Am Donnerstag sagt das berühmteste Murmeltier der Welt das Wetter voraus – sehr zum Ärger von Tierschützern.

Punxsutawney - Der berühmteste Bewohner von Punxsutawney im US-Staat Pennsylvania ist 127 Jahre alt, und seit einigen Wochen macht man sich hier einige Sorgen um ihn. Am 2. Februar steht ihm ein anstrengender Tag bevor, und man ist sich nicht mehr sicher, ob Phil - so heißt der Star von Punxsutawney - den Strapazen noch gewachsen ist.

 

Um Phil zu schonen, wurde 2011 bereits den Oberen von Punxsutawney, dem sogenannten Inneren Kreis, angetragen, ihn in den Ruhestand zu schicken und durch einen Roboter zu ersetzen. Doch man wehrte sich beharrlich gegen eine solche herzlose Computerisierung, und so muss Phil in diesem Jahr eben wieder ran.

100 Prozent zuverlässig

Phil ist ein Murmeltier, und sein Job ist es, einmal im Jahr, zur Maria-Lichtmess-Feier, ans Tageslicht zu treten und zu schauen, wie die Sonne steht. Kann er seinen Schatten erkennen, dann wird er für den Rest des Winters Kälte vorhersagen. Ist es trübe, dann flüstert er dem Vorsteher des Inneren Kreises in einer Geheimsprache, die nur die beiden verstehen, zu, dass es ein zeitiges Frühjahr gibt. In seiner Vorhersage ist er zuverlässig ist wie der Krake Paul: garantiert 100 Prozent. Das behauptet zumindest der Innere Kreis von Punxsutawney.

An den übrigen 364 Tagen des Jahres darf Phil sich dann wieder in seinem Verhau in der Bibliothek von Punxsutawney ausruhen. Die Tierschutzorganisation Peta macht sich dennoch Gedanken um ihn. Zum einen finden sie, eine Bibliothek sei nicht die angemessene Umgebung für ein Murmeltier, es finde da nie die Ruhe, die es in einem Erdloch bekäme. Noch schlimmer für Phil sei jedoch der Medienzirkus, der über Punxsutawney und über Phil am 2. Februar hereinbricht.

Täglich grüßt das Murmeltier

Wie in dem Hollywoodstreifen "Und täglich grüßt das Murmeltier" trefflich zu sehen war, verwandelt sich der verschlafene Ort am 2. Februar nämlich in ein Tollhaus. Jede Fernsehstation des Landes schickt einen Übertragungswagen, und Zehntausende von Neugierigen überschwemmen die 6000-Einwohner-Gemeinde. Und alle wollen nur das eine: Phil sehen.

Das ist ein ungeheurer Stress für das Tier. Doch der Innere Kreis hat kein Erbarmen mit Phil. Peta, so wetterte Bill Deeley, der Präsident des Inneren Kreises, versuche sich nur an der Popularität von Phil zu weiden. In Wirklichkeit gehe es Phil bestens, "man kümmert sich besser um ihn als um die meisten Kinder in Pennsylvania".

"Mer schwetze noch die Muddersprooch."

Phil wahrt eine alte Tradition. In diesem ansonsten traditionsarmen Land nimmt man solche Dinge sehr ernst, und so kann Phil nicht so einfach aus seiner Pflicht entlassen werden. Punxsutawney liegt mitten im Pennsylvania Dutch Country - was oft fälschlicherweise als das Land von holländischen Siedlern bezeichnet wird. In Wirklichkeit ist "dutch" die phonetische Übertragung von "deutsch". Schon im 17. Jahrhundert gründeten Pfälzer Immigranten hier erste Siedlungen, im 18. Jahrhundert überfluteten sie die Gegend zwischen Philadelphia und Pittsburgh. Bis heute wird in vielen Ortschaften noch ein Pfälzer Dialekt gesprochen. An Ortseingangsschildern kleben Plakate, auf denen zu lesen ist: "Mer schwetze noch die Muddersprooch." Und am Groundhog Day muss in Punxsutawney jeder, der dabei erwischt wird, dass er Englisch spricht, einen Dollar bezahlen.

Der Brauch, ein Murmeltier nach der Härte des restlichen Winters zu befragen, stammt aus dem Mutterland am Rhein. Dort verwendete man allerdings ein Stachelschwein. In Pennsylvania war die Stachelschwein-Population jedoch zu klein, und man arbeitete deshalb mit den wesentlich häufiger auftretenden Murmeltieren.

Medienstar Phil

Phil wurde erstmals 1886 in der Zeitung von Punxsutawney erwähnt. "Zum Zeitpunkt der Drucklegung", wurde dort berichtet, "hat das Tier seinen Schatten nicht gesehen". Die Bauern konnten aufatmen, die Heuvorräte würden reichen, um das Vieh durch den restlichen Winter zu bringen. Seither ist Phil das Orakel der Stadt.

Zum Medienstar im großen Stil wurde er nach dem "Murmeltier"-Hollywoodstreifen von 1993, in dem er eine wichtige Nebenrolle spielte. Phil ist also einiges gewöhnt. Und vor einem Jahr kam er trotz seines Alters auch noch bestens mit dem Stress zurecht. Trotzdem wird Peta am Murmeltiertag genau hinschauen, um sicherzugehen, dass man ihn nicht überfordert.

Ein skuriller Brauch

Medienzirkus: Jedes Jahr am 2. Februar wird in der 6000-Einwohner-Gemeinde Punxsutawney ein müdes Wesen aus dem wohlverdienten Winterschlaf gerissen: Dann wird das Murmeltier Phil nach dem Frühlingsbeginn „befragt“. Sieht das Tier bei klarem Wetter seinen Schatten, hält der Winter noch mindestens sechs Wochen an. Wirft er keinen Schatten, naht der Frühling. Jedes Jahr lockt das Spektakel Zehntausende von Schaulustigen und Scharen von Reportern in die Stadt.

Film: Phil lieferte 1993 die Vorlage für den Kinofilm „Und täglich grüßt das Murmeltier“ mit Bill Murray und Andie McDowell. Inzwischen sind auch in weiteren Orten „Murmeltier-Meteorologen“ im Dienst. dpa