Das ägyptische Militärregime nutzt die Justiz, um die Muslimbruderschaft zu zerschlagen. Das sichert Präsident al-Sisi kurzfristig die Macht, aber behindert die Befriedung und Demokratisierung des Landes, kommentiert Rainer Pörtner.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Stuttgart - Ägyptens erster frei gewählter Präsident ist zu zwanzig Jahren Haft verurteilt worden. Der Richterspruch gegen Mohammed Mursi mag milder ausgefallen sein, als zuvor erwartet: die Anklage wegen Mordes, worauf die Todesstrafe gestanden hätte, wurde fallen gelassen. Es bleibt jedoch möglich, dass gegen den Anführer der Muslimbruderschaft am Ende ein Todesurteil gesprochen wird – es warten noch weitere Verfahren auf Mursi, die ein solches Strafmaß erlauben. Gerade erst sind die Todesurteile gegen 22 Mursi-Unterstützer gerichtlich bestätigt worden.

 

Die Militärjunta um den Ex-General und heutigen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi setzt ihre erbarmungslose Verfolgung der Muslimbrüder fort. Mehr als 1400 Mursi-Anhänger wurden seit dem Putsch im Juli 2013 getötet, mehr als 15 000 sind inhaftiert. Massenprozesse, Schnellverfahren, Todesurteile in Serie – die Art der Prozessführung heizt die Spannungen in Ägypten weiter an. Dass Mursi und seine Gefolgschaft vor den Kadi gehören, daran gäbe es auch in einem funktionierendem Rechtsstaat keinen Zweifel. Aber die Militärs nutzen die Justiz, um Rache zu üben und politische Ziele zu erreichen: sie wollen die Muslimbruderschaft auf immer zerstören. Diese Strategie nutzt der kurzfristigen Machtsicherung, einer dauerhaften Stabilisierung des Landes dient sie nicht.