In Berlin entsteht derzeit das Museum der Moderne. Ein Prestigeprojekt, das der Bundesrechnungshof jüngst unter ökologischen Gesichtspunkten jedoch heftig kritisiert hat. Wie steht es um die Nachhaltigkeit im Kunstbetrieb?

Berlin - Am Kulturforum am Potsdamer Platz in Berlin, zwischen Philharmonie und Neuer Nationalgalerie, wird gebuddelt. Hier entsteht das Museum der Moderne, ein Prestigebau nach Plänen der Schweizer Architekten Herzog & de Meuron. Das als „Kulturscheune“ verspottete Bauprojekt wurde allerdings kürzlich vom Bundesrechnungshof kritisiert: Der Entwurf eines „offenen Hauses“, ohne Türen zwischen den Räumen und verbindenden großen Boulevards, erfordere eine aufwendige Klimatisierung mit hohem Energiebedarf und hohen Kosten. „Museum for Future“ – aus ökologischer Sicht eine Fehlanzeige.

 

Die Häuser der Stiftung Preußischer Kulturbesitz gehören schon heute zu den Energieschleudern unter den deutschen Museen, wie Stefan Simon ausgerechnet hat, Direktor des Rathgen-Forschungslabors: Sie verbrauchten 70 Millionen Kilowattstunden Energie im Jahr 2019/2020. Das entspreche dem CO2-Ausstoß von rund 120 000 Flügen zwischen Zürich und London oder dem Bau von 150 Millionen Autobahnkilometer.

Ausstellungstourismus – schlecht für die Klimabilanz

Die Klimatisierung der Ausstellungsräume mit durchgängig 20 Grad und 50 Prozent relativer Luftfeuchte, wie von Restauratoren und Versicherungen gefordert, verbucht dabei den Löwenanteil. Die „graue Energie“, die in den Gebäuden steckt, ist noch gar nicht erfasst. Auch die Folgen des Ausstellungstourismus, für den Objekte, Kuratoren, Restauratoren und Besucher um die ganze Welt reisen, gehörten zur Bilanz. „Eigentlich ist das nicht vereinbar mit den Klimazielen, die sich die Bundesrepublik gestellt hat, aber auch die EU“, sagt Simon.

2019 verfasste er gemeinsam mit 18 Museumsdirektorinnen und -direktoren einen Brandbrief an Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU). Er fordert eine Klima-Taskforce. Eine Antwort stehe noch immer aus. Deutschland, kritisiert Wissenschaftler Simon, hinke der Entwicklung im Vergleich etwa zu den angelsächsischen Ländern hoffnungslos hinterher.

Das Museum für Naturkunde in Berlin geht voran

Dabei hatte die Debatte über Nachhaltigkeit im deutschen Kunstbetrieb, befeuert durch die „Fridays-for-Future“-Bewegung, schon 2018 an Fahrt aufgenommen. Das Museum für Naturkunde in Berlin-Mitte stellte den Aktivistinnen und Aktivisten Räume zur Verfügung, nahm den Ball auf. Mit 30 Millionen Objekten gehört das Haus zu den größten Einrichtungen seiner Art in Deutschland. Seit Jahren wird es umfassend renoviert und zu einem Wissenschaftscampus erweitert, orientiert am Leitbild eines „Grünen Museums“.

Was das heißt, erläutert die Museumssprecherin Gesine Steiner: „Wir haben neben der Errichtung einer Geothermie-Anlage unsere Sammlungs- und Ausstellungssäle mit Heiz- und Kühlschleifen versehen, wir haben Lehmputz an den Wänden verlegt, die über die Geothermie mitversorgt werden.“ Darüber lässt sich die Raumtemperatur energiearm regeln und die Luftfeuchtigkeit konstant halten. Die Institution arbeitet an einer Zertifizierung ihres ehrgeizigen Zukunftsplans mit dem Ziel der Klimaneutralität. Dabei holt es sich Fachleute ans Haus.

Der Wille ist da

Christopher Garthe vom Studio klv berät Museen zum Thema Nachhaltigkeit. Der Wille und die Sensibilität seien bei den deutschen Museen da, stellt er fest. Doch mehr Forschung sei nötig, etwa zu den Veränderungen des Raumklimas und ihren Auswirkungen auf Exponate. „Hier gibt es einen klassischen Zielkonflikt zwischen restauratorischen Anforderungen und einem geringen Energieverbrauch.“

Die Kulturstiftung des Bundes hat jetzt ein Pilotprojekt initiiert, an dem 19 Kultureinrichtungen teilnehmen, darunter das Museum Folkwang in Essen und die Kunsthalle Rostock. Sie sollen eine Klimabilanz erstellen und ihren CO2-Fußabdruck ermitteln. Ab Mai sollen die Erkenntnisse und Empfehlungen daraus online abrufbar sein.

Einige Institutionen haben sich bereits auf den Weg gemacht. Im Gropius-Bau in Berlin etwa, einem vom Bund finanzierten Ausstellungshaus, war im Sommer 2020 die Ausstellung „Down to Earth“ zu sehen. Sie zeigte, dass Nachhaltigkeit als Thema in der Kunst längst angekommen ist. Die Schau verzichtete bewusst darauf, Künstler einzufliegen, einen Monat lang wurde sogar der Strom abgestellt – ein Signal an alle.

Leihgaben nicht mehr aus aller Welt

Stefanie Rosenthal, seit 2018 Direktorin des Gropius-Baus, fordert ein breites Umdenken: Ausstellungsarchitektur ließe sich recyceln. Mit dem „artist in residence“-Programm, das sie am Haus etablierte, werden internationale Künstlerinnen und Künstler längerfristig gebunden. Die Pandemie mit den Einschränkungen des Reisens wirke wie ein Brandbeschleuniger für Nachhaltigkeit, meint sie. Nicht jede Leihgabe müsste von einem eigenen Kurier begleitet, Ausleihen könnten gebündelt, Restauratoren vor Ort stärker eingebunden werden.

Für die Vorbereitung der kommenden Retrospektive der japanischen Künstlerin Yayoi Kusama, der ersten in Deutschland, hat die Gropius-Direktorin bereits Konsequenzen gezogen: „Zum Beispiel in der Umsetzung zu sagen, dass wir nur Leihgaben aus Japan und Europa zeigen werden und nicht noch aus den USA und Südamerika, wo vielleicht auch wichtige Werke sind, aber dass man die Leihgaben bündelt.“

Das „grüne Museum“ ist möglich

Der Austausch mit Kuratorinnen und Künstlern weltweit ließe sich auch künftig über Video-Calls führen. Allerdings habe der Verzicht auf die persönliche Begegnung Grenzen, gibt Stefanie Rosenthal zu. Gerade bei zeitgenössischer Kunst sei es oft essenziell, Arbeiten im Atelier zu sehen und den direkten Austausch zu pflegen.

Für den Planeten sind die Grenzen des Wachstums längst überschritten, mahnen Wissenschaftler und Aktivisten. Das könnte auch für den Kunstbetrieb und die Museen gelten. Die Direktorin des Berliner Gropius-Baus ist überzeugt: „Vieles, was wir im letzten Jahr aufgrund der Pandemie gelernt haben, wird für die Nachhaltigkeit und das nachhaltige Denken helfen.“ Die Transformation zum „grünen Museum“ ist möglich.