Klaus Berger übernimmt das älteste Gasthaus in der Stadt. Hannelore und Wolfgang Bunk indes bleiben die Eigentümer der Fachwerkimmobilie am Marktplatz. Mit dem Wechsel endet eine lange Familientradition – nach 460 Jahren.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Murrhardt - Sie haben lange gesucht, sowohl Klaus Berger, der neue Patron im alterwürdigen Gasthaus Engel, als auch die Eigentümer, Hannelore und Wolfgang Bunk. Das Ehepaar hat die älteste Gaststätte in Murrhardt rund 50 Jahre lang geführt. Jetzt übernehmen Berger und sein Koch Erich Schleich das Regiment.

 

Mit dem Wechsel endet eine lange Familientradition – nach 460 Jahren. Als sich abzeichnete, dass keines der Bunk-Kinder für die Gastronomie brennt, haben sich die Eltern ganz langsam an den Gedanken loszulassen gewöhnt. Die Immobilie am Marktplatz verkaufen? Nein, das wäre wohl nicht in Frage gekommen, sagen beide. Wer weiß, vielleicht lässt sich irgendwann mal wieder anknüpfen an die Familientradition. Dann könnte man immerhin noch sagen: seit Jahrhunderten im Familienbesitz.

Früher gehörten trinkfeste Mönche zu den Stammgästen

Anfang Februar hat das große Aufräumen begonnen. Noch wohnen die Bunks im Gebäude, demnächst ziehen die beiden in eine Wohnung am Stadtrand. Murrhardt ganz zu verlassen, das wäre aber nicht in Frage gekommen. Der 70-jährige Wolfgang Bunk will sich künftig doch noch stärker der Schnapsproduktion widmen. Und seine kleine Brennerei ist in einem Nachbargebäude des Engels untergebracht. In dieser Kaschemme hat der kleine Wolfgang schon vor rund 60 Jahren bei seinem Vater die Kunst des Schnapsbrennens abgeguckt.

Klaus Berger übernimmt ein wahres Traditionshaus. Vor einigen Jahrhunderten haben sich in dem stattlichen Gebäude trinkfeste Mönche ihre Viertele hinter die Binde gekippt. Bis ins 16. Jahrhundert war der Engel in klösterlichem Besitz. Davon zeugt noch heute der Namenspatron.

Bunks Ahnen haben das Haus anno 1553 erworben

Im Jahr 1553 erwarben die Ahnen Wolfgang Bunks das Haus, das seit 1950 das golden glänzende Wirtshausschild mit dem göttlichen Boten ziert. Alte Murrhardter erzählen sich, dass das alte Engels-Emblem nach dem Zweiten Weltkrieg völlig verwittert gewesen sei. Ein Kunstschmied aus Oppenweiler habe den neuen Engel für die damals enorme Summe von 1000 Mark gefertigt. Der durchschnittliche Bruttomonatslohn betrug 1950 knapp 250 Mark.

In den vergangenen Jahrhunderten war in dem Bau mal eine Bäckerei, mal eine Metzgerei, mal eine Weinhandlung untergebracht. Stets wurden allerdings zugleich Gäste bedient, die zum Essen kamen. Die Gastwirtschaft hat sich im Laufe der Jahrhunderte zum Restaurant gemausert.

Berger hat früher die Weinstube Kachelofen geführt

Die Original-Radierungen des Murrhardter Künstlers Reinhold Nägele, die immer an den Wänden hingen, nehme Bunk mit, erzählt Berger. Doch pünktlich zur Eröffnungen würden Kopien aufgehängt. Die Verbundenheit des Künstlers mit dem Engel ist nicht verwunderlich, denn im Nebenzimmer erblickte Nägele einst das Licht der Welt. Der berühmte Sohn der Stadt Murrhardt war ein Vetter von Wolfgang Bunks Großvater. Nägeles Mutter, eine Engelwirtstochter, habe anno 1884 im Gasthof gar heftig gefeiert, erzählt man sich – auch so eine Geschichte. Deshalb, so heißt es, sei ihr Sohn dann unerwartet bald zur Welt gekommen.

Klaus Berger hat bis Anfang des Jahres die Klosterschänke bei Schwäbisch Hall geführt, vorher unter anderm die Gastronomie in Stuttgarter Theaterhaus und die Weinstube Kachelofen in Stuttgart. Seit ein paar Jahren arbeite Erich Schleich für ihn, erzählt Berger. Der Koch habe vorher unter anderem im Schlosshotel Monrepos in Ludwigsburg am Herd gestanden.

Ein Testessen überzeugt die Bunks

Bei Wolfgang Bunk hatten sich viele Interessenten gemeldet, doch meistens hatte der Mann aus Murrhardt kein gutes Gefühl. Mit dem Duo Berger/Schleich indes scheint die Chemie zu stimmen. Ein Testessen in der Klosterschänke hat Bunk dann vollends überzeugt. Im Engel soll auch künftig in erster Linie gute schwäbische Kost auf den Tisch kommen.