatt vor Kurzem nervös, „Murdoch nun doch noch den Satellitensender Sky unter den Nagel reißen?“

 

Verändert haben sich, seit Murdoch es vor vier Jahren schon einmal vergebens versuchte, zweifellos die Umstände in London. Seit den Unterhauswahlen von Anfang Mai brauchen die Murdoch wohlgesinnten britischen Konservativen keinen Koalitionspartner mehr. Kein liberaldemokratischer Politiker, wie einst Wirtschaftsminister Vince Cable, kann Murdoch noch „den Krieg erklären“. Der Krieg ist, im Urteil des News-Corp-Bosses, zu Ende.

Damit mag Murdoch recht haben. Denn auch der seinerzeit Furore auslösende Abhörskandal um Murdochs „News of the World“ beginnt im kollektiven Gedächtnis der Insel zu verblassen. Die meisten, die von jener Affäre betroffen waren, sind noch einmal davongekommen. Rebekah Brooks, die Galionsfigur, wurde im Vorjahr nach einem achtmonatigen Strafverfahren freigesprochen. Jetzt scheint sie bei den Murdochs wieder für eine Führungsposition in London im Gespräch zu sein.

Sogar eine Anklage war möglich

Am deutlichsten zeigt sich der Stimmungsumschwung an der Person des Gründersohnes und neuerlichen Nachfolge-Favoriten von News Corp, James Murdoch. 2011 noch hatte Murdoch junior den absoluten Tiefpunkt seiner eigenen Karriere erreicht. Als Hauptverantwortlicher für die britischen Zeitungen des Vaters während der Affäre musste er sich damals vorhalten lassen, den Abhörskandal wenn nicht bewusst geduldet, so doch zumindest die Augen vor ihm verschlossen zu haben.

Mehrmals musste sich der Jungverleger demütigenden Anhörungen des britischen Unterhauses unterziehen und scharfe Fragen nach seiner verlegerischen Eignung gefallen lassen – nicht mal sein alter Herr, der mächtige Verlagsmogul, entkam den öffentlichen Tribunalen jener Tage. Zeitweise schien es sogar möglich, dass gegen James Murdoch in London Anklage erhoben würde. 2012 zog ihn Rupert Murdoch vorsichtshalber aus dem Verkehr in Großbritannien und beorderte ihn nach Amerika, auf sicheres Terrain, zurück.

Die britischen Murdoch-Ambitionen lagen damals, nicht zuletzt dank James, in Scherben. „News of the World“, das älteste Boulevardblatt der Insel, wurde eingestellt. Ihre Hoffnung, die Murdoch-Anteile bei Sky (damals BSkyB) von 39 Prozent auf hundert Prozent zu steigern, musste die Familie erst einmal begraben. James Murdoch verlor infolge der Krise auch seinen Posten als Aufsichtsratsvorsitzender bei dem Sender. Das Scheitern der Übernahme von Sky schmerzte die Murdochs ganz besonders: Sie hatten sich vom Vollbesitz des Senders ein reizvolleres Paket für ihre Printware versprochen.

Neue Rollenverteilung

In den letzten Jahren freilich rehabilierte sich James, unter dem wachsamen Auge seines Vaters und in aller Stille. Beim Ausbau der amerikanischen und internationalen News-Corp-Aktivitäten spielte er offenbar eine wichtige Rolle. In diesem Monat belohnte Rupert Murdoch den 42-jährigen Sprössling – bei der Ankündigung neuer Aufgabenverteilungen – mit dem Generaldirektorenposten seines Unterhaltungs-, Film-, Fernseh- und elektronischen Medien-Konglomerats 21st Century Fox. Rupert Murdoch selbst will sich in den Verwaltungsrat zurückziehen. Dessen Leitung wird er sich mit James’ älterem Bruder Lachlan teilen. Mit dieser neuen Rollenteilung hat Murdoch senior den Startschuss für seine Nachfolge gegeben. In einer Troika mit seinen beiden Söhnen soll es zu neuen Ufern gehen – wobei Rupert noch immer die Kontrolle über das Gesamtunternehmen in Händen hält.

James Murdoch sitzt nun freilich wieder, was die Zukunft angeht, an favorisierter Stelle. Ausgerechnet der frühere „Rebell“ der Familie, der in jungen Jahren als Harvard-Aussteiger und wenig erfolgreicher Plattenproduzent ein eher ramponiertes Ansehen genoss und später jener katastrophalen Krise der britischen Murdoch-Zeitungen präsidierte, darf sich erneut als der „natürliche Anwärter“ auf den Top-Job des Medienkonzerns betrachten.

Die „englische Krise“ ist überstanden

In London, wo James übrigens geboren wurde, wartet man nun darauf, Neues aus dem Hause Murdoch zu hören. Der Tory-Regierungschef David Cameron, zu dessen Wiederwahl die Murdoch-Presse beitrug, dürfte einem neuen Vorstoß in Sachen Sky gewogen sein. „Dave“ dürfte auch nicht ungern wieder einmal mit seiner alten Bekannten Rebekah ausreiten gehen, sofern sie von den Murdochs nach London zurückentsandt werden sollte.

Einig sind sich Cameron und James Murdoch auch in ihrer Kampagne gegen „zu viel Einfluss“ des öffentlich-rechtlichen Sektors, das heißt der BBC, in Großbritannien und im globalen Nachrichtensektor. Vor einigen Jahren, damals noch in London, hatte Jung-Murdoch ja schon „die Expansion eines staatlich geförderten Journalismus“ als „Gefahr für Pluralität und Unabhängigkeit der Nachrichtenbeschaffung“ bezeichnet.

Cameron wiederum soll im Wahlkampf einmal in einem zornigen Augenblick gedroht haben, die BBC notfalls ganz „dichtzumachen“. Inzwischen scheinen die Murdochs der Überzeugung sein, dass ihre „englische Krise“ überstanden ist – und dass sie an der Themse wieder Freunde und Oberwasser haben.